Eine Studie zeigt: Amazon zwingt Baumärkte wie Hornbach, Obi und Co. zu drastischen Veränderungen


Das Institut für Handelsforschung (IFH) Köln hat sich in einer Kurzstudie dem Thema gewidmet, wie Amazon und Co. die deutschen Baumärkte in Zukunft verändern werden. Christoph Damm berichtet in Businessinsider.de über diese Studie:

Baumärkte, so heißt es in dem Beitrag, würden nach Aussagen von Experten in Zukunft ganz anders aussehen, als wir sie heute kennen.

Denn viele Kunden schauten vor einer größeren Anschaffung zunächst einmal im Internet nach Preisen, Informationen zum Produkt und suchten Artikelbewertungen. In Sekunden verfügten sie so über eine Vielzahl an Informationen. „Wie fallen die Schuhe aus, wie gut ist das Bild des Fernsehers wirklich oder welches Zubehör ist bei meinem neuen Smartphone eigentlich dabei?“

„Das Machtverhältnis hat sich im gesamten Handel — und damit auch im Baumarkt-Sektor — auf die Seite der Kunden verschoben“, so Eva Stüber, Mitglied der Geschäftsführung beim IFH im Gespräch mit Business Insider. Händler müssten ihren Kunden über den reinen Verkauf von Gütern hinaus einen Mehrwert bieten.

Zusammen mit der HSH Nordbank habe das IFH ein Fünf-Thesen-Papier erstellt, das beschreibe, wie sich die Baumärkte verändern müssten, um den Anschluss nicht zu verlieren.

These 1: Schwindender Kundenzugang im digitalen Zeitalter ist größte Herausforderung für etablierte Baumärkte.

Kunden brauchen im Baumarkt immer seltener die Beratung der Verkäufer. Kunden, die in Fach-, also auch in Baumärkte gehen, seien zumeist bereits im Vorfeld gut informiert. Sie benötigten dafür nur noch wenig Hilfe von Verkäufern.

„Amazon spielt auch bei komplexen Produkten wie Baustoffen eine immer wichtigere Rolle. Nur 23 Prozent der Onlinekäufe im DIY-Umfeld sind komplett unabhängig von Amazon: Das bedeutet, dass Konsumenten nicht bei Amazon nach dem Produkt gesucht, keine Produktinformationen gelesen und auch nicht dort bestellt haben.“

Wichtig sei es für Händler daher, nicht nur Verkäufer von Waren zu sein, sondern ihren Kunden einen Mehrwert zu bieten, zusätzliche Gründe, warum ein Verbraucher in den Markt kommen sollte.

Als Beispiel nenne die Studie Obi. Der Baumarkt biete Kunden bereits beispielsweise eine Online-Gestaltung von Projekten an. Die Verbraucher könnten sich dann Schritt-für-Schritt-Anleitungen für bestimmte Arbeiten und sich die Materiallisten dafür herunterladen. Eine persönliche Beratung durch Projektplaner runde das Angebot ab, wodurch die Kunden in den Baumarkt kommen.

Durch einen solchen Mehrwert setzten sich stationäre Händler von Onlinekonkurrenten ab.

These 2: Klassisches Geschäftsmodell hat ausgedient.

Immer weniger Kunden wollten wirklich selbst Arbeiten am Haus oder im Garten tätigen. Laut dem Thesenpapier sei „Do it yourself“ out, stattdessen wollten die Verbraucher heute „Do it for me“.

Fehlende Zeit oder Kenntnisse sorgten dafür, dass sich Kunden von Baumärkten mehr erwarten, als die reine Versorgung mit Gütern. „Es reicht von Händlerseite nicht mehr aus, Kunden eine Auswahl an Produkten verschiedener Hersteller zu präsentieren und sich auf die Einnahmen der daraus entstehenden Händlermarge zu verlassen. Dieses Modell hat ausgedient, stattdessen müssen die Händler neue Einnahmequellen erschließen — beispielsweise über Serviceleistungen.“

Der Aufbau oder die Installation eines gekauften Produkts werde von 57 Prozent der Kunden als interessanter Zusatzservice des Baumarkts wahrgenommen. Jeder zweite Kunde sähe sogar die Vermittlung von Handwerkern als interessanten Baumarkt-Service ansehen — und zwar unabhängig davon, ob er dort ein Produkt kaufe oder nicht.

Baumärkte müssten sich dieser Nachfrage öffnen und so die Kunden in ihre Filialen locken, so die Experten.

These 3: Konsequente Profilierung als einziger Ausweg.

Auch mit dem Produktangebot könnten sich Baumärkte von der Online-Konkurrenten absetzen. Doch dafür müssten sie sich genau überlegen, wen sie damit ansprechen möchten.

„Händler müssen sich noch gezielter Gedanken über ihre Zielgruppe machen und ein klares Profil herausbilden. Sie brauchen nicht jede Marke im Regal, eventuell ist es besser sich auf exklusive Produkte zu konzentrieren, die es nicht überall zu erwerben gibt, oder auf spezielle Nischenprodukte“, soEva Stüber.

These 4: Zusammenarbeit von Händlern und Herstellern wichtig.

Baumärkte beziehen Waren von Herstellern und verkaufen sie mit einem Aufschlag weiter — so funktioniere der Handel. Dabei sähen sich Händler und Hersteller häufig als Konkurrenz — schließlich könnte eine Marke auch einen eigenen Onlineshop eröffnen und die Produkte am Baumarkt vorbei an die Kuden bringen.

Doch aus Angst vor der Reaktion des Handels, unterließen die Hersteller dies zumeist. Gleichzeitig fehle ihnen damit aber der direkte Kundenkontakt. Hätten Verbraucher Schwierigkeiten mit einem Produkt, gingen sie damit zum Händler und klagten dort ihr Leid — doch diese Anmerkungen fänden dann oft nicht den Weg zum Hersteller.

„Das Verhältnis zwischen Händler und Produkthersteller muss sich grundlegend ändern. Wichtig ist eine stärkere Kooperation. So können einerseits Hersteller in den direkten Kundenkontakt treten, von denen Baumärkte auch noch profitieren, und andererseits können die Baumärkte ihren Kunden einen Mehrwert bieten, indem sie beispielsweise Produktpräsentationen mit den Herstellern organisieren“, soExpertin Stüber.

So könnten Hersteller neue Produkte direkt in den Filialen vorführen und sich dabei selbst mit Kunden austauschen — gleichzeitig sei die Vorführung ein Grund für Kunden, den Markt zu besuchen.

These 5: Kleinflächenformate als Antwort auf Hochregal-Labyrinthe.

Lange Gänge, hohe Regale und weite Wege. Dieses Ambiente von Baumärkten werde in Zukunft wohl abgelöst. „Kunden möchten nicht mehr für den Einkauf auf die grüne Wiese fahren und dort mehrere hundert Meter im Baumarkt hinter sich bringen, um ihr Produkt zu finden. Die Märkte, wie wir sie heute kennen, werden sich in den nächsten Jahren grundsätzlich verändern“, so Eva Stüber.

Ähnlich wie Supermärkte in Innenstädten in kleinen Filialen nur einen Teil des Sortiments anbieten, könnten auch Baumärkte diesen Weg gehen. Erste Tests liefen bereits bei Toom. Der Baumarkt eröffnete beispielsweise vor kurzem in Köln einen Popup-Store mit Pflanzen und in Frankfurt einen mit Farben.

„Kleine Ladenflächen bieten Vorteile: Sie haben eine tragbare Kostenstruktur, wodurch sie auch in stark frequentierten, teuren Lagen angesiedelt werden können. Darüber hinaus sind beispielsweise auch mobile Baumärkte denkbar, die in Neubausiedlungen oder zum Semesterstart in der Nähe von Studentenwohnheimen die benötigten Produkte wie Nägel, Schrauben oder Dübel anbieten“, so Stüber.

Insgesamt warne die Expertin die Baumarkt-Branche davor, in der Online-Konkurrenz eine Gefahr zu sehen. „Die Händler, die sich nicht gegen den Onlinehandel wehren, sondern die Chancen der Technologie und des veränderten Konsumverhaltens für sich entdecken, werden langfristig erfolgreich sein. Auch etablierte Baumärkte müssen mit der Zeit gehen und ihren stationären Handel als guten Ausgangspunkt für den Wandel des Kaufverhaltens der Konsumenten betrachten.“

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