VON KATHRIN KELLERMANN
Es war eine bewegende Gedenkfeier zum heutigen Volkstrauertag am Mahnmal im Hüpptal. Mahnende Worte, dass sich der Schrecken des Zweiten Weltkrieges niemals wiederholen dürfe, kamen von Zeitzeuge Friedel Burghoff ebenso wie von Bürgermeisterin Marion Holthaus in ihrer Begrüßung: „Heute halten wir einen Moment inne, damit uns bewusst wird, wie zerbrechlich Frieden und wie wertvoll die Freiheit ist, die wir hier erleben. Und damit wir nicht vergessen, dass es der Einsatz von vielen Menschen in der Vergangenheit war, die uns diesen Frieden ermöglicht haben – durch ihre Opferbereitschaft, ihren Mut, ihre Leidenschaft und ihre Hoffnung auf eine bessere Zukunft.“
Jill Helsper und Inga Matthies vom städtischen Gymnasium berichteten von ihrem Besuch im Konzentrationslager Auschwitz und von dem Schock, Entsetzen und der Trauer, die in den Gesichtern der Schülerinnen und Schüler gestanden habe, als sie die Baracken und Gaskammern des KZ gesehen haben, in dem zwischen 1940 und 1945 über eine Millionen Menschen ermordet worden sind.
„Uns allen wird plötzlich die Bedeutung des Friedens sehr deutlich, wenn wir Nachrichten über die erschütternden Ereignisse in vielen Teilen der Welt – insbesondere im Nahen Osten, in der Ukraine und in anderen Krisenregionen – sehen. Wir spüren das Entsetzen und die tiefe Traurigkeit über das Leid und die Zerstörung, die Krieg und Gewalt mit sich bringen“, so die Bürgermeisterin.
Berührend vor allem die Rede von Viktor Dmytruk, der nach dem Angriff auf die Ukraine vor zwei Jahren nach Wermelskirchen gekommen ist und hier auch durch die Unterstützung der Initiative „Willkommen in Wermelskirchen“ ein neues Zuhause gefunden hat. Für ihn übersetzte Dorothea Hoffrogge.
Die Rede von Viktor Dmytruk im Wortlaut:
„Ich hätte an diesem denkwürdigen Tag nicht teilnehmen müssen, ich hätte heute schweigen und nichts sagen können… Aber eines Tages sah ich in eure Augen, den Schmerz in euren Augen in dem Moment, als ihr Menschen, die vor dem Krieg flohen, Schutz botet… Und jetzt kann ich nicht schweigen, ich will nicht so tun, als hättet ihr uns nur geholfen, weil ihr die Möglichkeit dazu hattet. Das ist nicht wahr… Ihr habt zusammen mit uns diese schrecklichen Momente des Krieges durchlebt – eines Krieges, der nicht euer eigener war, aber an den ihr euch erinnert…
Der Tag der Trauer, der Tag der nationalen Trauer, hat aufgehört, eine Tradition zu sein. Dieser Tag ist nicht nur eine Erinnerung an die Gefallenen und euer klares „Nein zum Krieg.“ Schon seit einigen Jahren hat er völlig andere Schattierungen angenommen. Während ihr euch daran erinnertet, dass Krieg Schmerz und Leid bedeutet, rief jemand „Wir können es wiederholen“… Und sie haben es wiederholt… Sie haben all das Grauen wiederholt, das ihr mit aller Kraft zu vergessen versucht. Sie haben den Wahnsinn des letzten Jahrhunderts wiederholt… Wann ist in dieser Welt alles schiefgelaufen? Wann wurde das menschliche Leben so wenig wert wie eine Patrone für 36 Cent? Auf all diese Fragen ist es leider schwer, sofort eine Antwort zu finden, aber jeder von uns ist heute an diesem Ort, um nach diesen Antworten zu suchen…
Vor der groß angelegten Invasion der Russen in die Ukraine habe ich das Buch „Dietrich Bonhoeffer. Ein Gerechter der Welt gegen das Dritte Reich“ zu Ende gelesen. Mich interessierte, wie das deutsche Volk heute fühlt, wie die Deutschen heute auf die Geschichte der Vergangenheit blicken. Aber ich konnte mir nicht einmal vorstellen, dass ich bald selbst die Antworten auf meine Fragen mit eigenen Augen sehen würde… Ihr versucht nicht einfach, die dunklen Seiten eurer Geschichte zu vergessen, ihr zeigt mit aller Kraft den kommenden Generationen das Ausmaß der Tragödien, die der Krieg mit sich bringt. Vermeiden, niemals wiederholen, niemals wieder einen erbarmungslosen Krieg zulassen. Das deutsche Volk hat eine gewaltige Transformation des Denkens durchlebt, eine gewaltige Neubewertung von Gut und Böse in dieser Welt…
Und so stehen wir heute hier, mit gesenkten Köpfen vor dem Gedenken an die Verstorbenen. Menschen, deren Geschichten wir niemals mehr hören werden. Aber wir müssen sprechen, wir müssen an die Schrecken des Krieges erinnern. Eines Tages werden auch wir vor Gott stehen, und er wird fragen: „Was hast du auf dieser Erde getan?“ Jeder wird für sich selbst antworten müssen, und dann wird es keine Ausreden mehr geben… Mögen unsere Augen nicht verschlossen bleiben, mögen unsere Lippen nicht verstummen – wir werden noch lange am Rubikon zweier Welten stehen müssen, am Rubikon des Kampfes zwischen Gut und Böse…
Alle Fotos © Stadt Wermelskirchen / Kellermann