Im laufenden Betrieb bewusst immer Alternativen denken

Der Wirtschaftswissenschaftler Michael Fallgatter über Ideen, die ein erfolgreiches Unternehmen widerstandsfähig machen

VON UWE BLASS

Die Widerstandsfähigkeit (Resilienz) deutscher Unternehmen ist mangelhaft! Zu diesem Schluss kommt ein Report des Softwareanbieters SAS. Für Deutschland sagt die Studie: „Nur 40 Prozent der Befragten würden ihrer Organisation Resilienz bescheinigen, und jeder Zweite (51 Prozent) findet, dass sein Unternehmen nicht ausreichend auf Störungen vorbereitet ist.“

Am 25. September laden die Bergische Universität Wuppertal, die Bergische IHK und die Bergische Struktur- und Wirtschaftsförderungsgesellschaft gemeinsam mit der Stadt Remscheid sowie der Neuen Effizienz, Solingen Business und dem Technologiezentrum Wuppertal zum 7. Bergischen Innovations- und Bildungskongress (BIBK) nach Remscheid ein, der unter dem Motto steht: Widerstandsfähigkeit stärken in Kleinen und Mittleren Betrieben. Ansätze für das Bergische Städtedreieck.

Prof. Michael Fallgatter leitet den Lehrstuhl für Personalmanagement und Organisation an der Schumpeter School of Business and Economics der Bergischen Universität Wuppertal. Auf dem BIBK referiert er ´Über die Macht des Informalen` und sagt: „Bei Unternehmensresilienz ist das Individuum das Entscheidende!“

Unternehmensresilienz, ein Begriff, der verstanden werden muss

„Für Unternehmen ist Resilienz nichts Neues“, sagt Fallgatter, „wenn wir von dem vorsichtigen Kaufmann, der auch das Idealbild des Handelsgesetzbuches darstellt, ausgehen, dann ist gesetzlich verankert, dass man vorsichtig sein muss. Man muss Rücklagen bilden, Gewinne erst ausweisen, wenn sie realisiert sind und man muss Verluste sofort ausweisen.“ Substanz zu erhalten, sei eine Grundidee des betriebswirtschaftlichen Denkens und Handelns. Krisensituationen wie Covid 19 oder der Klimawandel fordern uns aber ganz neu heraus und der Resilienzbegriff, welchen wir oft psychologisch interpretieren, greift im Zusammenhang mit Unternehmen nicht.

„In der Psychologie lernen wir, mit unseren eigenen Ressourcen umzugehen. In einer Krise mit dem Vorgesetzten oder im privaten Bereich, einer beruflichen Krise, einer Versetzung oder einer für den Beschäftigten ungünstigen Standortentscheidung des Unternehmens, greift man in der Regel auf eigene Netzwerke zurück. Man erinnert sich an positive Erfahrungen und interpretiert die Situation neu. Bei Unternehmen funktioniert das aber nicht“, sagt der Wissenschaftler, denn wenn eine Krisensituation eintrete, heiße das, dass das bestehende Geschäftsmodell nicht mehr funktioniere. „Man kann sich dann nicht einfach einreden, so schlimm ist das nicht oder ich bin trotzdem stark, sondern man muss versuchen, sehr rasch zu handeln und beispielsweise Umsätze wieder zu realisieren.“ Die zwangsläufige, das Unternehmen rettende Maßnahme heißt dann: Veränderung.

Exploitation und Exploration – Nachdenken über Alternativen

Wie kann aber nun eine Veränderung aussehen? Dazu Fallgatter: „Man muss oder sollte darauf achten, dass man nicht nur auf das bestehende Geschäftsmodell achtet, sondern parallel alternative Möglichkeiten mitdenkt. Wir haben in der Wirtschaftswissenschaft auch ein Begriffspaar, dass das genau umschreibt: Exploitation und Exploration. Das ist ein wunderbares Begriffspaar und macht genau die Problematik deutlich, um die es bei Resilienz geht. Exploitation heißt Ausschöpfung und Exploration heißt Erkunden.“ Typisch sei normalerweise eine Exploitationsdominanz, denn man orientiere sich meist an bestehenden Erfolgen, mache Erfahrungen in bestimmten Branchen, mit bestimmten Kunden und bestimmten Lösungen, verstetige das, optimiere es immer weiter, so dass es dann immer besser, immer stärker, immer effizienter werde. Das verhindere gleichzeitig aber den Blick auf das andere, die Exploration. Je stärker man in der Ausschöpfung sei, umso eher vernachlässige man die Erkundung. Und diese Erkundung, sozusagen die Bedeutung des Nachdenkens über mögliche Alternativen, müsse bewusst gemacht werden. „Über Unternehmensresilienz reden wir nur dann, wenn eine Krise durchschlägt. Und die kann nur durchschlagen, wenn man vorher keine Alternative hat. Der Titel meines Vortrages auf dem BIBK ´Die Macht des Informalen` zeigt schon, man kann das nicht so richtig organisieren. Man kann eine Stabsstelle einrichten, aber das ist teuer und schwer für Mittlere und Kleine Unternehmen umsetzbar. Wenn man es aber schafft, eine Belegschaft zu geteilten Überzeugungen zu bringen, dass Veränderung etwas Positives ist, wenn man die Erwartungshaltung wecken kann, auch bei einer Veränderung geht es mit dem einzelnen Mitarbeiter weiter, man bleibt nicht hängen, dann ist das die Basis dafür, dass wir von einer Resilienz reden können.“ 

Commitment, intrinsische Motivation, Arbeitszufriedenheit und die Selbstbindung der Mitarbeitenden seien ganz entscheidend. „Ohne das, kann man das Thema Resilienz vergessen. Das Individuum ist das entscheidende. Diese Ressourcen muss man nutzen und zwar nie zu Lasten der Mitarbeitenden, sondern dadurch, dass man ihre Stärken nutzt. Das ist die große unternehmerische Leistung.“

Ideen von Mitarbeitenden im Unternehmen bringen Betrieb nach vorn © Pixabay

Substantielle Veränderungen durch das Konstrukt „Vertrauen“

Substantielle Veränderungen sind nötig, um neuen Situationen gerecht zu werden. Neben dem Erkennen, braucht es da aber auch Unternehmensführungen in Kleinen und Mittleren Betrieben, die das umsetzen können. „Man muss Bindungen erzeugen“, sagt Fallgatter, „Arbeitszufriedenheit schaffen, so dass das Konstrukt Vertrauen da ist. Und das muss man etablieren. Es ist immer ein langwieriger Prozess und es bedarf einer unternehmerischen Haltung, einer Haltung von Führungskräften, die Einzelpersonen wertschätzt, intern fördert und die möglichen Strukturen schafft.“

Neue Ausdrucksformen für Werte

Das Nachdenken über Alternativen kann nicht bedeuten, in Krisensituationen über typische Lösungen nachzudenken. Das geschehe aber leider immer noch häufig. Zwar könne man die Leistung eines Mitarbeitenden objektiv messen, vergesse dabei aber die informalen Beiträge und Vorschläge, denn diese seien nicht messbar. „Man kann aber das Informale mit den Mitarbeitenden gestalten. Man braucht Ausdrucksformen für die Werte, um die es geht. Fallgatter nennt ein internationales Beispiel, in dem der Faktor Zufall eine entscheidende, für Unternehmen aber wichtige Rolle spielen kann. „Das teuerste Bürogebäude der Welt ist der Apple Campus 2, ein Ringgebäude. Der Ring ist 1,6 Kilometer lang, hat eine maximale haptische Qualität und das Aufenthaltserleben ist dort ist phantastisch. Innen finden sich Zentren mit Hörsälen und Theater, alles ist gläsern und das sorgt für Zufälligkeit. Und damit Apple immer noch so funktioniert wie ein Start-up, so ist ja die Idee, braucht es zufällige Begegnungen. Da kommt der Entwickler in dem einen Bereich einmal zufällig mit jemandem aus einer anderen Abteilung am Kaffeeautomaten ins Gespräch und erinnert sich Monate später daran, dass er jemanden kennt, der in einem bestimmten Bereich Kenntnisse hat. Das ist Vernetzung.“ Es gehe darum, Zufälligkeiten zu realisieren. Das mache Apple ganz konsequent. In hiesigen Betrieben sei oft bereits der Gang in die Kantine vorgegeben, denn dort gebe es eine klare Sitzordnung. „Da, wo der Vorstand sitzt, da geht man erst gar nicht hin. Das sind informelle Hürden, die existieren und sich fortsetzen. Das Aufbrechen dieser Hürden ist natürlich auch anstrengend. Aber darum geht es. Man kann noch so oft das Wort Wertschätzung an die Tafel schreiben, es kommt aber nur an, wenn man miteinander spricht. Und da braucht es eben neue Ausdrucksformen für das Informelle, damit das klappt. Und das macht dann Unternehmen auch gut.“

Kommunikation zwischen Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden

Diese Ausdrucksformen können am besten im gegenseitigen Miteinander gefunden werden. Transparente Kommunikation, Karrieremöglichkeiten, gute soziale Interaktion sowie ein gut ausgestatteter Arbeitsplatz mit stimulierendem Umfeld führen zu mehr Identifikation mit dem Unternehmen. Unternehmensführungen, die an Resilienz denken, wissen, dass sie nicht alles durchdenken können. „Es gibt immer von den Individuen Ideen, was man noch machen könnte“, sagt Fallgatter zum Schluss, „viele Innovationen entstehen dadurch, dass Mitarbeitende Vorschläge machen.“

Der 7. Bergische Innovations- und Bildungskongress (BIBK) findet im neuen Lindenhof, Honsberger Straße 38, in Remscheid statt. Anmeldungen Bergischer Unternehmen sind über 
https://www.eventbrite.de/e/bergischer-innovations-und-bildungskongress-tickets-927740646247?aff=ebdshpsearchautocomplete möglich.


Prof. Dr. Michael Fallgatter leitet den Lehrstuhl für Personalmanagement und Organisation an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaft der Bergischen Universität Wuppertal, der Schumpeter School of Business and Economics.


Beitragsfoto © Markus Thomanek

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