Den Beitrag von Hartmut Schneider entnehmen wir mit freundlicher Genehmigung dem Bürgerportal Bergisch Gladbach.
VON HARTMUT SCHNEIDER*)
Erneut hat die AfD Rhein-Berg zu ihrem „populistischen Ascherfreitag“ eingeladen, im Kulturbahnhof Overath, mit dem rechtsextremen Bundestagsabgeordneten Matthias Helferich als Gastredner. Unser Autor Hartmut Schneider ist dort inzwischen gut bekannt und nahm es noch einmal auf sich, das alles anzuhören und zu dokumentieren.
Die AfD Rhein-Berg hatte wieder einmal eingeladen zu ihrem sogenannten Populistischen Ascherfreitag. Ich habe die Zusage, teilnehmen zu können. Vor dem Kulturbahnhof Overath versammelt sich eine lautstarke Gegendemonstration.
Unsicher, ob sie mich hinein lassen, gehe ich in Richtung des Versammlungsraumes und als erster begrüßt mich mit Handschlag Matthias Helferich, das „freundliche Gesicht des Nationalsozialismus“, der „demokratische Freisler“ und weniger bekannt, der, der Migranten „Viecher“ nannte und sich zu diesen Zitaten bekennt, wenn auch angeblich aus dem Zusammenhang gerissen. Doch dazu später.
Auf das angebotene Buffet verzichte ich und suche mir einen guten Platz im Saal. In der letzten Reihe sitzt ein Mann in Begleitung eines Deutschen Schäferhundes.
Helmuth Waniczek, der Kreisvorsitzende der AfD zieht sich eine grellbunte Jacke an, wohl als Signal, dass es jetzt lustig wird. Es wird nicht lustig. Er begrüßt die Anwesenden mit den Worten, der Unterschied zwischen den Anwesenden und „denen da draußen“ bestehe darin, dass diese „ihr Gehirn abgeben müssen“. Ein Karnevalstusch wird per Knopfdruck eingespielt. Applaus.
An dieser Stelle möchte ich einfügen, dass ich mir für diesen Artikel vorgenommen hatte, die Frage zu reflektieren, warum die AfD mir jetzt zum dritten Mal Zutritt zu ihren Veranstaltungen gewährt.
Hintergrund: Gastautor Hartmut Schneider war Direktor einer Berufsschule und dokumentiert seit vielen Jahren als Beobachter und Fotograf Demonstrationen von Neonazis und rechtsextremen Gruppierungen. Über die Versammlungen der lokalen AfD berichtet er regelmäßig.
Als hätte Waniczek das geahnt, wendet er sich nach einigen Begrüßungsfloskeln mir zu. Mir ist bekannt, dass es bei der AfD umstritten ist, mich zuzulassen. Es gibt wohl Begründungsbedarf.
Waniczek zeigt ein Diagramm, welches den Zusammenhang zwischen Mitgliederzahlen und Anzahl der „Hetzartikel“ zeigen soll und begrüßt mich dann ausdrücklich als „Ehrengast“ der Veranstaltung. Kräftiger Applaus. Der Hinweis, dass ich die „Edelfeder für Hassartikel“ sei, richtet die volle Aufmerksamkeit der ca. 100 Anwesenden auf mich. Ob Waniczek seine Analyse für einen Scherz hält oder ernst meint, bleibt unklar.

Meine Erklärung für die Duldung ist, dass sich die AfD in einer Art Wagenburgmentalität befindet und mich als Feind nutzt, den inneren Zusammenhalt zu stärken.
Als nächster Ehrengast wird Matthias Helferich begrüßt. Klar, wenn Helferich anwesend ist, ist natürlich auch der Elefant im Raum, sprich seine einschlägigen Zitate. Waniczek bleibt also nichts übrig, als das offensiv anzusprechen.
Er wählt die Variante, Helferichs „freundliches Gesicht“ habe schon immer die Hasspresse gestört, weshalb man ihn „das freundliche Gesicht des NS“ genannt habe. Ein vermeintlicher Freund, dem er das erzählte, habe das dann weiter gegeben und die „Schmutzfinke aus dem Mistblätterwald“ hätten sich „begierig darauf gestürzt“.
Der Humor eines „Klimaexperten“
Nach der Begrüßung des dritten Ehrengastes, Uwe Thrum “aus dem Schlaraffenland der AfD Thüringen” fährt Waniczek fort mit seiner vorbereiteten Rede. Seine bunte Jacke, der Knopfdruck-Tusch und auch sein vermeintlich lustiger Sprachduktus funktionieren nicht. Es wird kaum applaudiert, das sparsame Lachen wirkt auf mich wie das Grinsen von Alice Weidel.
Ich suche nach Worten, es zu beschreiben. Waniczek macht einen weiteren Versuch, lustig zu wirken. Er habe vor Jahrzehnten zu Freunden gesagt, wenn den Regierungen nichts mehr einfällt, wie sie die Steuern erhöhen können, dann würden sie das Atmen verbieten. Da sei man nun angelangt. „Es ist zwar nicht das Einatmen verboten, aber das Ausatmen“. Kein Applaus, kein Tusch, ein wenig gezwungenes Lachen.
Waniczek, der sich als Klimaexperte bezeichnet, hat seine Rede unter das Motto „Physik der Gase“ gestellt. Ein Zuhörer verlässt den Saal. Waniczek: „Nein, bleiben sie hier“, „Bleiben sie hier“, „Es wird nicht so schlimm, wie sie sich vorstellen“, “Gehen sie noch nicht“.
Es wird schlimm. Er lobt die politische Entwicklung, dass man jetzt Gase als „Baustoff zur Konstruktion von Luftschlössern“ verwenden kann. Er beginnt mit Biogas und der „wahnwitzigen Idee“, man könne damit das Energieproblem lösen.
Hier wird deutlich, wie wenig Waniczek, bzw. die AfD fähig sind, komplexe Probleme komplex anzugehen. Niemand behauptet, Biogas könne DAS Energieproblem lösen. Die Vorstellung, das Energieproblem mit vielen, sich ergänzenden Ansätzen zu lösen, bleibt dem promovierten Naturwissenschaftler verborgen.
Dann geht es um Methan. Für seinen Ausflug zu den Methan ausscheidenden Körperöffnungen und deren Geräusche erhält er noch ein mal ein paar Lacher und einen Tusch. „Das ist eine große Gefahr für das Überleben der Erde und deshalb sollten alle Kühe sterben.“
Auch das Thema CO2 wird ähnlich lustig und vor allem mit dem Lächerlichmachen der Zusammenhänge zwischen Erderwärmung und CO2 behandelt. Das Thema Wasserstoff beendet er mit dem Schenkelklopfer, die Regierung wolle wegen der Explosionsgefahr „die Wasserstofffabriken möglichst nah an Wohngebiete bebauen“. Schon länger lacht niemand mehr und auch der Knopfdrucktusch schweigt.
Das Publikum scheint von diesem Zwitter aus Büttenrede und AfD-Wahlkampflügen verwirrt zu sein. Waniczek verlässt die Bühne und bittet Helferich um seinen Beitrag.
Helferichs Vortrag
So wie sich letztes Jahr Beatrix von Storch mit seltsamer Fixierung an der Transgenderperson Tessa Ganserer (Abgeordnete der Grünen) abarbeitete, hat Helferich eine vergleichbare Besessenheit, nämlich Talahons.
Wikipedia sagt dazu: „Der Begriff hat seinen Ursprung in Videos in Sozialen Medien und wird sowohl als Selbstbezeichnung als auch als Zuschreibung durch Außenstehende verwendet. Von diesen wird vor allem aggressives und frauenfeindliches Auftreten mancher als Talahon bezeichneten Personen kritisiert …. Rechtsextremen dient der Begriff als Projektionsfläche des Feindbildes junger muslimischer Männer. Er wird von ihnen gezielt eingesetzt, um diese rassistisch herabzuwürdigen.”
Im Oktober verkleidete sich Helferich im Bundestag provokativ als Talahon und „forderte millionenfache Remigration” (Berliner Zeitung).

Er beginnt mit der Beschreibung eines Videos, das singende Talahons zeigen soll, dessen Sinn mir aber verborgen bleibt. Auch der Satz, der dann folgt, gibt mir Rätsel auf: „Das einzige was einen inzwischen freut, dass neben diesen drei Talahons, die das sehen, bald Robert Habeck und der dreißteste Arbeitslose Deutschlands, Christian Lindner, sich einreihen müssen.”
An die eigene Partei gerichtet, warnt er davor, „dass wir (…) wirtschaftspolitisch und sozialpolitisch zur neuen FDP“ werden. Nachdem er aufgefordert hat, jeden Abend zu beten, dass die FDP Frau Strack-Zimmermann zur Vorsitzenden wählt, kommt er zu seinem Hauptthema, das natürlich Remigration heißt.
Als ob es eine solche Option gäbe, lehnt er eine derzeitige Koalition mit der CDU ab. Würde man die Pinocchio-Nase des CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz als Außengrenze nutzen, könne man Deutschland vor illegaler Einreise schützen, ist sein Kommentar zu Merz.
Eigentlich sei auch kein Sondervermögen notwendig. „Das Geld wäre da. Wir wissen ja inzwischen auch, wer die da draußen finanziert.” Das Sondervermögen hat nach seiner Auffassung niemals so viele Nullen wie die Ampelregierung Minister. Und wenn überhaupt Sondervermögen, dann bitte eins für „Stichschutzwaffen”. Nancy Faeser bezeichnet er mehrfach als „Antifa-Trulla“.
Provozierend sagt Helferich in meine Richtung: „Darf man das sagen? … Sie werden es schreiben.” Ich hatte mir für den Abend vorgenommen, nicht zu reagieren auf Anspielungen, Provokationen usw.
Helferich beklagt die „große Angst der Deutschen vor Abschiebung, aber keine Angst vor dem Dritten Weltkrieg” zu haben. Zum Thema Abschiebung kritisiert er die zu sanfte Praxis. Sein Thema: Abschiebekandidaten suche man tagsüber auf, wenn sie längst verschwunden sind. Mit frühmorgendlichen Polizeibesuchen und der Türoffnung per Ramme habe nur der zu rechnen, der Habeck einen Schwachkopf nenne.
Unter der Innenministerin Faeser gebe es so wenig Meinungsfreiheit wie noch nie, wozu Habeck sagen würde, „es gibt keine Meinungsverbote in Deutschland, man darf nur eben nicht mehr sagen, was man denkt“.
Unser Staat sei kein Rechtsstaat mehr, es sei ein Linksstaat, den die Feinde unserer Demokratie okkupiert hätten, so Helferich weiter.
Nach einem Rundumschlag gegen den Verfassungsschutz kommt er noch auf das Thema der durch Correctiv aufgedeckten Geheimveranstaltung zu sprechen. Er nennt es „Märchenveranstaltung”, die Putschvorbereitungen der Reichsbürger verharmlost er als „Rollatorputsch” und vom Staat inszeniert.
Helferich erhält deutlich mehr Applaus als vorher Waniczek, insbesondere solche Formulierungen bringen die Leute in Wallung: „Ich gehe lieber mit verbundenen Augen über die Straße als auf einen deutschen Weihnachtsmarkt.”
Helferich versucht noch einmal eine Provokation, als es um Polizeieinsätze um 6 Uhr morgens geht. „Welcher Journalist steht freiwillig um 6 Uhr auf” und sieht mich an. „Würden Sie das machen? Nein, oder?” Mit „da müsste schon ein Anruf aus dem Innenministerium kommen” versucht er noch einmal das angeblich inszenierte Zusammenspiel von Regierung und „Lügenpresse” bei den Putschvorbereitungen der Gruppe um den Reichsbürger Heinrich XIII. Prinz Reuß zu denunzieren.
Die Schwäche des Establishments zeige sich daran, dass man „jetzt schon auf die Omas gegen rechts zurückgreifen” müsse und daran würde sich auch nichts ändern, wenn „ganz Deutschland zur Messerverbotszone erklärt wird.”
In seiner zunehmend verwirrten Rede fehlt auch der US-Investor und Philanthrop George Soros nicht, Helferichs Ton wird aggressiver. „Was aber helfen wird, ist, wenn wir lautstark, lautstark, dass Abschlachten unserer Leute, unserer Kinder, unserer Angehörigen, unserer Freunde nicht mehr akzeptieren werden. Wir müssen da stolz vorangehen.”
Die jetzt in den Bundestag neu einziehenden Grünen sind für Helferich „klassische Deutschlandhasser” und Komplizen der „Hammerbande” um Lisa E. „Die Bild Zeitung hat ja gesagt, ich bin der West-Höcke. Dann ist der Kickl der Süd-Höcke, aber wer wird in diesem Jahr der Nord-Höcke?”
Und noch einmal betont Helferich ausdrücklich, wie wichtig es sei, „die kleinen Leute, die Arbeitslosen“ im Blick zu haben, Wohnungs- und Sozialpolitik stärker zu verfolgen: „Wir müssen dort eine patriotisch soziale Bewegung sein, dass wir ein Volk bleiben und keine Multikultur werden“. Es sei letztlich „Zeit für Heldenmut“, „wir kämpfen für das Gute, das Wahre, das Schöne“, „wir werden auch kämpfen, kämpfen, kämpfen – und ich verspreche euch, wir werden auch siegen, siegen, siegen.“
Vor vielen Jahren habe ich „Mein Kampf” von Adolf Hitler gelesen. Matthias Helferich offensichtlich auch.
Der Kreisvorsitzende Waniczek lädt zur Pause am Buffet. Ich habe genug, werde aber noch von ein paar Besuchern umringt. Themen: „Die Demonstranten da draußen werden doch alle finanziert, das weiß doch jeder.” Oder „das Bürgerportal wird von Correctiv finanziert, darüber sollten Sie mal lieber schreiben.” Ich gehe.

Draußen sind nur noch wenige, rund 50 Demonstrant:innen. Ich genieße die Luft und die Ruhe, bis eine Frau in meiner Nähe einen Sprechchor anstimmt: „Ganz Overath hasst die AfD”, in den einige einstimmen. Ich gehe weiter. Die Frau folgt mir, noch lauter schreiend. Ich nähere mich einer Gruppe und die Frau schreit warnend „Vorsicht”. Sie schreit weiter und ich gehe zum Italiener, wo ich verabredet bin. So schnell kann man zum Nazi werden.
*) Hartmut Schneider, geb. 1946. Geboren und aufgewachsen im Bergischen Land. Gearbeitet, studiert und gelebt in Köln. Seit 1983 wohne ich in Bergisch Gladbach. Fotografiebegeistert seit dem 10. Lebensjahr, als eine Agfa Box auf dem weihnachtlichen Gabentisch lag. Als Lehrer habe ich 35 Jahre analoge und digitale Fotografie unterrichtet. Website: hartmutschneider.de/