VON KLAUS ULINSKI
Vor einem Jahr stand hier, wo ich jetzt sitze, eine mächtige, 200 Jahre alte Buche. Sie war ein Wahrzeichen der Beständigkeit – tief verwurzelt, fest verankert, ein Schutzspender für alles um sie herum. Im Sommer bot sie Schatten, bei Regen und Unwettern diente sie als Zuflucht. Die Pferde auf der angrenzenden Koppel suchten unter ihr Schutz, Spaziergänger verweilten auf der Bank in ihrem Schatten, und sie war ein vertrauter Anblick in der Landschaft. Sie gehörte einfach dazu, war ein stiller Garant für Sicherheit und Kontinuität.
Dann, von einem Tag auf den anderen, war sie gefällt. Einfach verschwunden. Ein leerer Himmel, wo vorher ihre Krone war. Die Bank steht nun ungeschützt da, jeder Wetterlage ausgeliefert. Was vorher selbstverständlich war – ihr Schutz, ihre Beständigkeit – ist plötzlich Vergangenheit.

Ein ähnlicher Verlust hat sich am vergangenen Wochenende auf der Münchener Sicherheitskonferenz vollzogen. Gewissheiten, die über Jahrzehnte galten, wurden in Frage gestellt oder aufgelöst. Sicherheitszusagen, die als unumstößlich erschienen, sind nicht mehr sicher. Bündnisse, die Stabilität versprachen, müssen neu gedacht werden. Was lange als unverrückbar galt, kann sich offenbar von einem Moment auf den anderen verändern.
Wie gehen wir mit diesen Verlusten um? Wie reagieren wir, wenn das, was uns Sicherheit gegeben hat, plötzlich nicht mehr existiert? Die Antwort kann nicht Resignation sein, sondern eine neue, bewusste Auseinandersetzung mit der Realität. So wie die gefällte Buche ein Symbol dafür ist, dass selbst das Stabilste nicht ewig währt, zeigt die geopolitische Lage, dass nichts garantiert ist.
Aber genau darin liegt auch eine Verantwortung: Nicht in Erstarrung zu verfallen, sondern mit wachem Blick die Herausforderungen anzunehmen. Uns neu zu orientieren, neue Sicherheitsstrukturen zu schaffen und darauf zu achten, dass wir in dieser veränderten Welt nicht nur nach Schutz suchen, sondern ihn auch gemeinsam gestalten.