Klaus Ulinski hat den Bundestagsabgeordneten für den Rheinisch-Bergischen Kreis, Dr. Hermann-Josef Tebroke (CDU) und Christian Lindner (FDP) per Mail seine Bestürzung über das gleichgerichtete Abstimmungsverhalten mit der Fraktion der AfD im Deutschen Bundestag deutlich gemacht. Nun hat Dr. Tebroke dem Kritiker Ulinski ebenfalls per Mail ausführlichst geantwortet. Von Christian Lindner liegt keine Stellungnahme vor:
Sehr geehrter Herr Ulinski,
vielen Dank für Ihre Nachricht anlässlich der parlamentarischen Debatten zur Migrationspolitik in der vergangenen Woche. Ich habe eine Vielzahl an Zuschriften bekommen – mit ganz unterschiedlichen Rückmeldungen. Manche waren befürwortend, manche kritisch, manche vorwurfsvoll und manche (auch persönlich) verletzend. Ich bin Ihnen dankbar für konstruktive Kritik und weiterführende Hinweise und freue mich, dass Sie sich mit Ihren Gedanken direkt an mich gewandt haben.
Gerne möchte ich im Folgenden detailliert darstellen, was in der zurückliegenden Woche zur Abstimmung stand und meine Positionierung insoweit erklären. Ich freue mich, wenn Sie sich die Zeit nehmen und meine Sicht auf die Dinge nachvollziehen wollen – natürlich ohne diese zwingend teilen zu müssen.
Anlass der Debatte
Vergangene Woche haben wir als Unionsfraktion zwei Entschließungsanträge und ein Gesetzesvorhaben im Bundestag zur Abstimmung gestellt. Der Entschließungsantrag stellt eine bestimmte parlamentarische Handlungsform dar, mit der Abgeordnete oder Fraktionen – gerade auch aus der Opposition heraus – ihre Sichtweise darstellen können. Mit einem Erschließungsantrag kann das Parlament seine Position begleitend zu bestimmten Gesetzesvorhaben erklären und die Regierung konkret auffordern, etwas Bestimmtes beim Vollzug eines Gesetzes zu beachten oder auf die Agenda zu nehmen.
Die in Rede stehenden Vorschläge zur Migrationspolitik aus unserer Fraktion erfolgen in Reaktion auf diverse dramatische Überlastungsanzeigen, die wir – und das über Parteigrenzen hinweg – aus Kreisen und Kommunen geradezu täglich erhalten. Gemeinden zeigen auf, dass sich die Unterbringung der Schutzsuchenden schwierig gestaltet, Turnhallen überfüllt sind und Ämter mit zahlreichen zusätzlichen Aufgaben betraut sind, die sie von der eigentlichen Arbeit abhalten. Lehrerinnen und Lehrer schildern die besonderen sprachlichen und teilweise auch kulturellen Herausforderungen, mit denen sie tagtäglich konfrontiert sind und die den herkömmlichen Unterricht in den Hintergrund treten lassen. Polizistinnen und Polizisten gewähren uns Einblicke in Probleme, die sie insbesondere auch mit Kriminalität im Zusammenhang mit Migration haben. Ehrenamtliche, die seit Jahren in der Flüchtlingshilfe in vorbildlicher Weise selbstlos tätig sind, sehen sich überfordert, zumal ihnen von amtlicher und professioneller Seite nicht mehr Hilfe zur Verfügung gestellt werden kann und weil aus der Bevölkerung zunehmend Unverständnis zurückgespiegelt wird. Ärzte, Betreuer und Sachbearbeiter in den Ausländerbehörden befürchten Gewalttaten der Geflüchteten gegen sich und andere, weil dringende psychologische Betreuung und Behandlung nicht gewährleistet wird.
Wir greifen als Union diese Bedenken mit unserem Vorhaben auf. Durch die Vorfälle in Mannheim und Solingen sowie jüngst in Magdeburg und Aschaffenburg hat sich die Lage nicht fundamental verändert, aber die Zeichen haben sich nochmals verdichtet. Die Sorgen haben zugenommen. Bereits in den vergangenen Jahren haben wir als Union den Ampelfraktionen regelmäßig konkrete Vorschläge unterbreitet – wir wurden aber nicht gehört oder lediglich vertröstet und hingehalten. Mit unseren Anträgen und Debattenbeiträgen in der letzten Woche wollen wir nochmals deutlich machen, dass wir das Migrationsgeschehen besser kontrollieren müssen. Wir wollen den Geflüchteten den notwendigen Schutz und angemessene Hilfe zukommen lassen – was wir aber auf Dauer nur dann können, wenn wir unsere Möglichkeiten als Staat und Gesellschaft richtig einschätzen und Überlastungen zumal aus irregulärer Migration abwehren.
Die in der letzten Woche debattierten Vorschläge sind natürlich nur ein Bestandteil von einer Vielzahl an Maßnahmen, die wir als Union ergreifen möchten: Neben einem klaren Bekenntnis zur Kontrolle und Begrenzung der Migration wollen wir Maßnahmen verabschieden, um die Integration zu erleichtern, die Behörden zu entlasten und die finanzielle Ausstattung der Städte und Kommunen entsprechend anzupassen. Nur so können wir der wichtigen Aufgabe gerecht werden, die zu uns kommenden Menschen angemessen unterzubringen, zu versorgen und auch in unsere Gesellschaft zu integrieren. Hier sehen wir explizit auch den Bund in der Pflicht, mehr zu leisten als bislang geschehen. Wer die schrecklichen Ereignisse der letzten Wochen mit einem lapidaren und in Teilen als verletzend wahrgenommenen Hinweis auf Vollzugsdefizite vor Ort abtut, erkennt den Ernst der Lage nicht und handelt unverantwortlich.
Entschließungsantrag I: BT-Drucksache 20/14698
In unserem ersten Entschließungsantrag nehmen wir die Mordtat von Aschaffenburg zum Ausgangspunkt. Bei dieser wurden zwei kleine Kinder Opfer eines brutalen Messerangriffs. Der Mord an einem der Kinder sowie an einem erwachsenen Mann, der helfen wollte, verdeutlicht eine neue Dimension der Gewalt, die Deutschland zunehmend erschüttert. Die Tat hat Trauer und Bestürzung in ganz Deutschland ausgelöst. Sie reiht sich ein in die Terroranschläge von Mannheim und Solingen und den Angriff auf den Weihnachtsmarkt von Magdeburg. Der Deutsche Bundestag weigert sich in seiner Mehrheit bisher anzuerkennen, dass dies zu einer neuen Normalität in Deutschland zu werden droht und immer größere Kreise der Bevölkerung nachhaltig besorgt. Bei dem Täter von Aschaffenburg handelt es sich um einen 28-jährigen afghanischen Asylsuchenden ohne Schutzanspruch, der ausreisepflichtig war. Er war zuvor bereits mehrfach durch Gewaltdelikte auffällig geworden. Trotz vorübergehender Einweisung in psychiatrische Einrichtungen und bestehender Ausreisepflicht lief er frei herum.
Für uns als Union ist wichtig zu betonen: Die Gewährleistung äußerer und innerer Sicherheit der Bevölkerung gehört zu den vorrangigen Aufgaben des Staates. Allen gewalttätigen Initiativen und Gefährdern ist – unabhängig ihrer Intention oder Herkunft – entschlossen und wirksam entgegenzutreten. Dies bezieht auch den Schutz vor Gefahren ein, die daraus resultieren, dass unsere Möglichkeiten nicht (mehr) ausreichen, Geflüchtete angemessen unterzubringen, ihnen notwendige Hilfe und Integration zu ermöglichen. Oder dass der Abschluss von Asylverfahren zu lange dauert. Oder dass die Ausreise nicht aufenthaltsberechtigter Personen, zumal wenn sie durch Straftaten auffällig wurden, nicht unverzüglich erfolgt. Angesichts unzureichender Kapazitäten kommt es nochmal mehr auf geregelte Migration nach Deutschland an. Dies geschieht bevorzugt in Kooperation mit unseren Verbündeten und im europäischen Kontext. Wenn europäische Regelungen nicht funktionieren, ist es die Pflicht Deutschlands und damit der Bundesregierung, nationales Recht vorrangig anzuwenden – so wie es in den Europäischen Verträgen für außergewöhnliche Notlagen auch vorgesehen ist. Deutschland muss die Abwehr von Gefahren und die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger an erste Stelle setzen und entschlossen handeln.
Wir haben daher folgende Forderungen:
Dauerhafte Grenzkontrollen: Die deutschen Staatsgrenzen zu allen Nachbarstaaten müssen dauerhaft kontrolliert werden.
Zurückweisung ausnahmslos aller Versuche illegaler Einreise: Es gilt ein faktisches Einreiseverbot für Personen, die keine gültigen Einreisedokumente besitzen und die nicht unter die europäische Freizügigkeit fallen. Diese werden an der Grenze zurückgewiesen – unabhängig davon, ob sie ein Schutzgesuch äußern oder nicht. In unseren europäischen Nachbarstaaten sind sie bereits sicher vor Verfolgung, einer Einreise nach Deutschland bedarf es somit nicht.
Personen, die vollziehbar ausreisepflichtig sind, dürfen nicht mehr auf freien Fuß sein: Sie sind unmittelbar in Haft zu nehmen. Die Anzahl an entsprechenden Haftplätzen in den Ländern muss dafür signifikant erhöht werden. Der Bund wird die Länder dabei unterstützen und schnellstmöglich alle verfügbaren Liegenschaften, darunter leerstehende Kasernen und Containerbauten, zur Verfügung stellen. Die Zahl der Abschiebungen muss deutlich erhöht werden.
Mehr Unterstützung für die Länder beim Vollzug der Ausreisepflicht: Der Bund soll die Länder auch weiterhin beim Vollzug der Ausreisepflicht – etwa durch Beschaffung von Reisepapieren und der Umsetzung von Rückführungen – unterstützen. Diese Unterstützung muss weiter ausgebaut werden. Überdies werden Bundesausreisezentren geschaffen, um Rückführungen zu erleichtern. Die Bundespolizei muss die Befugnis erhalten, bei im eigenen Zuständigkeitsbereich aufgegriffenen, ausreisepflichtigen Personen auch selbst und unmittelbar Haftbefehle für Abschiebehaft oder Ausreisegewahrsam beantragen zu können.
Verschärfung des Aufenthaltsrechts für Straftäter und Gefährder: Ausreisepflichtige Straftäter und Gefährder sollen in einem zeitlich unbefristeten Ausreisearrest bleiben, bis sie freiwillig in ihr Heimatland zurückkehren oder die Abschiebung vollzogen werden kann. Aus diesem Arrest ist die freiwillige Ausreise ins Herkunftsland jederzeit möglich. Nicht mehr möglich darf hingegen eine Rückkehr nach Deutschland sein.Im Hinblick auf den Vorwurf einer Abstimmung oder Zusammenarbeit mit der AfD möchte ich auf einen Passus unseres Entschließungsantrags ganz besonders hinweisen. Er soll unsere Position als Unionsfraktion gegenüber der AfD deutlich machen: „Wer die illegale Migration bekämpft, entzieht auch Populisten ihre politische Arbeitsgrundlage. Die AfD nutzt Probleme, Sorgen und Ängste, die durch die massenhafte illegale Migration entstanden sind, um Fremdenfeindlichkeit zu schüren und Verschwörungstheorien in Umlauf zu bringen. Sie will, dass Deutschland aus EU und Euro austritt und sich stattdessen Putins Eurasischer Wirtschaftsunion zuwendet. All das gefährdet Deutschlands Stabilität, Sicherheit und Wohlstand. Deshalb ist diese Partei kein Partner, sondern unser politischer Gegner.“
Auch in den Debatten dieser Woche wurde durch zahlreiche Wortbeiträge einmal mehr deutlich, dass es das Ziel der AfD ist, die CDU zu vernichten. Wie kann die Union darum anders, als eine Kooperation abzulehnen? Die Stigmatisierung der AfD („die da hinter der Brandmauer“) ist gleichwohl unzureichend und die Stigmatisierung ihrer Wähler unangemessen. Wir wollen als Union die Ursachen angehen, weswegen die AfD überhaupt Zuspruch bekommt. Und diese Ursachen hängen nicht zuletzt mit Unzulänglichkeiten einer Politik zusammen, die nicht erkennen lässt, dass sie die Sorgen in der Bevölkerung wahrnimmt und die Probleme konsequent löst. Das wollen wir ändern. Damit diskutieren wir nicht, „wo die Brandmauer steht“, sondern „bekämpfen das Feuer hinter der Brandmauer“.
Entschließungsantrag II: BT-Drucksache 20/14699
Auch im zweiten Entschließungsantrag stellen wir auf die gegenwärtig bedenkliche Sicherheitslage und auf die Aufgabe des Staates ab, die Sicherheit für Bürgerinnen und Bürger zu garantieren. Doch eben diese Sicherheit – und mit ihr das Vertrauen der Menschen in den Schutz durch den Staat – wurde in den vergangenen Jahren immer häufiger, immer regelmäßiger in Frage gestellt und bedroht. Ermittlungs- und Vollstreckungsmöglichkeiten haben sich in vielen Fällen als unzureichend erwiesen. Viele Menschen fühlen sich in ihrem Alltag oder in bestimmten Gegenden nicht mehr sicher. Der Staat muss deshalb entschlossener handeln und wirksamer durchgreifen. Hierfür schlagen wir in unserem Antrag eine Vielzahl von Maßnahmen vor, die wir in der zurückliegenden Legislatur zu unterschiedlichen Anlässen bereits vorgeschlagen haben, die von der Mehrheit im Parlament aber bisher nicht mitgetragen wurden. Dazu zählen unter anderem:
Datenschutz darf nicht Täterschutz sein: Der Schutz von Menschenleben und die Sicherheitsinteressen unseres Staates müssen Vorrang vor Datenschutzinteressen des Einzelnen haben. Das gilt insbesondere bei schweren Straftaten wie Kindesmissbrauch und Terrorismus. Deswegen wird eine Mindestspeicherfrist für IP-Adressen samt Port-Nummern zum Zwecke der Bekämpfung schwerer Kriminalität und zur Verhütung schwerer Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit eingeführt.
Der Daten- und Informationsaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden muss verbessert werden: Dem Bundeskriminalamt und der Bundespolizei wird zur effektiven Bekämpfung schwerer Kriminalität die Nutzung der verfahrensübergreifenden Recherche- und Analyseplattform ‚Bundes-VeRA‘ rechtlich und tatsächlich ermöglicht. Zudem benötigen die Polizeien in den Ländern und im Bund dringend eine einheitliche Plattform für den Datenaustausch und eine Harmonisierung der polizeilichen IT-Architektur.
Ausweitung technischer Befugnisse: Die Befugnisse zur elektronischen Gesichtserkennung, auch zum Videoschutz in Echtzeit an besonders kriminalitätsbelasteten Orten wie Bahnhöfen und Flughäfen, werden ausgeweitet.
Nachrichtendienste stärken: Die Leistungsfähigkeit der deutschen Nachrichtendienste in Bund und Ländern ist von entscheidender Bedeutung für unsere Sicherheit in Zeiten international vernetzten Terrors, grenzüberschreitender Kriminalität und zunehmendem Extremismus. Misstrauen gegen unsere Nachrichtendienste, insbesondere gegen unsere Verfassungsschutzämter im Bund und in den Ländern, ist angesichts der Bedrohungslage vollkommen fehl am Platz. Die Befugnisse unserer Nachrichtendienste müssen verbessert und ausgeweitet werden, damit sie auf Augenhöhe mit der Leistungsfähigkeit der Nachrichtendienste unserer ausländischen Partner arbeiten können und nicht länger von deren Hinweisen zu Terrorgefahren abhängig sind.
Angriffe auf Polizisten, Rettungskräfte und Helfer wollen wir härter bestrafen: Unser Gesetzentwurf zum Schutz von Vollstreckungsbeamten und Hilfeleistenden ist deshalb umzusetzen. Die Sicherheitsbehörden müssen sich bei der Wahrnehmung ihrer wichtigen Aufgaben auf die Rückendeckung der gesamten Gesellschaft verlassen können.
Ausreisearrest: Wer nicht freiwillig ausreist oder abgeschoben werden kann, muss in unbefristeten Ausreisearrest genommen werden können. Aus diesem Arrest ist die Ausreise ins Herkunftsland jederzeit möglich. Nicht mehr möglich darf hingegen eine Rückkehr nach Deutschland sein.
An den deutschen Grenzen zurückweisen: Grenzkontrollen werden unbegrenzt fortgesetzt und konsequent mit Zurückweisungen verbunden. Wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder aus dem Schengen-Raum einreisen und bei uns einen Asylantrag stellen will, ist nicht bedroht. Er wird an der deutschen Staatsgrenze zurückgewiesen. Die Einsatzkräfte an den Grenzen werden wir personell verstärken und mit modernster Grenzsicherungstechnik ausstatten.
Auch nach Afghanistan und Syrien abschieben: Nach Afghanistan und Syrien werden regelmäßig Abschiebungen durchgeführt, vor allem von Straftätern und Gefährdern.
Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte beenden: Der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten sowie alle freiwilligen Aufnahmeprogramme werden beendet.
Weitere Staaten als sichere Herkunftsstaaten einstufen: Um Asylverfahren zu beschleunigen und Rückführungen zu erleichtern, werden weitere Staaten als „sichere Herkunftsstaaten“ eingestuft: Staaten mit einer Anerkennungsquote von unter fünf Prozent sollen zukünftig automatisch als sichere Herkunftsstaaten i.S.v. Art. 16a Abs. 3 GG gelten. Zudem werden verstärkt Rücknahmeabkommen mit den Hauptherkunftsstaaten geschlossen. Zu diesem Zweck werden alle verfügbaren Instrumente – insbesondere Visapolitik und Entwicklungszusammenarbeit – eingesetzt, um die Bereitschaft der Herkunftsstaaten zur Rücknahme ihrer Staatsangehörigen herzustellen oder zu fördern.Zustrombegrenzungsgesetz: BT-Drucksache 20/12804
Den Entwurf zum Zustrombegrenzungsgesetz haben wir als Unionsfraktion bereits vor dem Bruch der Ampel im September 2024 ins Parlament eingebracht. Mit diesem Gesetzentwurf verfolgen wir drei konkrete Vorhaben: Wir wollen erstens das Prinzip der „Steuerung und Begrenzung“ im Aufenthaltsgesetz wieder festschreiben. Darüber hinaus fordern wir zweitens das Aussetzen des Familiennachzugs von subsidiär schutzberechtigten Ausländern. Drittens wollen wir die Kompetenzen im Rahmen von Abschiebeverfahren bündeln und damit Abschiebungen vereinfachen.
Zum ersten Punkt: § 1 Absatz 1 Satz 1 bis 3 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) enthält die Zielbestimmungen des deutschen Aufenthaltsrechts. An diesen Zielen hat sich die Verwaltung von Bund und Ländern bei der Ausübung ihres Ermessens zu orientieren. Bis 2023 nannte § 1 Absatz 1 Satz 1 AufenthG die „Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Ausländern“ als Ziel des Gesetzes. Der Grundsatz der „Begrenzung“ bestimmte keine konkreten maximalen Zuzugszahlen, er sollte allerdings – mit Rücksicht auf die verfügbaren Kapazitäten und Sicherung einer geordneten Zuwanderung – eine entsprechend restriktive Handhabung der Zuwanderungssteuerung nahelegen. Die Ampel-Koalition strich das Ziel der Begrenzung aus dem Gesetz. Wir wollen mit der Wiedereinführung eine klare Botschaft senden: Wir müssen Zuwanderung kontrollieren und auch begrenzen können.
Zum zweiten Punkt: Ein konkreter Ansatzpunkt zur Begrenzung der Migration sind die Regelungen zum Familiennachzug zu subsidiär schutzberechtigten Ausländern. Mit Blick darauf, dass subsidiärer Schutz von vornherein nur auf eine vorübergehende Aufnahme angelegt ist, ist der Familiennachzug zu dieser Personengruppe – anders als insbesondere der Familiennachzug zu Flüchtlingen im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention – durch den nationalen Gesetzgeber frei beschränkbar. Von dieser Möglichkeit wurde bereits zur Bewältigung der letzten Migrationskrise Gebrauch gemacht: Im März 2016 wurde der Familiennachzug zu Personen mit subsidiärem Schutz zunächst für einen Zeitraum von zwei Jahren vollständig ausgesetzt; diese Aussetzung wurde im März 2018 nochmal verlängert. Seit August 2018 ist der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten in begrenztem Umfang wieder möglich. Hier wollen wir gegensteuern.
Zum dritten Punkt: Für die Begrenzung der illegalen Migration nach Deutschland ist auch die konsequente Durchsetzung der Ausreisepflicht von zentraler Bedeutung. Diesem Anspruch wird die Realität bei weitem nicht gerecht: Bei weit über 200.000 vollziehbar ausreisepflichtigen Personen in Deutschland – darunter fast 50.000 Personen ohne Duldung – lag die Zahl der Abschiebungen im ersten Halbjahr 2024 bei gerade einmal 9.465 und damit niedriger als in den Vor-Corona-Jahren. Das wollen wir ändern.
Die Bundespolizei hat bislang – jenseits ihrer Zuständigkeit als Grenzbehörde – keine eigene Kompetenz für Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung. Nicht selten kommt es jedoch vor, dass die Bundespolizei im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung im örtlichen Zuständigkeitsbereich unerlaubt aufhältige Personen feststellt, deren Abschiebung entweder unmittelbar vollziehbar oder mittels einer Duldung ausgesetzt ist, weil eine Passersatzbeschaffung nicht oder noch nicht möglich ist. Nach bisheriger Rechtslage ist die Bundespolizei gezwungen, nach Fertigung einer Strafanzeige diese Personen samt Akten an die zuständige Landespolizei zu übergeben. In der Regel erhält die unerlaubt aufhältige Person dort eine Anlaufbescheinigung zur nächsten Erstaufnahmestelle ausgehändigt und bleibt im Ergebnis – trotz bestehender Ausschreibung zur Festnahme wegen Ausweisung bzw. Abschiebung – auf freiem Fuß. Das wollen wir verfahrenstechnisch nachbessern und so Abschiebungen vereinfachen.
Erklärung zu meinem Abstimmungsverhalten
Wie bereits eingangs beschrieben, haben mich in den letzten Tagen auf verschiedensten Wegen ganz unterschiedliche Positionierungen erreicht. Viele haben unsere Vorhaben ausdrücklich begrüßt, andere ganz explizit kritisiert. In den meisten Fällen ging es darin aber gar nicht um die Inhalte der Entschließungsanträge und des Gesetzesvorhabens, sondern um das Abstimmungsverhalten an sich. Friedrich Merz hat in seiner Plenarrede nochmals die Sachfrage in den Vordergrund gestellt. Unser Ziel war ein klares Zeichen aus der Mitte des Parlaments, dass die kritische Lage erkannt wird und Bereitschaft zu konsequentem Handeln gegeben ist. Das war auch für mich entscheidend.
Die Fraktionen SPD und Grüne haben sich dem nicht angeschlossen. So hat der erstgenannte Entschließungsantrag am Mittwoch mit Stimmen von CDU, CSU, FDP, AfD und fraktionslosen Abgeordneten eine (knappe) Mehrheit gefunden. Zum Gesetzentwurf hat es nachfolgend nochmals kurzfristig angesetzte Verhandlungen gegeben, der Beginn der Debatte am Freitag im Plenum wiederholt nach hinten verschoben worden. Eine Einigung hat es gleichwohl nicht gegeben, und sie stand auch nicht in Aussicht für den Fall einer nochmaligen Vertagung durch Rücküberweisung. Nach einer hitzigen öffentlichen Debatte ist der Gesetzentwurf schließlich mit (knapper) Mehrheit abgelehnt worden. Die Beschlussfassungen erfolgten in namentlicher Abstimmung und damit über jeden einzelnen Abgeordneten öffentlich hier einsehbar. Ich habe – nach intensiven Diskussionen in unterschiedlichen Runden – in allen drei Fällen für den Antrag unserer Fraktion gestimmt.
Vorher hatte ich wie die Mehrheit im Parlament auch gegen eine Rücküberweisung in den Ausschuss und damit Vertagung gestimmt. Dazu fehlte schlicht das Vertrauen in einen tatsächlichen Einigungswillen der Fraktionen von SPD und Grünen. Vielmehr überwog der Verdacht, das Anliegen sollte nur erneut verschoben und vergessen werden. In den vergangenen drei Jahren hatten wir der Ampel-Koalition regelmäßig hinsichtlich Vorhaben der inneren Sicherheit, des Grenzschutzes und der Kontrolle der Migration konkrete Vorschläge unterbreitet. Wir haben nach den Attentaten von Mannheim, Solingen, aber auch Aschaffenburg und Magdeburg verbindlich und pragmatisch unsere Kooperationsbereitschaft signalisiert. Aber die Ampel blieb allenfalls bei Versprechungen, denen keine oder aus unserer Sicht unzureichende Taten folgten. Wie das Tun, so ist auch das Unterlassen zu verantworten. Welchen Anteil daran welche der drei Koalitionsfraktionen hat, hat der Kanzler in seiner Regierungserklärung nicht erkennen lassen und ist hier auch nicht entscheidend. Jedenfalls wurden die im September angekündigten konkreten Maßnahmen nach Solingen nicht abgeschlossen, ja noch nicht einmal zur endgültigen Abstimmung in den Bundestag gestellt. Und hier knüpft unser Gesetzesvorhaben an, welches wir bereits im September 2024 als Reaktion auf die schwierigen migrationspolitischen Rahmenbedingungen vorgelegt wurde und das im Innenausschuss mit allen Fraktionen beraten wurde. Die darin enthaltenen Vorschläge (siehe oben) zielen sämtlich auf Regelungen ab, die vormals bereits Gültigkeit hatten und/oder auch von der Ministerpräsidentenkonferenz so gefordert worden waren. Ihre Umsetzung ist auch rechtlich unumstritten. Eine Zustimmung wäre insofern möglich gewesen. Selbstverständlich stand es den Beratenden offen, die Punkte unseres Gesetzentwurfs im Rahmen von geeigneten Änderungsanträgen zu modifizieren oder zu ergänzen. Auch das ist nicht geschehen. Ich hätte mir sehr gewünscht, unsere Vorhaben in der demokratischen parlamentarischen Mitte gemeinsam verabschieden zu können.
Die Auseinandersetzung über die Anträge und der Verlauf der Debatte waren hitzig und in Teilen polemisch. Das war keine „Sternstunde des Parlaments“. Sicher haben dazu auch zugespitzte Formulierungen in den Anträgen, provozierende oder persönlich verletzende Wortmeldungen beigetragen. Dabei hat die zu lange aufgeschobene Debatte nach dem Zusammenbruch der Ampelfraktion unter unsicheren Mehrheitsverhältnissen und unter einer zu großen zeitlichen Nähe zum Wahltermin stattgefunden. Mit der Diskussion des Verfahrens, der Verlässlichkeit von Zusagen und der Zusammensetzung von Stimmenmehrheiten wurde vom eigentlichen Thema abgelenkt – und von der mangelnden Bereitschaft, Einschätzungen zu korrigieren, Fehler einzugestehen und den Wahlerfolg der Partei hinter das Wohl des Landes zu stellen. All das hat dem Ansehen des Parlaments geschadet – und der Sache nicht gedient.
Die entscheidende Frage, wie wir auf die aktuellen Entwicklungen reagieren und die Migration in Deutschland besser organisieren, wie wir Schutzsuchenden Hilfe gewähren, Integration erreichen, aber auch gegebenenfalls Zurückweisungen vollziehen, ist damit nicht entschieden. Dabei geht es – gerade in der zugespitzten Lage – um Wertschätzung und Respekt gegenüber denjenigen, die wirklich in Not sind, und denjenigen, die helfen. Als reiches Land mit einer besonderen Geschichte tragen wir eine besondere Verantwortung. Zugleich gibt es für den einzelnen, aber eben auch für das Gemeinwesen insgesamt Grenzen, bis zu denen wir helfen können und helfen wollen. Wir sind aufgerufen, dabei noch besser zu werden, aber auch unsere Grenzen zu akzeptieren, um nicht alles zu verlieren. All das kam in den Debatten zu kurz.
In der akuten Zuspitzung der Lage sind schwierige Abwägungen vorzunehmen und Entscheidungen zu treffen. Auch die Kirchen, viele Verbände und Einzelpersonen haben sich in die Debatte eingebracht. Das ist gut und wichtig, die Möglichkeit dazu ein großer Vorzug der Demokratie. Aber die Auseinandersetzung muss sachgerechter und mit mehr gegenseitiger Wertschätzung erfolgen: Auch der Andere könnte Recht haben, auch ihm ist zuzugestehen, dass er sorgfältig geprüft hat und nach bestem Wissen und Gewissen zu seiner Meinung gelangt ist. Und am Ende muss die Debatte zu einem Ergebnis führen, zu einer Entscheidung, wie das drängende Problem gemeinsam gelöst werden soll.
Es macht mich sehr betroffen, dass es nicht gelungen ist, aus der Mitte des Parlamentes eine gemeinsame klare Antwort auf die jüngsten Ereignisse in Aschaffenburg zu finden, auf die so viele Menschen so dringend warten. Dass die Maßnahmen in den Entschließungsanträgen nur ein deutliches Signal und der Gesetzentwurf allenfalls ein erster Schritt und ein somit kleiner Beitrag zur Lösung sein können, ist offensichtlich und auch nicht anders behauptet worden. Ausgenommen die AfD, habe ich bei den meisten Angehörigen der übrigen Fraktionen große Betroffenheit angesichts des Verlaufs der Debatte und der Abstimmungsergebnisse wahrgenommen. Ich hoffe, dass wir in der demokratischen Mitte des Parlaments schon bald in angemessener Weise zu den richtigen und notwendigen Entscheidungen im Sinne einer humanen, sicheren und geordneten Migrationspolitik kommen.
An dieser Stelle möchte ich mich herzlich bedanke, dass Sie meinen Ausführungen bis hierher gefolgt sind. Uns allen ist nur zu wünschen, dass wir bei allem gerechtfertigten harten Austausch in der Sache in Form und Inhalt nicht an den vergangenen Tagen anknüpfen: Übergriffe auf Politikerinnen und Politiker anderer Parteien, Drohungen und Beleidigungen sind keine Mittel der politischen Auseinandersetzung: Freie Meinungsäußerung und sachlicher Diskurs gerne, Hass und Hetze aber nicht.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Hermann-Josef Tebroke, MdB