GRUßWORT VON CORNELIA SENG
Cornelia Seng, Mit-Gründerin der Initiative für Flüchtlinge und Asylsuchende “Willkommen in Wermelskirchen” und lange deren Sprecherin, lebt nach ihrer Pensionierung in Kassel. Gestern hat sie auf dem Festakt zum Zehnjährigen von “Willkommenen in Wermelskirchen” ein Grußwort vorgetragen, das die Absichten und Motive der ehrenamtlichen Flüchtlingshilfe deutlich macht
Es ist vielleicht nicht zehn Jahre her. Aber gut neun sind es bestimmt. Eine junge Frau kommt mit einer Laterne ins Café International ins Gemeindehaus am Markt. Es ist eine stattliche, schöne Holzlaterne. Mit den Ornamenten sieht sie leicht orientalisch aus. Willkommen in Wermelskirchen sei für sie ein Licht, sagt sie und stellt die Laterne auf den Tisch. Ein Licht! –
Was war passiert? Bei der Gründung von „Willkommen in Wermelskirchen“ hatten wir uns nicht vorgenommen „Licht“ zu sein. Wir wollten einfach die Worte und Gedanken von Jesus ernst nehmen. Man lässt niemanden am Wegesrand hilflos und verwundet liegen, hat er im Gleichnis vom Barmherzigen Samariter klargemacht. Man lässt niemanden ertrinken. Punkt. Man schickt niemanden zurück ins Elend, in Verfolgung und erlebte Demütigung. Wir helfen uns gegenseitig ins Leben. Wir sind Mit-Menschen. Wir ehren Gott, indem wir seine Schöpfung ehren. Wir ehren Gott, indem wir die Würde des Menschen respektieren.
Ich sehe ihn noch vor mir, den Mann aus Afghanistan. Er war nicht mehr ganz jung. Lange hatte er im Iran als irgendwie Geduldeter gelebt. Ohne Papiere. Ich sehe noch das Strahlen in seinen Augen. Zum ersten Mal in seinem Leben habe er ein persönliches Ausweisdokument. Mit seinem Bild und seinem Namen. In diesem Moment war ich stolz auf Deutschland. Stolz auf die Väter und Mütter des Grundgesetzes, das diese freiheitliche Demokratie bis heute möglich gemacht hat.
Ein ehemaliger Verfassungsrichter von Karlsruhe hat den Satz geprägt: „Demokratie lebt von Voraussetzungen, die sie nicht selber schaffen und garantieren kann: von der Zivilgesellschaft.“ Demokratie lebt von Initiativen wie “Willkommen in Wermelskirchen“. Demokratie lebt von Bürgerinnen und Bürgern, die selbstbewusst das Grundgesetz leben. Sie sind das Rückgrat der Demokratie.
Dass das in Wermelskirchen über zehn Jahre gelungen ist, das ist einen kräftigen Glückwunsch wert. Ein Glückwunsch an alle, die diese Idee von Anfang an mitgetragen haben und an die, die schon mehr als zehn Jahre lang für diese Idee einstehen. Und ein Glückwunsch an alle Bürgerinnen und Bürger von Wermelskirchen für diesen demokratischen Aufbruch in ihrer Stadt.
Nun kann man heute über gelungene demokratische Aufbrüche kaum sprechen, ohne auch über die Gefährdung unserer Demokratie zu sprechen. Der „Rechtsruck“! Nach den furchtbaren Taten einzelner in Solingen und Magdeburg ist die Migration zum entscheidenden Wahlkampfthema gemacht geworden. Ich kann sie nicht mehr hören, die pauschalen Verdächtigungen und Verurteilungen von Menschen, nur weil sie aus einer anderen Kultur, aus anderen Ländern kommen. Ich bin auch nicht mehr bereit, das als „bloßes Wahlkampfgetöse“ abzutun. Wer sich um ein politisches Mandat in unserem Land bewirbt, muss wissen, dass es keine Menschen zweiter Klasse geben kann und darf.
„Law and Order“ – mit diesem Slogan wirbt eine große politische Partei. „Law“ – das Recht: Ja gerne. Aber auf der Grundlage der Menschenrechte! „Dunkelheit kann nicht mit Dunkelheit vertrieben werden, das kann nur das Licht. Hass kann nicht durch Hass vertrieben werden, das kann nur die Liebe“. Das hat der von mir sehr geschätzte Bürgerrechtler Martin Luther King gesagt. Ein Licht – eine Laterne – weist den Weg. Das ist viel. Gerade in dunklen Zeiten.
Ich freue mich über zehn Jahre „Licht“ durch „Willkommen in Wermelskirchen“. Und ich bete um Segen und Ausdauer für alle, die dabei sind. Mögen sich noch viele Menschen inspirieren lassen zu Nächstenliebe und Barmherzigkeit! Und zu einem fröhlichem Miteinander in dieser Stadt.