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In den ersten drei Quartalen 2024 wurden vorläufigen Angaben zufolge 3.370 antisemitische Straftaten erfasst, 89 davon Gewalttaten. Im gesamten Jahr 2023 wurden 5.164 antisemitische Straftaten erfasst, 148 davon Gewalttaten. Die antisemitischen Straftaten haben sich von 2022 auf 2023 verdoppelt (2022: 2.641 Straftaten), die meisten Straftaten wurden nach dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober verübt. Auch die Gewalttaten haben von 2022 auf 2023 deutlich zugenommen (2022: 88).
Die antisemitischen Straftaten reichen von Sachbeschädigung, über verbale Hetze bis hin zu körperlichen Attacken gegen Jüdinnen und Juden. 2023 wurden 91 Körperverletzungen registriert (2022: 61). Laut Zivilgesellschaftlichen Organisationen gibt es zunehmend Angriffe auf Gedenkstätten und Erinnerungsorte.
Antisemitische Straftaten und Vorfälle seit dem 7. Oktober 2023
Seit dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und der folgenden israelischen Gegenoffensive ist ein deutlicher Anstieg antisemitischer Vorfälle und Übergriffe zu verzeichnen:
- Mehr als 10.400 politisch motivierte Straftaten erfasste das BKA seit dem 7. Oktober 2023 im Zusammenhang mit dem Nahost-Krieg (Stand 20. Dezember 2024). Darunter sind rund 4.200 antisemitische Straftaten – die meisten werden einer “ausländischen Ideologie“ oder ”religiösen Ideologie” zugeordnet. Unter die Delikte fallen vor allem Sachbeschädigungen und Volksverhetzungen. Insgesamt hat sich die Zahl antisemitischer Straftaten von 2022 auf 2023 verdoppelt (siehe oben).
- Die Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus e.V. (RIAS) verzeichneten zwischen dem 7. Oktober und 31. Dezember 2.787 antisemitische Vorfälle (strafbare und nicht strafbare), darunter 5 Fälle extremer Gewalt, 76 Angriffe und 117 Bedrohungen.
- Zwischen Oktober 2023 und September hat die Beratungsstelle OFEK 1.858 Beratungsanfragen erhalten, 1.413 wegen antisemitischer Vorfälle. Zum Vergleich: Das sind mehr Anfragen als in den sechs Jahren zuvor (1.240).
- 42 Prozent der jüdischen Gemeinden in Deutschland waren 2024 von antisemitischen Vorfällen betroffen, darunter Beleidigungen, Zuschriften, Drohanrufe und Schmierereien. Das zeigt eine Umfrage des Zentralrats der Juden in Deutschland unter Vorsitzenden jüdischer Gemeinden. 63 Prozent der Gemeinden geben an, dass der Krieg in Nahost negative Auswirkungen auf die Gemeinden habe – es gibt Angst vor Angriffen und einen spürbaren Anstieg von Antisemitismus. 43 Prozent der Gemeinden sagen, dass weniger Mitglieder am Gemeindeleben teilnehmen.
- Laut BMI haben seit dem 7. Oktober antisemitische Beiträge auf den sozialen Medien deutlich zugenommen. Im Zusammenhang mit dem Krieg habe das BKA über 3.500 Löschersuchen und 290 Entfernungsanordnungen in Bezug auf terroristische Inhalte gestellt (Stand 6. Februar 2024).
Vom wem werden die antisemitischen Straftaten begangen?
Rund 60 Prozent der Straftaten 2023 waren auf das rechte Milieu zurückzuführen, rund 23 Prozent einer “ausländischen Ideologie”. In den Vorjahren waren meist über 80 Prozent der Straftaten dem rechten Spektrum zuzuordnen. Der Anteil könnten aber zu hoch gelegen haben, da Straftaten bisher dem rechten Spektrum zugeordnet wurden, wenn es keine “gegenteiligen Anhaltspunkte” gab. Das ändert sich im Jahr 2024. Straftaten, die nicht klar zuzuordnen sind, werden jetzt in der Kategorie “Sonstige Zuordnung” erfasst.
Bei den Vorfällen, die die Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus 2023 erfassten, waren etwa 61 Prozent der Vorfälle keinem Milieu zugeordnet – u.a. da viele Schmierereien oder Beschädigungen mit unbekannten Täter:innen unter den Vorfällen waren. 9 Prozent wurden einem rechtsextremen Hintergrund zugeordnet.
Wie werden antisemitische Straftaten erfasst?
Die Landeskriminalämter übermitteln dem Bundeskriminalamt alle politisch motivierten Straftaten. Die Länder ordnen sie ausgehend von den Motiven zur Tatbegehung und den Tatumständen verschiedenen „Themenfeldern” zu (u. a. Hasskriminalität, eine Unterkategorie davon ist Antisemitismus) sowie einem „Phänomenbereich“ (-links-, -rechts-, -ausländische Ideologie-, -religiöse Ideologie-, -sonstige Zuordnung-), abhängig von den ideologischen Hintergründen und Ursachen der Tatbegehung.
Die PMK ist eine Eingangsstatistik, im Gegensatz zur Polizeilichen Kriminalstatistik. Straftaten werden also schon zu Beginn der polizeilichen Ermittlungen in die PMK aufgenommen. Bis Ende 2023 wurden antisemitische Straftaten automatisch der Kategorie -rechts- zugeordnet, wenn es keine anderen Anhaltspunkte gab. Das wurde für die Erfassung 2024 geändert: Straftaten, fallen unter -sonstige Zuordnung-, falls der Phänomenbereich unklar ist.
Welche weiteren Statistiken gibt es neben der polizeilichen Kriminalstatistik?
Die polizeiliche Erfassung antisemitischer Straftaten steht in der Kritik: Viele Übergriffe würden nicht registriert, sagen Fachleute. Eine Untersuchung der Universität Bielefeld zeigt: Nur rund ein Viertel der Betroffenen antisemitischer Vorfälle hat diese gemeldet. Betroffene haben oft kein Vertrauen darin, dass die Behörden sie ernst nehmen oder sich durch die Anzeige etwas ändere.
Verschiedene Organisationen führen daher eigene Zählungen durch:
- Die Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (RIAS) erfassten 2023 bundesweit 4.782 antisemitische Vorfälle, das ist ein Anstieg um knapp 83 Prozent. Über die Hälfte der Vorfälle ereigneten sich nach dem 7. Oktober (2.787). Die Daten basieren auf Meldungen bei RIAS und Übermittlungen anderer Organisationen.
- Der Verband VBRG veröffentlicht jährlich Zählungen von Opferberatungsstellen, darunter Zahlen zu antisemitischen Gewalttaten nach dem Strafgesetzbuch: Für 2023 erfasste der Verband 318 Angriffe (2022: 201). Die erfassten Körperverletzungen haben sich von 2022 auf 2023 mehr als verdreifacht (von 21 auf 71).
- Die Amadeu Antonio Stiftung führt eine Chronik antisemitischer Straftaten.