Architekturprofessor Holger Hoffmann über eine Aktion des Bundes Deutscher Architektinnen und Architekten (BDA) zur Umnutzung des Platzes am Kolk
VON UWE BLASS
„Ein wichtiger Platz von hoher städtebaulicher Bedeutung“, hat Oberbürgermeister Uwe Schneidewind einmal den Platz am Kolk genannt, den Wuppertaler Bürger:Innen seit vielen Jahren als Parkplatz, Marktersatz oder vorübergehende Grünfläche erlebt haben. Holger Hoffmann, Architekt und Professor an der Bergischen Universität sagt dazu: „Plätze sind die Wohnzimmer einer Stadt. Und die Verkettung von Plätzen und Straßen ist für die räumliche Sequenzierung der Stadt – und damit für ihre Aufenthaltsqualität – von großer Bedeutung..“ Der Platz am Kolk sei deshalb so immens wichtig, weil er den Übergang von der Innenstadt Elberfelds nach Osten, mit der direkten Anbindung an das Kreativquartier Hofaue bis zum künftigen Pina Bausch Zentrum ermögliche. Je besser dieser Platz funktioniere, desto erfolgreicher werde auch die Anbindung sein.
Der Bund Deutscher Architektinnen und Architekten Wuppertal (BDA) unter ihren Vorsitzenden Holger Erke und Volker Hofmann lud daher alle Bürgerinnen und Bürger am vergangenen Samstag ein, mit ihren Ideen an der möglichen Umnutzung dieses Ortes mitzuwirken.
Planung nach dem Krieg ist längst problematisch
Stadträume sind immer mit einer Stadt gewachsen, und das ist aus heutiger Sicht auch problematisch. Dazu Hoffmann: „Wenn man die räumlichen Qualitäten, die letztlich für die Atmosphäre, das Flair und die Attraktivität einer Stadt zentral wichtig sind, im Blick hat, war die Planung der autogerechten Stadt nach dem Krieg ein Desaster. Diese Planung hat auch Wuppertal einige kaum zu heilende Wunden zugefügt. Erfreulicherweise ist aber der Platz am Kolk räumlich, also in Maßstab und Proportion, wie in wichtigen Teilen auch architektonisch – man denke nur an das Postgebäude und die Kirche – durchaus qualitätvoll. Und es gibt Anlieger, die diesen Platz auch bespielen könnten. Eine Transformation des Platzes am Kolk wäre also vergleichsweise ´low hanging fruits`.“ (Low Hanging Fruits sind Aufgaben, bei welchen mit minimalem Aufwand maximaler Erfolg erzielt werden kann. Anm. d. Red.)
Alternativen zum Auto
Alle Welt setzt auch in der Stadt auf den PKW als probates Fortbewegungsmittel. Das müsse aber nach Hoffmanns Ansicht, wenn man die Stadt als Ort der Gemeinschaft verstehen wolle, nicht die primäre Art der Fortbewegung sein. „Wuppertal hat mit dem Bau der Schwebebahn vor über 100 Jahren gezeigt, wie zukunftsweisende Mobilität funktioniert. Die Fahrt durch die Stadt und das Erleben der Räume und Menschen ist doch unglaublich faszinierend. Diese Ambition scheint man vergessen zu haben.“ Städte, wie Amsterdam, Kopenhagen oder Münster, hätten längst nachgewiesen, dass man sich ohne Auto viel schöner durch die Stadt bewegen könne. Das Wetter sei keine Ausrede, denn in den genannten Städten regne es nicht weniger als in Wuppertal, und auch die Topografie tauge spätestens seit der Einführung von E-Bikes nicht mehr als Gegenargument. „Der Bund Deutscher Architektinnen und Architekten Wuppertal (BDA) hat schon vor zwei Jahren den Platz am Kolk als Platz ohne Autos bespielt. Wir nehmen das Thema wieder auf, da der Platz zu häufig brach liegt. Es ist wichtig, dass wir die großen Potentiale der Stadt nicht vergessen. Und weil die Stadt ja nicht nur uns Architekten interessiert, sondern natürlich auch alle anderen, haben wir uns überlegt, wie wir all die Intentionen, Hoffnungen und Wünsche am Beispiel dieses konkreten Ortes zusammenbringen können. Dazu gibt es heute einfach zugängliche und spielerische Werkzeuge.“
Studierende der Architektur setzen Ideen der Bürger in KI um
Am Aktionstag wurden die Ideen der Interessierten durch Studierende mittels KI umgesetzt. „Unsere Studierenden setzen generative KI längst in allen möglichen Bereichen ein“, erklärt Hoffmann. „Ob für die Recherche und die Unterstützung beim Schreiben von Texten oder Algorithmen, ebenso für urarchitektonische Aufgaben, wie das Erzeugen von Modellen und Zeichnungen, oder – wie in diesem Fall – das Visualisieren von Projekten.“ Das geschehe über sogenannte „prompts“ (Ein Prompt ist ein Anweisungssignal oder eine Eingabe, die an ein KI-System gerichtet ist, um eine bestimmte Antwort oder Aktion zu initiieren, Anm. d. Red.), eine niederschwellige aber eindrückliche Anwendung. Alle Menschen wissen um ´alternative Realitäten`, die man sehr realitätsnah erzeugen könne, erklärt der Fachmann und sagt: „Für uns Architekten, die wir ja immer über mögliche Zukünfte nachdenken, ist generative KI also ein machtvolles Werkzeug. Und auch nicht-Architekten können über die Texteingabe phantasievolle Bilder erzeugen. Mit den Besuchern haben wir einfach aufgeschrieben, wie diese sich einen zukünftigen Platz am Kolk vorstellen. In der Bilderzeugung gibt es keine Grenzen und ein solcher Ansatz ist durchaus spielerisch. Die erzeugten Visionen wurden auf einem großen Bildschirm in die Stadt projiziert.“ Zusätzlich ausgedruckte Bilder mit eigenen Visionen des Platzes konnten die Besucher mit nach Hause nehmen.
Vorbereitet wurde die Aktion durch Kolleg:innen des BDA, die Kontakte nutzten, selbst viel Zeit investierten und auch die nötigen Budgets organisierten. Technisch verantwortlich für die Durchführung vor Ort waren die Studenten Anton von der Heyden und Leonard Idelberger, die technisch versiert und engagiert Hardware, KI und Besucher gleichermaßen bespielt haben.
Der rosa Elefant im Blumenbeet
Wer also eine Idee zur Umgestaltung des Platzes am Kolk hatte, wandte sich an die beiden Studenten, die dann ein Bild des „nackten“ Platzes auf dem Computer aufriefen und die gesamte Fläche, oder auch nur bestimmte Punkte darauf, markierten, um diese dann mit den Wünschen und Ideen der interessierten Besucher zu füllen. „Dabei bedienten wir uns der Adobe Library, einem Webdienst mit unzähligen Bildern, die dann in die markierte Fläche integriert werden“, erklärt Anton von der Heyden das Vorgehen. So kam dann auch der rosa Elefant im Blumenfeld zustande, eine Version, die sicher auch ein Hingucker wäre. Für alle sichtbar, projizierten die Macher die Ergebnisse auf eine große Leinwand mitten auf dem Platz am Kolk.
Nichts muss so bleiben, wie es ist
Der Platz am Kolk ist nur ein Teil einer Initiative zwischen Elberfeld und Barmen. Ergebnisse des Dialogs der seit 2016 gemeinsamen Initiative von BDA und Stadt Wuppertal „Qualitätsoffene Innenstadt“ hingen auch am Projekttag auf dem Platz am Kolk zur Information aus. „Wichtig war uns zu zeigen, dass die Stadt ein lebendiger Organismus ist und davon lebt, dass wir ihn immer weiter denken. Das zeigt auch unser Großplakat mit der Aufschrift: Alles ist möglich, nichts muss so bleiben wie es ist“, erklärt Hoffmann.
Da die Beteiligten wissen, dass Veränderungen immer lange Prozesse sind, sind Aktionen wie diese am Kolk wichtig, um diese Veränderungen voranzutreiben. „Wir sehen auch durch die Pläne zur BUGA, dass Wuppertal immer wieder in der Lage ist, Projekte zu stemmen, die in die Zukunft weisen. Und das wollen wir hiermit unterstützen.“
Wie könnte der Platz am Kolk in Zukunft aussehen?
„Ich glaube, dass wir in der Stadt Plätze für Menschen brauchen, die von Menschen benutzt und gelebt werden“, sagt Hoffmann. Nicht wenige der Besucher ließen sich daher den Platz am Kolk als Park oder stark begrüntem Platz visualisieren. Auch eine Markthalle mit mediterranem Flair und ein Skatepark zeigten klar, dass es ein Bedürfnis nach gemeinschaftlich genutztem Raum gibt. Um der Parkplatzatmosphäre kurzfristig entgegenzuwirken brauche es vielleicht eine Entsiegelung, Bänke und Grünflächen. „Auf der anderen Seite haben wir den großen Vorteil, dass hier der direkte Zugang zur Innenstadt ist, so dass immer Menschen hierherlaufen. Langfristig kann ein Art Pavillon den Platz abschirmen und bespielen.
Wenn dann an diesem Ort noch Programme, die auch von Anliegern gestaltet werden könnten, stattfänden, der Platz also immer wieder neu bespielt würde, erklärt Hoffmann abschließend, dann würde es für die Bürger auch klarer, dass man mit einem solchen Platz mehr machen könne, als ihn nur zum Parken zu nutzen, denn Parkhäuser gebe es im Umfeld genügend.
Prof. Holger Hoffmann ist Inhaber der Professur für Darstellungsmethodik und Entwerfen an der Bergischen Universität Wuppertal und Gründer des Düsseldorfer Architekturbüros one fine day. Nach dem Abschluss an der Münster School of Architecture hat er bei Bolles+Wilson in Münster und nach dem Diplom an der Städelschule in Frankfurt im Büro UNStudio, Amsterdam, als Architekt gearbeitet. Seitdem gilt sein Interesse in Praxis, Lehre und Forschung (u.a.) dem computergestützten Entwerfen, Darstellen und Fertigen von Architektur mit besonderem Interesse an typologischen und tektonischen Fragestellungen