VON HEIKE KORNETZKY-GRÄWE
Kommen wir ohne Umschweife sofort zur Sache:
Stellen Sie sich vor, Sie müssen ganz dringend eine öffentliche Toilette aufsuchen, aber leider ist die Tür, weil das WC defekt ist, verriegelt – die Bahnreisenden unter Ihnen kennen diese Situation vermutlich.
Sie sind verärgert, wütend und zunehmend verzweifelt, vor allen Dingen, wenn sich keine andere Möglichkeit ergibt, seine Notdurft zu verrichten. Alles in allem also eine sehr besch…eidene Situation, nicht wahr!?
Ein Teil der Menschen kann eine Toilette aber selbst dann nicht benutzen, auch wenn diese im funktionsfähigen Zustand ist. Das ist unter anderem dann der Fall, wenn sich die Toilette, wie häufig z.B. in Restaurants, im Keller befindet, zu dem eine Treppe hinunter führt. Für Menschen mit Behinderungen sind die
Stufen ein Hindernis, das es ihnen erheblich erschwert, oder je nach Art der Beeinträchtigung sogar unmöglich macht, zum WC zu gelangen- auch sie sind dann verärgert, wütend und verzweifelt.
Diese ist nur eine Lebenssituation behinderter Menschen, die Monika Hiller in ihrem Buch „125“ beschreibt. Sie schildert darin eine ganze Reihe weiterer Begebenheiten, die aufzeigen, wie schwierig sich der Alltag für Menschen mit
Behinderung oftmals gestaltet, obwohl doch das Benachteiligungsverbot in Art. 3, Abs. 3 im Grundgesetz verfassungsrechtlich verankert ist und sich zahlreiche
Gesetze mit Barrierefreiheit, Teilhabe und Inklusion befassen.
Monika Hiller zeigt in den Kapiteln ihres Buches auf, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen lediglich einen Teilaspekt darstellen. Es ist vor allen Dingen notwendig, dass sich die gesellschaftliche Einstellung und das Denken in den Köpfen ändern muss, wenn Inklusion gelingen soll. Sie erzählt von ihren Erlebnissen und Erfahrungen als Behinderte ohne Anklage oder gar Verbitterung, dafür aber pointiert, differenzierend und mit einer großen Portion Humor und Selbstironie.
So ist es Menschen mit Behinderung nicht vollkommen unmöglich, eine ganz normale Schule zu besuchen, eine Ausbildung oder ein Studium zu absolvieren, einem Beruf nachzugehen. Auch muss man zum Beispiel gehbehinderte Menschen nicht in erhöhter Lautstärke ansprechen, denn schlecht laufen können bedeutet nicht automatisch, dass man nicht gut hören kann.
Andererseits wird das Leben behinderter Menschen regelmäßig unnötig erschwert, etwa durch Blumenkübel, die vor Geländer aufgestellt zwar hübsch anzuschauen sind, aber die Benutzung des Handlaufs verhindern. Oder Aufpflasterungen, etwa an Kreuzungen oder Bahnsteigen mit Rillen und Noppen, die keine Kunst im öffentlichen Raum, sondern wichtige Leitsystemefür sehbehinderte Menschen sind und deshalb nicht mit Fahrrädern oder Mülltonnen zugestellt sein sollten.
Viele beschriebene Situationen hat die Verfasserin dieser Zeilen, die selbst geh-und sehbehindert ist, gleichfalls erlebt, aber dennoch ist es kein Buch ausschließlich von Behinderten für Behinderte, denn wie schreibt Monika Hiller am Schluss so wunderbar:
„Wir sind alle Menschen, ob mit oder ohne Behinderungen. Und irgendwie auch alle gleich, in dem was wir tun oder sind.“
Über Monika Hiller
Monika Hiller ist aufgewachsen im Rheinisch Bergischen Kreis, wo sie auch wohnt. Sie absolvierte nach dem Abitur den Studiengang für die gehobene Verwaltungsbeamtenlaufbahn und ist seit dessen Abschluss als Beamtin in der Kommunalverwaltung tätig, davon sechzehn Jahre in der Kämmerei der Stadt Wermelskirchen. Seit 2018 ist sie Inklusionsbeauftragte bei Stadt Bergisch Gladbach.
Bezug des Buches „125“
-Die Printausgabe kann bestellt werden über m.hiller@stadt-gl.de