Prämiensparvertrag: Was die BGH-Urteile für Zinsansprüche bedeuten

Verbraucherzentrale NRW rät Betroffenen in NRW, genau auf Verjährungsfristen zu achten / Musterbrief online abrufbar

Seit vielen Jahren werden Prämiensparverträge vor Gericht verhandelt. Die häufig schon in den 1990er Jahren abgeschlossenen Sparverträge hatten nur vergleichsweise geringe variable Sparzinsen, dafür aber bei zunehmender Laufzeit fest vereinbarte, steigende Prämien, die für die Banken teuer wurden. Schon mehrfach urteilten Gerichte, dass die in Prämiensparverträgen verwendete Zinsklauseln unzulässig sind und Banken und Sparkassen die Zinssätze nicht einseitig zu ihren Gunsten ändern dürfen. Umstritten war bislang, wie die Zinsen neu zu berechnen sind, also welche Nachforderungen betroffene Verbraucher:innen geltend machen können. Nach Musterfeststellungsklagen mehrerer Verbraucherzentralen und des Dachverbandes vzbv gibt es seit gestern zwei richtungsweisende Urteile und damit Klarheit für Betroffene. Sparer:innen müssen nun aber darauf achten, wann ihre Ansprüche auf Nachzahlungen verjähren.

• Worüber der Bundesgerichtshof (BGH) genau entschieden hat:

Betroffen sind in erster Linie Prämiensparverträge verschiedener Sparkassen aber auch anderer Banken. Diese wurden häufig schon in den 1990er bzw. Anfang der 2000er Jahren abgeschlossen und zeichnen sich durch vergleichsweise geringe variable Sparzinsen aus, die mit zunehmender Laufzeit durch fest vereinbarte, steigende Prämien ausgeglichen wurden. Der Bundesgerichtshof hat nun im Rahmen von zwei Musterfeststellungsklagen der Verbraucherzentralen über den Referenzzinssatz für die Zinsanpassungen in diesen Verträgen entschieden (Az. XI ZR 44/23 und XI ZR 40/23). Klar ist, dass die Sparkassen zu wenig Zinsen gezahlt haben. Festgelegt ist nun auch ein Maßstab, wie die Zinsen neu berechnet werden müssen. Aus Sicht der Verbraucherschützer sind nun alle Sparkassen verpflichtet, die Zinsen neu zu berechnen und von sich aus Entschädigungen in die Wege zu leiten. Laut BGH muss ein bestimmter Referenzzins der Bundesbank angewendet werden. Betroffene können auf Nachzahlungen im niedrigen vierstelligen Bereich hoffen. Im Jahr 2021 gab es laut der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) rund 1,1 Millionen Prämiensparverträge.

• Wer ist betroffen?

Zeitkritisch sind Prämiensparverträge, die zum Jahr 2021 gekündigt wurden. Denn sobald der Sparvertrag rechtmäßig beendet ist, beginnt die dreijährige Verjährungsfrist. Betroffen sind vor allem Verbraucher:innen, die bisher gar keine oder keine verjährungshemmenden Schritte veranlasst haben. Wer bisher nur eine Zinsnachberechnung angefordert oder das Geldinstitut zur Nachzahlung aufgefordert hat, ist leider nicht auf der sicheren Seite. Eine verlässliche verjährungshemmende Wirkung erreicht man nur über eine Klage oder ein Ombudsverfahren. Solange ein Sparvertrag noch läuft, besteht hingegen kein Zeit-druck, eine neue Vereinbarung abzuschließen oder eine Nachzahlung auszuhandeln.

• Wann droht die Verjährung?

Solange der Vertrag läuft, verjährt das Recht auf eine Zinsnachzahlung nicht. Jedoch haben verschiedene Banken und Sparkassen in den vergangenen Jahren Prämiensparverträge gekündigt. Verbraucher:innen, deren Prämiensparvertrag im Jahr 2021 (also Kündigung zum 01.01.2021 und später) rechtmäßig gekündigt wurde, müssen nun aufpassen. Ist die Kündigung für 2021 erklärt worden, tritt die Verjährung mit Ablauf des Jahres 2024 ein. Für die Folgejahre gilt Entsprechendes.

• Was sollten Betroffene jetzt tun?

Wer Ansprüche gegen eine Bank oder Sparkasse geltend machen möchte, sollte bei drohender Verjährung umgehend noch in diesem Jahr tätig werden und etwa eine Klage erheben oder einen Schlichtungsantrag bei den zuständigen Ombudsleuten stellen. Im Zweifel sollten Betroffene sich noch in diesem Jahr anwaltlich beraten lassen. Während eines laufenden Ombudsmannverfahrens können Ansprüche in der Regel nicht verjähren. Wenn das Verfahren beendet ist, tritt die Verjährung allerdings wieder in Kraft. Bei Verbraucher:innen, die mit ihrer Sparkasse bereits eine Einigung hinsichtlich der Kündigung oder einer Zinsnachzahlung getroffen haben, ist eher davon auszugehen, dass die von der Sparkasse vorgelegte Vereinbarung auch eine Regelung zum Ausschluss weiterer Ansprüche enthält und die Angelegenheit abgeschlossen ist. Nicht alle Sparkassen haben bisher Kündigungen ausgesprochen. Außerdem haben die Institute in der Regel nicht alle Verträge zum selben Zeitpunkt gekündigt, sodass selbst Kund:innen desselben Instituts in ganz verschiedenen Jahren Kündigungen erhalten haben können. Alle Sparkassenkund:innen, die Kündigungsschreiben zu ihren Prämiensparverträgen erhalten haben, sollten vorsorglich die Daten noch einmal genau prüfen.

• Wann Kündigungen durch die Bank rechtens sind

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich bereits mehrfach mit Prämiensparverträgen befasst. 2019 entschied er, dass Sparkassen langfristige Verträge unter Umständen kündigen dürfen, wenn die versprochenen Prämien gezahlt worden sind (Az. XI ZR 345/18). Darauf aufbauend ergingen weitere Entscheidungen, bei denen Kündigungen mal als wirksam, mal aber auch für unwirksam erklärt wurden (mehr zu den einzelnen Fällen aus der Vergangenheit im unten verlinkten Onlinetext).

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