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VON SABINE DAMASCHKE
Sie kommen aus verschiedenen Ländern, aber eins ist ihnen wichtig: Frauen sollen so leben dürfen, wie sie es für richtig halten. Ein Statement zum Weltfrauentag von Mitarbeiterinnen der ökumenischen Flüchtlingsinitiative KOMM.
Fünf Frauen, fünf Schicksale: Alle hatten Träume für ihr Leben, haben Enttäuschungen und Einsamkeit erlebt, aber sich nicht unterkriegen lassen. Jetzt sitzen Lina, Reem, Anna, Maha und Jamana (v.l.) zusammen auf dem Sofa in der Wuppertaler „Krawatte“. Das ehemalige Fabrikgebäude im Stadtteil Heckinghausen wird von der Flüchtlingsinitiative KOMM der evangelischen Kirchengemeinde Heckinghausen als „Lernwerkstatt“ genutzt.
Es gibt Spielenachmittage, Kunstprojekte, Hausaufgabenhilfe oder Leseförderung für Kinder und Jugendliche aus dem Wuppertaler Osten. Die „Krawatte“ ist für die fünf Frauen zu einem neuen Zuhause geworden. Hier engagieren sie sich für Menschen aus aller Welt. „Wir möchten etwas weitergeben von dem, was uns als Frauen wichtig ist“, sagen sie.
Maha: Alleinerziehend in einem fremden Land
Mit Ehemann und drei kleinen Kindern kam Maha vor 24 Jahren aus Palästina nach Deutschland. Als ihr Mann sich von ihr trennte, wurde Maha von ihrer Familie bedrängt, in die Heimat zurückzukehren. „Dort wären meine Kinder in die Obhut der Verwandtschaft meines Ex-Mannes gegeben worden. Und ich hätte wieder heiraten müssen“, erzählt sie.
Die heute 43-jährige Maha entschied sich, in Wuppertal zu bleiben und ihre Kinder dort alleine großzuziehen. Sie suchte den Kontakt zu anderen Frauen, lernte Deutsch, dolmetschte und engagiert sich bis heute in der Beratung für geflüchtete Frauen. Zwei Kinder studieren, eins macht bald Abitur. „Als Frau ist es wichtig zu wissen, was ich will und dann selbstbewusst diesen Weg zu gehen“, sagt sie. „Heute mache ich anderen Frauen Mut, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen und sich nicht durch Tradition oder Kultur davon abhalten zu lassen.“
Jamana: Ein Jurastudium für soziale Gerechtigkeit
Schon als kleines Mädchen in Saudi-Arabien hatte Jamana ein großes Gerechtigkeitsempfinden. Sie wollte Juristin werden, aber das war in Saudi-Arabien nicht möglich. Also ging sie nach Palästina. Sie studierte, heiratete und bekam eine Tochter. Nun lebt die 35-Jährige mit ihrer Familie in Wuppertal, aber ihr Studium wird in Deutschland nicht anerkannt.
Aufgeben kommt für sie nicht in Frage. „Ich arbeite daran, dass mein Deutsch besser wird, damit ich hier Sozialrecht studieren kann“, sagt sie. Als Juristin hat sie besonders die Frauen im Blick. „Die möchte ich stark machen, damit sie ihre Lebensträume verwirklichen können“, sagt Jamana.
Lina: Zu sich selbst stehen
Als Lina ihren Eltern in Kirgisien verkündete, dass sie als Au-Pair-Mädchen nach Deutschland gehen möchte, waren sie geschockt. „Ich bin die Jüngste von vier Geschwistern“, erzählt sie. „Meine Eltern, die aus China geflohen waren, hätten es lieber gehabt, dass ich in ihrer Nähe bleibe und heirate.“ Lina setze sich durch und blieb in Deutschland, um zu studieren. „Meine Telefonate nach Kirgisien waren damals genauso teuer wie die Miete für die Wohnung“, sagt sie und lacht.
Lina sorgte schon als Studentin selbst für ihren Lebensunterhalt. Heute ist sie 42 Jahre alt, verheiratet, hat einen Sohn und arbeitet als Koordinatorin der Lernwerkstatt. „Ich finde es wichtig, dass wir als Frauen zu uns selbst stehen“, betont sie. „Das betrifft auch unser Aussehen. Überall auf der Welt leiden Frauen unter einem Schönheitsideal. Das sollten wir nicht zulassen.“
Reem: Raus aus der Isolation
In Damaskus hat Reem Arabisch studiert. Hier wollte sie sich ein Leben mit Mann, Kindern und Job aufbauen. Doch mit dem Krieg in Syrien zerplatzten alle Träume. Ihr Ehemann floh nach Deutschland und holte sie zwei Jahre später mit den kleinen Kindern nach. „Ein fremdes Land, eine fremde Sprache und dazu Corona – ich saß immer mit meinen Kindern zuhause“, erzählt sie. „Das war eine schlimme Zeit.“
Jetzt macht die 35-jährige Syrerin einen Sprachkurs und engagiert sich in der Kinderbetreuung der Lernwerkstatt. Sie möchte noch einen Beruf erlernen. Ihr Ehemann will sie auf dem Weg dorthin unterstützen. „Als Mutter habe ich Verantwortung für meine Kinder, aber auch für mich selbst“, betont Reem.
Anna: Die Freiheit der Frauen bewahren
Wirtschaftsinformatik hat sie in Wuppertal studiert und Pläne für ihr Leben gehabt. Doch dann stellten die Ärzte ein Hirnaneurysma bei Anna fest. „Ich war verbittert und habe die Welt nicht mehr bunt, sondern nur noch schwarz gesehen“, erinnert sie sich. Die Neugierde ihrer kleinen Tochter führte Anna schließlich zur KOMM-Initiative und in die Krawatte.
Nun engagiert sich die 37-Jährige in der Fördergruppe der Lernwerkstatt und schätzt das Zusammensein mit Menschen aus aller Welt. „Diese Vielfalt und Freiheit, die wir hier als Frauen leben können, möchte ich bewahren. Deshalb gehe ich mit meiner Tochter auf die Demos gegen rechts.“
Alle Fotos © Sabine Damaschke