Der Ingenieur Bernd Naujoks über die Vorzüge eines unverzichtbaren Baustoffs der nordrhein-westfälischen Industrie: Stahl
VON UWE BLASS
„Beachtenswerten Stahlbau machen wir hier in der Region schon seit mehr als 150 Jahren“, sagt Professor Bernd Naujoks vom Lehrgebiet Stahlbau und Verbundkonstruktionen an der Bergischen Universität. Stahl sei zwar ein teurer Werkstoff, aber vor allem im Brückenbau für manche Spannweiten unverzichtbar. In diesem Zusammenhang müsse man unweigerlich über die Müngstener Brücke sprechen, dem Stahlwunderwerk des Bergischen Landes, welches sich mit den berühmten Bauwerken des Franzosen Gustave Eiffel, dessen 100. Todestag sich gerade jährte, durchaus messen könne.
Müngstener Brücke
Die höchste Eisenbahnbrücke Deutschlands, die Müngstener Brücke, wurde zwischen 1895 und 1897 fertiggestellt und ist bis heute ein Touristenmagnet. Mit 5000 Tonnen Stahl und 950.000 verbauten Nieten ist die Bogenbrücke aber auch reparaturanfällig, denn Stahl korrodiert mit der Zeit. Je nach Umgebung muss man da alle 30 Jahre ran. Die Brücke wurde vor ein paar Jahren komplett sandgestrahlt und erhielt einen dreischichtigen Korrosionsschutz für mehr als 30 Millionen Euro. Das sind aufwändige und vor allem teure Instandhaltungskosten. Das sieht der erfahrene Ingenieur anders und sagt: „Andersherum wird ein Schuh draus, denn im Vergleich zu einem Neubau, ist das ein Schnäppchen.“ Sicher müsse man jederzeit an die Kosten denken, aber im Vergleich zu Spannbetonbrücken, die knapp 50 Jahre halten würden und nicht annähernd die Aufgaben von Stahlbrücken leisten könnten, sei der Korrosionsschutz von Stahlträgern eine sehr nachhaltige Maßnahme. „Außerdem ist das auch der Trend, den wir momentan haben. Wir hegen und pflegen unsere Bestandsbauten besser, und da gehört der Korrosionsschutz einfach dazu.“
Wuppertals stählerne Brücken
Über die Wupper im Stadtgebiet säumen über 90 Brücken den Fluss. Ein Großteil dieser Brücken ist aus Metall und Stahl und entstand im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts. Ob nun die Weltausstellung 1889 eine Initialzündung für das Bergische Land gewesen sei, ist sich Naujoks nicht sicher und sagt: „Ganz offensichtlich ist jedenfalls, dass wir hier sehr viel metallverarbeitende Industrie hatten. Das prägt natürlich auch die Landschaft, und man kommt viel schneller auf den Werkstoff Stahl. Es sind ja auch sehr intelligente Tragwerke, und es herrschte hier keine Scheu, zu einem ganz frühen Zeitpunkt, diesen Werkstoff einzusetzen.“
Messehallen ohne Stahlbau undenkbar
Auch heute gehört Stahl zu einem festen Bestandteil in der Bauindustrie. Naujoks sagt, dass er im schweren Anlagenbau für Industriebauten ebenso eingesetzt werde, wie bei nahezu allen Hallenkonstruktionen. „Weitgespannte Hallenkonstruktionen und auch Messehallen wären ohne Stahlbau nicht denkbar“, erklärt er und führt als Beispiel die Messehallen in Stuttgart an. „Es gibt wunderschöne Stadien und Sportarenen mit phantastischen Stahldächern“, berichtet er begeistert, aber auch im Kleinen habe Stahl an profanen Parkhaus- und Gewerbebauten seinen Anteil. Überzeugt ist er von den Vorteilen dieses weltweit reichhaltig vorkommenden Baumaterials. „Es ist vor allem die hohe Leistungsfähigkeit, denn wir können auf engem Raum sehr hohe Kräfte durch Schraub- oder Schweißverbindungen übertragen. Das macht diesen Werkstoff so interessant. Trotz des teilweise teuren Materials können wir sehr schlanke, materialarme, leichte Konstruktionen realisieren.“
Stahl-Verbund-Konstruktionen … und der leidige Brandschutz
Aber auch Stahl-Verbund-Konstruktionen sind heute obligatorisch. „Im Hochbau in Deutschland“, erklärt der Fachmann, „ist ein Parkhaus in Verbundbauweise quasi Standard.“ Ebenso hätten sich die Verbundbrücken von den Haltungskosten her als sehr wirtschaftlich erwiesen. Spannbeton sei hierzulande immer noch günstig, habe aber mit knapp 50 Jahren eine kürzere Lebensdauer als reine Stahlkonstruktionen. Eine Herausforderung im Baugewerbe sind vor allem die immer strikter werdenden behördlichen Vorschriften. Dazu gehört auch der Brandschutz, denn Stahl verliert bei hohen Temperaturen schnell seine Festigkeit. Dazu Naujoks: „Es gibt durchaus intelligente Brandschutzlösungen, wie z. B. beim Düsseldorfer Stadttor. Da ist der Stahlbau sichtbar. Man hätte ihn auch komplett verkleiden können, aber meinem früheren Kollegen Prof. Wolfram Klingsch ist ein gutes Brandschutzkonzept in dieser sichtbaren Konstruktion gelungen.“ Jedoch gibt er zu bedenken, ob unsere Brandschutzmaßnahmen noch im realistischen Verhältnis stehen und sagt: „Wenn ich sehe, dass hier irgendwelche Hörsäle wegen Brandschutzauflagen gesperrt werden, ohne dass wir jemals damit Probleme hatten, muss man darüber sicher einmal nachdenken.“
Wuppertals Stahlkonstruktion als Vorbild
Naujoks Arbeitsplatz liegt am Haspel, quasi direkt an Wuppertals größter Stahlkonstruktion, der Schwebebahn. Deren Gerüst besteht aus zahlreichen Bauteilen, die als Unikat nur genau an dieser einen Stelle verwendet werden konnten. Bis heute haben solche Konstruktionen einen Einfluss auf die moderne Lehre und Ausbildung zukünftiger Ingenieure. „Das erwähne ich auch immer in meinen Vorlesungen“, erklärt er abschließend. „Wenn man einmal genau schaut, dann erkennt man eine modulare Bauweise und ein durchaus intelligentes Tragsystem, was man auf den ersten Blick gar nicht so sieht. Das zentriert die Lasten sehr geschickt und hat auch heute noch absoluten Vorbildcharakter.“
Prof. Dr.-Ing. Bernd Naujoks leitet das Lehr- und Forschungsgebiet Stahlbau und Verbundkonstruktionen in der Fakultät für Architektur und Bauingenieurwesen der Bergischen Universität.