Anonyme Spurensicherung: So wichtig, so unbekannt

VON LAURA GEYER

Den Beitrag von Laura Geyer entnehmen wir
mit freundlicher Genehmigung dem Bürgerportal Bergisch Gladbach

Nach einer Vergewaltigung oder einer anderen sexualisierten Gewalterfahrung sind viele Betroffene nicht in der Lage, sofort Anzeige zu erstatten. Deshalb gibt es die Möglichkeit der Anonymen Spurensicherung: So können Beweismittel gleich nach der Tat gesichert und bis zu zehn Jahre anonym gelagert werden. Die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Bergisch hat jetzt einen Kurzfilm produziert, um diese Möglichkeit bekannter zu machen.

ASS – das dürften die meisten Menschen mit einer Schmerztablette verbinden. ASS steht aber auch für ein Angebot, das es schon viele Jahre gibt, das aber immer noch viel zu wenig bekannt ist: Anonyme Spurensicherung nach sexualisierter Gewalt.

Um das zu ändern, läuft ab kommender Woche im Cineplex Bensberg vor allen Filmen mit einer Altersfreigabe ab 16 Jahren ein eigens für Bergisch Gladbach produzierter Trailer. Er zeigt schlaglichtartig verschiedene Situationen, in denen Frauenstimmen aus dem Off andeuten, Gewalt erfahren zu haben: Im Club. In der Partnerschaft. Im Festzelt. Im Wald.

Dann ein Hinweis auf die Möglichkeit der Anonymen Spurensicherung: Damit kann man unmittelbar nach einer sexuellen Straftat Gewalt- und DNA-Spuren sichern und anonym aufbewahren lassen – und später entscheiden, ob man Anzeige erstatten möchte.

„Es geht darum, dieses Instrument bekannter zu machen“, sagte Judith Klaßen, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Bergisch Gladbach, bei der Vorstellung des Trailers. Damit man im Fall der Fälle davon weiß; sei es, wenn man selbst betroffen ist oder jemand in seinem Umfeld, dem man die Information dann weitergeben kann.

Warum ASS?

Warum das wichtig ist, erklärten Magdalene Holthausen, Leiterin der Allgemeinen Frauenberatungsstelle, und Christine Warning von der Fachberatungsstelle gegen sexualisierte Gewalt: Spuren einer Sexualstraftat sollten sobald wie möglich gesichert werden. „Duschen ist oft das erste Bedürfnis, aber dabei verschwinden sehr viele Spuren“, so Holthausen.

Sind die potenziellen Beweismittel erst einmal gesichert, haben die Betroffenen Zeit, sich psychisch zu stabilisieren. Dafür können sie sich an eine der beiden Beratungsstellen wenden, psychologische Hilfe suchen, vielleicht auch einfach nur mit Freund:innen sprechen. So müssen sie sich nicht unmittelbar nach der Tat mit Polizei und Staatsanwaltschaft auseinandersetzen.

„Die Spurensicherung ist vermutlich nicht angenehm, das muss man ehrlich sagen“, erklärte Holthausen. „Aber dadurch hält man sich offen, zu einem späteren Zeitpunkt Anzeige zu erstatten, damit der Täter zur Rechenschaft gezogen werden kann.“

So läuft die ASS ab

Wenn man von sexualisierter Gewalt betroffen ist, wendet man sich am besten sobald wie möglich an die Gynäkologie eines Krankenhauses. In Bergisch Gladbach bietet das Vinzenz Pallotti Hospital in Bensberg ASS an. Dort sind alle Mitarbeitenden geschult und wissen, auch mitten in der Nacht, was zu tun ist. Darüber hinaus wird ASS im Klinikum Leverkusen und in sechs Krankenhäusern in Köln angeboten.

Die Untersuchung ist für die Betroffenen kostenlos. Wenn man vermutet, K.O.-Tropfen bekommen zu haben, sollte man das erwähnen, damit Blut- und Urinproben genommen werden.

Die gesicherten Spuren werden anonymisiert an das Institut für Rechtsmedizin der Uniklinik Köln geschickt und dort mit einer Chiffrenummer für zehn Jahre gelagert. Nur die Betroffenen können darauf Zugriff gewähren, wenn sie sich für eine Anzeige entscheiden. Tun sie das nicht, werden die Spuren nach Ablauf der zehn Jahre vernichtet.

Die Frist kann auf Antrag verlängert werden – Vergewaltigung verjährt erst nach 20 Jahren.

Alle Altersstufen sind betroffen

Seit 2015 schon finanzieren die beiden Beratungsstellen wechselweise die ASS, schulen die Mitarbeiter:innen der beteiligten Krankenhäuser (bis vor kurzem war auch noch Wermelskirchen dabei, doch die Gynäkologie hat mit dem Jahreswechsel geschlossen), bezahlen den Transport und die Lagerung der Spuren. Das, was übrig bleibt, fließt dann in „Marketing-Material“ wie Flyer oder jetzt den Kurzfilm.

Bürgermeister Frank Stein zeigte sich bei der Pressevorstellung im Cineplex „sehr beeindruckt“: Seine Tochter, 23 Jahre alt, werde von dem Film genauso adressiert wie seine Frau. 

Auch Christine Warning von der Fachberatungsstelle gegen sexualisierte Gewalt lobte, dass Szenarien gezeigt würden, die man ganz unterschiedlichen Altersstufen und Schichten zuordnen könnte – nicht zuletzt auch häusliche Gewalt, die immer noch stark tabuisiert sei, obwohl sie in der Beratung eine hohe Prozentzahl einnehme.

Margarete Holthausen fügte auf Nachfrage von Frank Stein hinzu, dass tatsächlich alle Altersstufen von sexualisierter Gewalt betroffen seien. Ältere Frauen und Frauen mittleren Alters eher im Rahmen häuslicher Gewalt, jüngere Frauen eher auf Partys, mit oder ohne K.O.-Tropfen.

Weitere Informationen zum Thema gibt es (in Kürze) auf folgenden Homepages:

Hintergrund

Die Filmemacherin Marisa Dikta hat den Trailer für die Usense GmbH realisiert. Die Kosten des Zweijahresprojektes belaufen sich auf insgesamt 12.495 Euro. Zur Finanzierung konnten Fördermittel in Höhe von 4.000 Euro des Ministeriums für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration des Landes NRW eingesetzt werden. Zudem haben sich die Bensberger Bürgerstiftung und die Bensberger Bank mit 2.520 Euro eingesetzt, die Usense GmbH hat das Projekt mit 1.000 Euro unterstützt. Die städtischen Kosten beliefen sich auf 4.975 Euro.

Beim Pressegespräch waren neben Bürgermeister Frank Stein, Judith Klaßen und Magdalene Holthausen, Christine Warning von der Fachberatungsstelle gegen sexualisierte Gewalt, sowie Dr. Ulrich Hennig, Chefarzt der Frauenklinik am Vinzenz Pallotti Hospital, Helmut Schomburg von der Bensberger Bürgerstiftung, Melanie Haas und Christian Walter von der Bensberger Bank, Kathrin Litterscheid und Markus Schmitz von der Usense GmbH sowie Michael Brüggehagen, Leiter des Cineplex Bensberg, und die Kamerafrau Marisa Dikta anwesend.

Der Trailer läuft ab kommender Woche im Abendprogramm des Cineplex vor allen Filmen mit einer Altersfreigabe ab 16 Jahren. Die oben eingebundene Kurzversion wird über die Sozialen Medien, die städtische Homepage und die Webseiten der beiden Beratungsstellen ausgespielt.

Beitragsfoto: Screenshot aus dem ASS-Imagefilm

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