Gemeinsam für Demokratie und Freiheit

Eine persönliche Stellungnahme von Klaus Hansen

Die persönliche Stellungnahme von Klaus Hansen entnehmen wir mit freundlicher Genehmigung dem Bürgerportal Bergisch Gladbach

Als Kind habe ich die Gräuel des von Deutschland ausgehenden Weltkriegs noch erlebt. Aber das Aufwachsen in einem offenen, freiheitlichen, demokratischen Land hat mein Leben geprägt. Und nun erfährt eine Partei der ewig Gestrigen und Unzufriedenen eine Zustimmung, die mich erschreckt. Nationalisten vieler Länder fallen zurück in Zeiten, die wir überwunden glaubten. Wir erleben gerade die Bedrohung unserer Demokratie, den Angriff auf unsere Freiheit und den Rechtstaat. 

Sommerferien 1956. Elf Jahre nach dem Ende des Weltkriegs fuhren ein Freund und ich mit dem Fahrrad von der Ostseeküste bis zum Rheinfall von Schaffhausen durch ein Land in Trümmern. Auf unserer Fahrt zurück nach Norden ging es am Rhein entlang. Wir sahen ein zerstörtes Köln im Wiederaufbau, saßen an der Baustelle der Severinsbrücke.

Nach dem dunklen Jahrzehnt deutscher Verbrechen, dem Kulturbruch durch ein Terrorregime, dem Tod von Millionen von Soldaten, Frauen und Kindern, der Flucht, dem Hunger, der Zerstörung vieler Länder in Europa waren wir uns bewusst, welche Schuld sehr viele Deutsche auf sich geladen hatten.

Kollektivscham

Theodor Heuss, erster Bundespräsident des neuen Staates, wies einen Weg, als er davon sprach, dass es keine Kollektivschuld, wohl aber eine Kollektivscham angesichts deutscher Verbrechen gäbe. Das war auch eine klare Entscheidung gegen die aufkommende und bis heute anhaltende Schlussstrich-Mentalität.

Die Rückkehr der Deutschen in die Weltgemeinschaft und in die EWG ist eine zivilisatorische Leistung unserer Kriegsgegner. Natürlich ging es dabei auch um das Bündnis gegen einen neuen Gegner im Kalten Krieg.

Wir lasen die verbrannten Dichter

Junge Lehrer machten uns Angebote für eine offene, demokratische, freie Gesellschaft. Wir lasen die verbrannten Dichter. Es waren Auswege aus dem Denken der mit Faschismus kontaminierten Hirne. 

Unserer Generation stand die Welt offen. Und wir haben das genutzt. Wir waren auf anderen Kontinenten unterwegs, lernten andere Länder, Kulturen, Ethnien – vor allem aber Menschen – kennen, Freundschaften entstanden.

Erfahrungen auf einem anderen Kontinent

Reportagereise 1971: Eine Diskussion mit afrikanischen Studenten in der Universität von Kumasi, einer Stadt in Ghana, über ihre Zukunft und die ihres Kontinents, über die ausbeuterische Kolonialzeit und den Sklavenhandel hat mich tief beeindruckt. 

Vorher hatte ich in einem Flüchtlingslager bei Accra das Elend von 10.000 Flüchtlingen – meist Frauen und Kinder – aus dem Biafrakrieg gesehen. Menschenunwürdige Bedingungen. Nur eine Wasserstelle, unzureichende medizinische Betreuung, schreckliche hygienische Zustände.

Dieses Elend von Flüchtlingen habe ich vor Augen. Gerade jetzt, da leichtfertig die massenweise Abschiebung diskutiert wird.

Der kreativer Aufbruch

Aus anderen Ländern, vor allem den USA, kamen der Jazz, der Rock, kamen neue Kunstimpulse, neue Literatur, Filme, Medien, neue Bewegungen. Sie waren das Gegenteil der spießigen, engstirnigen Kulturauffassung der Nazis und des dumpfen geschichtsvergessenen Nationalismus der biodeutschen Neonazis.

In diesen Jahren entstanden auch hier hervorragende Kabaretts, Künstlergruppen, Experimentiertheater, eine neue Literatur. Zehn Jahre nach dem Ende der kunstverachtenden „Entarteten Kunst“-Ausstellungen der Nazis gab es in Kassel die erste documenta, eine Ausstellung zeitgenössischer Kunst mit weltweiter Beachtung.

Wir wuchsen auf in einer Zeit des Aufbruchs, der Offenheit, der gelebten Toleranz, der Freiheit, der Emanzipation, des Austausches und der Bereicherung. Vor uns lag eine gute Zukunft in einem gemeinsamen Europa – einem großartigen Versprechen.

Wir holten „Gastarbeiter“ – es kamen Menschen

Ab Mitte der fünfziger Jahre wurden die ersten „Gastarbeiter“ ins Land geholt. Sie suchten Arbeit, wollten Geld verdienen und wir brauchten sie, um unsere Wirtschaft und unseren Wohlstand aufzubauen. Natürlich kamen nach und nach ihre Familien, blieben hier. Ihre Kinder gingen in die Kitas und Schulen. Sie wurden Mitbürgerinnen und Mitbürger. Die mit uns lebten, inzwischen in der dritten Generation.

Als der portugiesische Zimmermann Armando Rodriguez im September 1964 bei seiner Ankunft in Köln ein zweisitziges Moped geschenkt bekam, hing über ihm zur Begrüßung ein Transparent: „Die deutschen Arbeitgeberverbände begrüßen den 1.000.000 Gastarbeiter“.

Wölfe im Schafpelz

Mir ist es völlig unverständlich, dass sich intelligente Menschen, weil sie mit der derzeitigen Regierung und deren schlechter Performance unzufrieden sind, einer Partei zuwenden, die einen Systemwechsel will. Die einen Staat will, der in seiner Unmenschlichkeit der Remigration an das Dritte Reich erinnert. Einen Staat, der engstirnig, nationalistisch, faschistisch ist. 

Die Vorstellungen dieser kulturlosen Partei für die Zukunft kommen aus dem Gestern.

Biodeutsche Rechte treffen sich, um zu beraten, wie Millionen Menschen aus unserem Land deportiert werden können. Menschen, die hierher gekommen sind, um hier zu leben, hier zu arbeiten, andere, die zu uns vor Verfolgung und Terror geflüchtet sind. In ein sicheres Land. 

Ganz nebenbei: Unser Gemeinwesen würden überhaupt nicht mehr funktionieren ohne sie. Wie sähe es denn aus in den Kliniken, in den Pflegeheimen, in der Forschung, in den Medien, im Handel und Handwerk, der Landwirtschaft, der Industrie, in den Restaurants? 

Wir brauchen eine solidarische Gesellschaft

Die ehemaligen Gastarbeiter haben mit ihrer Leistung am Aufbau der Wirtschaft einen großen Anteil, sie haben unsere Gesellschaft verändert, zur offenen Kultur beigetragen. Ein Gewinn. 

Seit einigen Jahren kommen auch Flüchtlinge aus anderen Kulturkreisen, aus Kriegsgebieten, aus Terrorstaaten nach Europa. Sie fliehen vor Hunger, Armut und Bedrohungen, suchen Sicherheit und Asyl für ihre Familien und für sich. 

Wenn sich manche Flüchtlinge nur schwer integrieren lassen, dann liegt es auch am Versagen der Integrationspolitik.

Unser Gemeinwesen muss mit den auch von meiner Generation verursachten Schäden und Ungerechtigkeiten fertig werden. Deswegen brauchen wir eine solidarische Gesellschaft, wir brauchen ein Miteinander, kein Gegeneinander, schon gar keinen Egoismus. 

Liebäugeln mit Demokratiefeinden?

Kritik an der Performance unserer Regierung ist berechtigt. Aber rechtfertigt das, mit Populisten, die nicht einmal wirkungsvolle Lösungen für komplexe Probleme anbieten können, zu liebäugeln?

Manager großer Unternehmen warnen vor der AfD, weil sie die Gefahren für unsere Wirtschaft in Europa – das zu unser aller Vorteil ist – und einer globalen Welt sehen.

Hoffnung machen die vielen Demonstrationen im ganzen Land. Immer mehr Bürgerinnen und Bürger sehen die Bedrohung durch die faschistoiden Tendenzen und gehen für Demokratie und Menschlichkeit auf die Straße.

Gesinnung kann man nicht verbieten

Es wird immer Gestrige in unserer Gesellschaft geben. Sie dürfen aber nie wieder an die Macht kommen. Wir können das Wachsen der Auswüchse verhindern. Durch eine hohe Wahlbeteiligung. Durch Bildung, Information und Aufklärung. Es stehen genügend demokratische Parteien zur Wahl.

Ein Verbot der AfD ist fragwürdig. Denn Gesinnung lässt sich nicht verbieten, Dummheit schon gar nicht. Beiträge zum Thema

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