Den nachfolgenden Beitrag entnehmen wir dem Newsletter Januar/Februar des ibs
Am 24. Oktober besuchte Matthias „das freundliche Gesicht des NS“ Helferich zusammen mit Tim Csehan die Bundespolizei in Sankt Augustin und veröffentlichte am nächsten Tag eine Fotostrecke und ein kurzes Video auf Instagram. Nach eigenen Angaben direkt danach fuhr er nach Bonn und traf sich mit dem Kreissprecher Gerald Christ vor dem ehemaligen Wohnhaus von Ernst Moritz Arndt, einem deutschen, nationalistischen Lyriker des 18. Jahrhunderts. Gemeinsam mit Christ spricht Helferich in einem bemühten, einstudierten Dialog über die „linke Cancel-Kultur“, da gerade debattiert wird ob das Ernst-Moritz-Arndt Gymnasium in Bonn umbenannt werden soll. Hintergrund ist, dass Arndt der heutigen Forschung als bedeutender Vordenker des deutschen Nationalismus und Antisemitismus gilt.
Dieses Video allerdings veröffentlichte Helferich erst am 13. November. An eben jenem 24. Oktober aber fand vor besagtem Gymnasium eine Flugblattaktion mit Infostand statt – und zwar der extrem rechten IB-Nachfolgeorganisation „Revolte Rheinland“. Die klandestin und illegal vorgehende Gruppe mit dem Logo, das die u.a. von der Hitlerjugend verwendete, heute teilweise verbotene, in neonazistischen Kreisen immer noch beliebte Odal-Rune enthält, pflegt guten Kontakt zur AfD.
So nahm besagter Gerald Christ aus Bonn an einer Wanderung der „Revolte Rheinland“ im August teil, der rheinland-pfälzische AfD-MdL und Stadtrat in Koblenz Joachim Paul griff bei Wahlständen auf die Hilfe der „Revolte“ zurück und Irmhild Boßdorf lud das bekannteste Gesicht der Gruppe, den jungen Burschenschafter der extrem rechten Verbindung „Raczeks zu Bonn“, Simon Thiele, Anfang Oktober zu sich nach Hause ein, wo er gemeinsam u.a. mit Cedric Krippner („Junge Alternative Köln“) und Reinhild Boßdorf (Lukreta) in DDR-Uniformen für Fotos posierte.
Am 24. Oktober war Florian Köhl einer derjenigen, der Flyer der „Revolte Rheinland“ verteilte. Köhl ist ebenfalls Burschenschafter, engagiert sich bei der rechtskatholischen „Student Action for Tradition, Family and Property“, die offen für eine Art mittelalterliche Gesellschaftsordnung eintritt und ist stellvertretender Vorsitzender der AfD Düren.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass auch Helferich, auf jeden Fall aber Gerald Christ über die Aktion der „Revolte“ informiert war noch bevor diese stattfand. Da aber auch in NRW die ganze Partei und ganz besonders die „Junge Alternative“ immer offener faschistisch auftritt und keinerlei Berührungsängste zu Personal und Ideologie der „Identitären Bewegung“ und ihrer Nachfolgeorganisationen erkennbar sind, ist es sehr unwahrscheinlich, dass diese mehr oder minder offene Zusammenarbeit irgendwelche innerparteilichen Konsequenzen haben wird, weder für Helferich noch für Christ, Boßdorf, Paul oder Köhl – insbesondere, da die „Unvereinbarkeitsklausel“ der AfD von den eigenen Mitgliedern teilweise vehement angefochten wird. Eine Kontroverse darum gab es erneut, nachdem am 18 Dezember 2023 der Bundesvorstand der AfD beschlossen hatte, die vom Verfassungsschutz beobachtete Gruppe „Revolte Rheinland“ auf die Unvereinbarkeitsliste zu setzen.
Nach der Entscheidung drückte die „Revolte Rheinland“ auf Instagram sogleich ihr Bedauern darüber aus und betonte, dass eben ein nicht unwesentlicher Teil des Bundesvorstandes sich gegen diese Unvereinbarkeit ausspreche. Namentlich benannt wurde dabei Carlo Clemens, ehemaliger AfD-Ratsherr aus Bergisch Gladbach und nun im nordrhein-westfälischen Landtag. Die völkischen Kreise aus dem Umfeld des rechtsextremen Instituts für Staatspolitik laufen ebenso „Sturm gegen den Beschluss“, berichtete die taz am 4. Januar 2024 und auch Björn Höcke verurteilte auf seinem Telegram-Kanal erneut „die von außen bestimmte Distanzeritis“.
Auf dem Profil des Kölner AfD-Bundestagsabgeordneten Roger Beckamp, der aktiv die Vernetzung der Partei mit der extremen Rechten vorantreibt, war zu Weihnachten ein Post an die „Revolte Rheinland“ gerichtet, um ihr den Rücken zu stärken: „Frohe Weihnachten auch an die mutigen Aktivisten der Gruppe ,Revolte Rheinland‘!…“, heißt es dort.
Im Gegensatz zum Inhalt der Unvereinbarkeitsklausel zeigt das Beispiel der „Revolte“, wie die Zusammenarbeit zwischen AfD und verschiedenen Gruppen der extremen Rechten unter dem Deckmantel von Demokratie funktioniert.
Expert:innen werten die Unvereinbarkeitsklausel ohnehin als bloßes Schutzschild, um eine Einstufung des Verfassungsschutzes als rechtsextremistischen Verdachtsfall zu umgehen. Diese Bestrebungen sind allerdings nicht immer von Erfolg gekrönt.
Beitragsfoto: “Revolte Rheinland”-Aktivisten zeigen allesamt das Handzeichen für “White Power”, von Rassisten in den USA entlehnt