Das 28. Altenberger Forum Kirche und Politik zwischen christlicher Friedensethik und politischen Interessen
Darf sich ein angegriffenes Land militärisch verteidigen und dabei Tote in Kauf nehmen? Gibt es mithin Gerechtigkeit im Krieg – oder zumindest hehre Ziele? Oder gelten für Staaten schlicht andere moralische Maßstäbe als für ihre Bürger? Diese und weitere tiefgehende Fragen diskutierte ein hochkarätiges Plenum beim diesjährigen Altenberger Forum im Martin-Luther-Haus in Odenthal-Altenberg.
Gemeinsam mit dem Landrat des Rheinisch-Bergischen Kreises, Stephan Santelmann, hatte der Ökumene-Ausschuss zur 28. Ausgabe der traditionsreichen Debattenrunde zwischen Kirche und Politik eingeladen. Zu Gast waren Professor Dr. Heinz-Gerhard Justenhoven, Direktor des Instituts für Theologie und Frieden in Hamburg, Pfarrer Dr. Matthias Engelke, Friedenstheologe und Mitbegründer des Ökumenischen Instituts für Friedenstheologie sowie Militärdekan Dr. Roger Mielke aus dem Evangelischen Militärpfarramt Koblenz. Kurzfristig nicht teilnehmen konnte Dr. Hermann-Josef Tebroke, MdB (CDU).
Das hochaktuelle Thema „Zeitenwende – Welt im Wandel – Ist der Friede am Ende?“ spaltete vor dem Hintergrund der derzeitigen weltpolitischen Lage die Meinungen. Der Einstieg von Moderatorin Melanie Wielens zielte denn auch auf die Frage, welche Institution gebraucht werde, die Mandat und Durchsetzungskraft für die Schaffung dauerhaften Friedens hat?
Professor Dr. Heinz-Gerhard Justenhoven führte die Europäische Union als Beispiel an, an welchem sich zeige, wie Frieden zwischen Völkern und Staaten funktionieren kann: Durch die konsequente Einhaltung des Rechts, weil es die Möglichkeit zur gewaltlosen Konfliktlösung darstelle und andererseits die Ausübung von Gewalt durch Einzelne verhindere. „Leider ist die Staatenwelt bislang irgendwo zwischen zehn und zwanzig Prozent hängengeblieben“, formulierte Justenhoven salopp und deutete damit ein aus seiner Sicht grundlegendes Problem an: Eine hohe Anzahl an Staaten, welche Recht weder achte noch einhalte, gleichwohl aber an Zusammenschlüssen wie der EU partizipiere.
Militärdekan Dr. Roger Mielke hingegen führte das Kernproblem weniger auf jene Staaten zurück, sondern eher auf die Frage, wie mit diesen umgegangen werde: „Wie geht Europa mit demjenigen um, der das Recht einseitig aufkündigt? Wie kann man Revanchismus und Provokationen entgehen?“ Das europäische Projekt, gab Mielke zu bedenken, sei ein Anreizsystem und die Beteiligten Gewinner – „aber wie geht man mit den Verlierern um?“ Der russische Angriffskrieg etwa, schätzt Mielke, gehe „aus dem tiefem Ressentiment hervor, seit der deutschen Wiedervereinigung auf der Verliererseite zu stehen.“
Wie also kann die Herrschaft des Rechts gegen Rechtsbrecher erhalten werden? Mit militärischer Gewalt? Moderatorin Wielens formulierte provokant: Kann es etwa die christliche Idee der Feindesliebe zwischen Staaten geben? Die Meinung von Dr. Roger Mielke fiel eindeutig aus: Eine motivierende Idee und für das menschliche Miteinander gut, aber nicht übertragbar auf internationale Beziehungen.
Am Gedanken einer Art staatlicher Notwehr schieden sich die Geister. Dr. Matthias Engelke warnte in diesem Zusammenhang vor einer Eskalationsspirale der Gewalt. „Selbstverständlich hat jeder ein Recht auf Verteidigung, aber dieses Recht hat dort seine Grenze, wo ich einen anderen töte. Wenn ich diese Grenze überschreite, nötige ich wiederum einen anderen, zu verhindern, dass ich jemanden töte.“ Was also tun mit Rechtsbrechern? Dr. Heinz-Gerhard Justenhoven resümierte: „Innerhalb von Staaten haben wir ein System mit Rechtsbrechern umzugehen, dieses wird im Zweifel auch durchgesetzt. Doch im internationalen System haben wir darauf noch keine Antwort.“
Der Facettenreichtum der Thematik und die Schwierigkeit, befriedigende Lösungen zu finden, wurden beim 28. Altenberger Forum deutlich herausgestellt. „Es war ein sehr ehrlicher, kraftvoller und konstruktiver Austausch unterschiedlicher Haltungen und Ansichten“, resümierte Landrat Stephan Santelmann. „Ein großartiger Abend, mit einem zutiefst bewegenden und vor allem aktuellen Thema. Es braucht mehr als die Abwesenheit von Krieg, um in Frieden zu leben. Die Durchsetzung von Rechtsstaatlichkeit ist dabei eine elementare Voraussetzung für ein friedliches Miteinander. Wir Deutsche haben die Verbrechen unserer Geschichte anerkannt und unsere europäischen Nachbarn waren dazu bereit, Schritte der Verständigung und der Versöhnung zu gehen. Der wichtigste Schritt war die Integration Deutschlands in die damalige Europäische Gemeinschaft (EG) – heute Europäische Union (EU) – das bis heute erfolgreichste Friedensprojekt in Europa.“
Die Eindrücke und Positionen wurden im Anschluss an die Diskussion mit den Gästen weiter vertieft. Eine Aufzeichnung des Abends ist weiterhin über Links auf den Webseiten des Rheinisch-Bergischen Kreises unter www.rbk-direkt.de sowie des Katholischen Bildungswerks, www.bildungswerk-gladbach.de, abrufbar.
Beitragsfoto: v.l.: Wolfgang Dick, Pfarrer Christoph Bernards, Dr. Matthias Engelke, Superintendent Torsten Krall, Kreisdechant Norbert Hörter, Prof. Dr. Heinz-Gerhard Justenhoven, Militärdekan Dr. Roger Mielke, Landrat Stephan Santelmann © Rheinisch-Bergischer Kreis/ J. Rieger