Wie eine Larve zur nachhaltigen Kreislaufwirtschaft beitragen kann

Die Wuppertaler Biologin Prof’in Gela Preisfeld über nachhaltige Recyclingmethoden zur Verarbeitung von Plastikmüll durch Insekten und Pilze

VON UWE BLASS

Mit Schlagzeilen wie ‘Superwürmer fressen Plastik’ oder ´Forschende finden einen Pilz, der Plastik frisst` lenken Wissenschaftler:innen die Auseinandersetzung mit unseren Müllbergen in eine nachhaltigere, umweltfreundlichere Recyclingrichtung, die mit faszinierenden Erkenntnissen natürliche Lebensformen für eine saubere Umwelt einsetzt. Eine einzige Plastikflasche braucht nach Schätzungen ca. 400 Jahre, um sich vollständig zu zersetzen, denn „Plastik lässt sich preiswert, schnell und unkompliziert herstellen, ist aber extrem haltbar, und das behindert den Abbau“ sagt die Wuppertaler Biologin Profin Gela Preisfeld. 

„Es ist viel dramatischer, als wir das ausdrücken können.“ In Anbetracht unserer Müllberge ist das eine Horrorvorstellung. Nun gibt es aber tatsächlich Tiere, wie den Großen Schwarzkäfer, dessen Larven man bei der Zersetzung helfend einsetzen könnte. „Der große Schwarzkäfer heißt wissenschaftlich korrekt Zophobas morio (Fabricius, 1776). Fabricius ist der Erstbeschreiber, wobei die eindeutige Artbezeichnung etwas vage ist, da unterschiedliche Artnamen für eigentlich eine Art vergeben wurden“, erklärt die Wissenschaftlerin.

Zophobas morio Larve,  CC BY-SA 2.5

„In Amerika wird er häufig Giant mealworm genannt, wobei er natürlich gar kein Wurm, sondern ein Käfer ist. Er gehört also zur Ordnung Coleoptera, und somit ist auch die Benennung als ´Superwurm‘, wie er häufig in der Presse ‘genannt wird, eigentlich falsch.“ Er gehört zur Unterordnung Polyphaga, was wichtig sei, denn diese Bezeichnung beschreibe gleichzeitig seine Aufgabe. Poly steht für ´viel’und phagein für ´fressen. „Das ist eine Gruppe von Käfern, die ein sehr breites Nahrungsspektrum haben. Z.B gehören auch die bei uns heimischen Mistkäfer dazu“, fährt Preisfeld fort. In unseren Breitengraden sei der große Schwarzkäfer nicht endemisch, seine Heimat sei eher Zentral- und Südamerika, und dort werde er auch mit 5,7 cm ganz schön groß. Da Käfer zu den sogenannten holometabolen Insekten gehören (Diese Tiere durchlaufen in ihrer Entwicklung eine Metamorphose von der Larve, über die Puppe zum adulten Insekt. Anm. d. Red.), könne man vor allem das immense Fressverhalten im Larvenstadium nutzen, denn der Große Schwarzkäfer könne sogar Mikroplastikpartikel aufnehmen und verdauen.

Zophobas morio adultes Tier, CC BY-SA 3.0

Insekten werden Waste Management Agents

Mikroplastikpartikel verschwinden nicht. Sie werden mit der Zeit nur immer kleiner, reichern sich in ihrer Umgebung an und stellen über Generationen hinweg eine gefährliche Belastung für die Umwelt dar. Diese Mikropartikel kann die Larve aber aufnehmen und vor allem, verdauen. „Es ist sehr spannend, wie sie das macht“ fährt Preisfeld fort. „Wenn man solche Tiere verwendet, um belastende Materialien für unsere Umwelt abbauen zu lassen, spricht man von Waste Management Agents, also Helfer der Abfallwirtschaft. Das ist ein interessanter Begriff, der schon seine Aufgabe definiert. Er soll etwas abbauen und wird dabei idealerweise im Sinne einer Kreislaufwirtschaft benutzt. Der große Schwarzkäfer kann nicht nur Mikropartikel und weitere Abfallstoffe abbauen, er kann auch eine Nahrungsquelle, vor allem für die Tiermast, aber auch für den Menschen sein, denn er ist sehr protein- und fettreich.“ Aber wie verstoffwechselt die Larve Kunststoffe? Dazu Preisfeld: „Zunächst zerkleinert sie Stoffe mit ihren Mundwerkzeugen. Dadurch wird deren Oberfläche vergrößert, so dass Enzyme besser rankommen. Dann baut sie die Polymere im Darm biologisch ab und kann die Moleküle tatsächlich auch bis zu 40% remineralisieren, also richtig bis zum Ende abbauen, so dass neben anorganischen Bestandteilen nur noch CO2 und Wasser übrigbleiben. Hauptsächlich hat man bei der Käferlarve Polystyrol und Polyethylen getestet, also die meist verwendeten Kunststoffe. Man konnte sogar zeigen, dass die Larven bei ausschließlicher Fütterung mit Styropor überlebt haben.“ Um zu überprüfen, ob das Mikrobiom im Darm der Insekten beim Abbau eine Rolle spielt, hat man die Tiere mit Antibiotika behandelt, um die Bakterien im Darm zu zerstören. Mit Antibiotika behandelte Tiere waren nicht mehr in der Lage, diese Stoffe zu verwerten.

Nachhaltige Recyclinghelfer bei richtiger Ernährung

Nun kann man die Larven dauerhaft nicht per se mit Plastik füttern, aber mit zusätzlichen Lebensmittelabfällen, von denen genügend zur Verfügung stehen, könnte man sie als regelrechte nachhaltige Recyclinghelfer einsetzen. „Da wären wir wieder ein bisschen bei der Kreislaufwirtschaft“, sagt Preisfeld, „das, was wir häufig wegwerfen und als belastendes Material in unsere Abwässer geben, könnte von den Larven verstoffwechselt werden. Die Larven könnten später wieder als Tierfutter Verwendung finden, womit der Kreislauf geschlossen wäre. Beispielsweise entstehen bei der Produktion aller möglicher Kartoffelprodukte unglaublich stark organisch belastete Abwässer, denn da sind ganz viele Proteine und Stärke drin. Die Glukose der Stärke kann man natürlich gut verwenden, das ist eine sehr gute Energie- und Nahrungsquelle, z.B. für die Larven.“ Mittlerweile hätten Analysen gezeigt, welche Enzyme im Darm an dem Verdauungsprozess beteiligt sind, wenn man die Tiere mit Plastik füttere. „Da daran wiederum die Bakterien des Mikrobioms im Darm der Insekten beteiligt sind, wäre es ein spannender Weg, solche Bakterien zu züchten und hochskaliert einsetzen zu können.“

Der Bedarf an solchen Methoden, die ohne weitere Umweltbelastung den Plastikmüll reduzieren können, sei unglaublich groß. Daher erforsche man auch bei ganz vielen Insekten ihre Mikrobiome (Gesamtheit aller Viren und Bakterien, die Lebewesen besiedeln, Anm. d. Red.) und werde dabei auch fündig. „Man hat auch aus der Asiatischen Gottesanbeterin Bakterien isoliert, die eine andere Kunststoffart nach 72 Stunden mit bis zu 80% abbauen konnte.“ Auch hätten Bakterien der Gattung Pseudomonas das Potential, verschiedene Kunststoffarten zu zersetzen. „Also es gibt Bakterien, die können mit verschiedenen Enzymen auch verschiedene Kunststoffe attackieren. Das ist eine sehr hoffnungsvolle Forschung.“ Die Frage sei immer, ob es effektiver ist, die aus den Tieren entnommenen Bakterien isoliert zu züchten und einzusetzen, oder die verschiedenen Tiere für den Abbau zu nutzen. „Da muss einfach noch eine Menge auf der technologischen Ebene gearbeitet werden.“

Foto von Dustin Humes auf Unsplash

Bedarf an biologischen Zersetzungsmethoden ist groß

Die Kunde von plastikfressenden Insekten ist aber nicht neu. Schon 2017 gab es Berichte über die Raupen der Wachsmotte, die sich auch durch Plastik fressen konnten. „Die Dringlichkeit, biologische Zersetzungsmethoden zu finden, ist ja auch spätestens seit der Pandemie sehr gestiegen“, erklärt die Biologin. „Die ganzen Verpackungen der Masken und Tests, das ganze Take-away-Essen usw., unsere Plastikproduktion hat sich enorm gesteigert und somit fällt es den Vereinten Nationen auch extrem schwer, die Nachhaltigkeitsziele überhaupt einhalten zu können.“

Biologische Recyclinganlage

Eine Studie an der University of Queensland, die sich mit den Larven des Großen Schwarzkäfers befasst hat, geht aber noch weiter. So sollen die Darmbakterien des ´Superwurms` im nächsten Schritt im Labor gezüchtet und ihre Fähigkeit zum Abbau von Polystyrol weiter getestet werden. So könne man herausfinden, wie sich der Prozess auf ein Niveau hochskalieren ließe, das für eine ganze Recyclinganlage erforderlich sei. „Die technische Schwierigkeit ist, man muss es hochskalieren“ erklärt Preisfeld, „jeder, der schon einmal Zellen gezüchtet hat, weiß, dass das nicht so einfach, aber machbar ist. Es ist immer wieder die Frage, nutzt man die Bakterien oder nutzt man die Tiere, denn es handelt sich ja immer um verschiedene Kunststoffarten. Wer weiß, wenn man so ein Bakteriencocktail mit den verschiedenen Enzymen unterschiedlicher Tiere hat, dann würde das vielleicht auch funktionieren. Eine riesige Recyclinganlage. Unsere Superlarve mit der Superdarmflora kann da sicherlich helfen.“

Pilze bieten ein noch viel größeres Enzymsortiment

Auch Pilze kommen bereits zum Einsatz. Bestimmte Pilzarten, die man auf Kunststoff-Granulat, Plastikfolie und aluminiumbeschichteter Plastikfolie angesetzt hat, konnten zum großen Teil diese Kunststoffe verstoffwechseln. Das alles gehört sicher noch zur Grundlagenforschung. Aber Klein- und Kleinstlebewesen rücken immer mehr in den Fokus der Forschung, seien es Fadenwürmer in der Demenzforschung oder Maden und Heuschrecken als Superfood für die Lebensmittelindustrie. Diese artenreiche Gruppe der wirbellosen Tiere und die Pilze werden also zur geheimen Ressource.

Die beiden Pilzgattungen, auf Lateinisch Aspergillus terreus und Engyodontium album, kommen im Boden und in Pflanzen vor. Werden diese dem Plastik ausgesetzt und mit UV-Licht oder Wärme vorbehandelt, reduzieren sie den Kunststoff in nur 30 Tagen um einen Fünftel und in 90 Tagen um rund ein Drittel.

„Da steckt ganz viel Potential drin und Pilze sind schon deswegen vielversprechend, weil sie gegenüber den Bakterien ein sehr viel größeres Enzymsortiment haben“, sagt die Forscherin abschließend. „Wenn man Plastikmüll von der Müllhalde untersucht, dann sieht man tatsächlich eher Pilze darauf als Bakterien, also wäre der Abbau in der freien Natur eher eine Pilzarbeit.“ Sie haben im Gegensatz zu Tieren noch einen zusätzlichen, enormen Vorteil. „Pilze kriegen ihre Nährstoffe dadurch, dass sie das, worauf sie sitzen, auflösen und dann die Substanzen aufnehmen. D.h., sie geben nach außen Enzyme ab, sogenannte Exoenzyme, und das ist eine Eigenschaft, die beim Abbau von Plastik sehr gut ist, denn über diese Exoenzyme können sie schon die Oberfläche gut anverdauen, so dass andere Enzyme da ansetzen könnten.“

Ob Larve mit Superdarmflora, isoliert gezüchtete Bakterien oder Exoenzyme von Pilzen, eine so gestaltete, wissenschaftlich fundierte und damit nachhaltige Kreislaufwirtschaft zeigt Wege auf und macht Mut in Zeiten der steigenden Umweltverschmutzung.

Professorin Dr. Gela Preisfeld studierte, promovierte und habilitierte an der Universität in Bielefeld. Nach kurzen Forschungsaufenthalten in Australien und einer Vertretung an der Goethe-Universität Frankfurt/Main nahm sie 2006 den Ruf auf den Lehrstuhl Biologie und ihre Didaktik, Zoologie an der Bergischen Universität an.

Beitragsfoto: Professorin Preisfeld (c) Sebastian Jarych

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