Für 60 Prozent der Kommunen Aufnahme “noch machbar”

AUFNAHME VON GEFLÜCHTETEN

VON NARGES BARTETZKO, IVIE OJO, CARSTEN WOLF UND FABIO GHELLI

Diesen Beitrag entnehmen wir dem Mediendienst Integration. Dort finden Sie weitere Hinweise, Quellenangaben und Links

Wie viele Kommunen sind mit der Aufnahme und Unterbringung von Geflüchteten überfordert? Bislang gab es zum Thema nur vereinzelte Berichte. Die Universität Hildesheim und der Mediendienst Integration haben bei Kommunen nachgefragt, und mehr als 600 Antworten erhalten.

Seit Monaten melden viele Kommunen in Deutschland, dass das Aufnahmesystem für Geflüchtete überlastet ist. Im Fokus stehen dabei meistens Einzelfälle. Der Debatte fehlt eine Datengrundlage. Um diese Lücke zu schließen, haben die Forschungsgruppe Migrationspolitik der Universität Hildesheim und der Mediendienst Integration unter der Koordinierung von Boris Kühn eine bundesweite Online-Umfrage unter deutschen Kommunen und Landkreisen durchgeführt. Mehr als 600 haben die Befragung vollständig beantwortet.

Die zentralen Erkenntnisse:

  • Knapp 60 Prozent der befragten Kommunen beschreiben die Lage als „herausfordernd, aber (noch) machbar“; 40 Prozent berichten hingegen von einer „Überlastung“ beziehungsweise sehen sich „im Notfallmodus“.
  • Etwa 45 Prozent der Kommunen nutzen aktuell Notunterkünfte, vor allem Container. Sporthallen sind dagegen sehr selten belegt (in 6 Prozent der Kommunen).
  • Als hilfreich zur Bewältigung der Lage werden vor allem folgende Maßnahmen genannt: eine Begrenzung der Zuwanderung, eine bessere Finanzierung sowie Unterstützungen und Erleichterungen bei Baumaßnahmen und der Akquise von Unterkünften für Geflüchtete.

Die komplette Auswertung der Umfrage finden Sie hier

Wie viele Kommunen sind überlastet?

Es ist nicht überraschend, dass eine Mehrheit der Kommunen die Lage angespannt sieht. Seit zwei Jahren steigt die Zahl der Geflüchteten, die sie unterbringen müssen. Dabei spielen auch ukrainische Geflüchtete eine entscheidende Rolle. Obwohl zwischen zwei Drittel und drei Viertel von ihnen privat untergekommen sind, bleiben etwa 300.000 Personen, für die die Kommunen seit 2022 Unterkünfte bereitstellen mussten.

Die Einschätzungen unterschieden sich mit Blick auf die Größe der Kommune – allerdings nicht sehr stark:

  • Rund 30 Prozent der Großstädte sehen sich als “überlastet, im Notfallmodus”.
  • Zwischen Kleinstädten (bis 20.000 Einwohner:innen) und mittelgroßen Städten (bis 100.000 Einwohner:innen) gibt es keine Unterschiede: Jeweils rund 37 Prozent sehen die eigene Kommune als “überlastet” an.
  • Etwas höher ist der Anteil der Befragten, die von “Überlastung” sprechen, bei kleinen Kommunen unter 5.000 Einwohner*innen und bei den Landkreisen: jeweils rund 44 Prozent.

Wie bringen Kommunen Geflüchtete unter?

Etwas überraschend in Anbetracht der medialen und politischen Debatte ist, dass über die Hälfte der Kommunen (55 Prozent) derzeit (noch) keine Notunterkünfte nutzt. Bei den Notunterkünften, die Kommunen nutzen, handelt es sich vor allem um Container. Sporthallen werden hingegen nur in 6 Prozent aller Kommunen belegt.

Insgesamt werden Container und andere Notunterbringungen in kleineren Städten und Gemeinden deutlich seltener genutzt als in größeren Städten oder von Landkreisen.

Auch dauerhafte Sammelunterkünfte und Modulbauten werden in Kommunen bis 20.000 Einwohner*innen seltener genutzt. Vielerorts scheint es nach wie vor zu gelingen, Geflüchtete in eigenen oder angemieteten Wohnungen unterzubringen. Rund 90 Prozent der kleineren Kommunen geben an, dass sie Geflüchtete in angemieteten Wohnungen unterbringen. Auch in größeren Städten und Landkreisen ist das in etwa 80 Prozent der Fall.

In welchen anderen Bereichen gibt es “Überlastungen”?

Die Autor:innen der Befragung haben auch erfasst, welche Bereiche mit Blick auf die Aufnahme und Integration Geflüchteter als überlastet wahrgenommen werden.

Neben der Unterbringung und – damit verbunden – der allgemeinen Situation auf dem Wohnungsmarkt, wurden hier insbesondere die Kindertagesstätten und die Verwaltung am häufigsten genannt. Rund ein Drittel der Kommunen, die geantwortet haben, sehen diese Bereiche als “überlastet, im Notfallmodus”. Seltener genannt wurden Schulen, Sprachkurse, Beratungsangebote und “Integration”.

Bei der Frage, was der eigenen Kommune bei der Bewältigung der Unterbringung helfen würde, haben die Befragten vor allem auf vier Aspekte hingewiesen:

  • Eine Begrenzung der Zuwanderung nach Deutschland und damit geringere (oder gar keine) Zuweisungen mehr in die eigene Kommune.
  • Eine bessere Finanzierung der kommunalen Flüchtlingsaufnahme – mit unterschiedlichen Schwerpunkten: teilweise auf höheren Zahlungen, teilweise auf Dauerhaftigkeit der Finanzierung.
  • Unterstützung bei der Unterbringung und der Versorgung der Geflüchteten mit Wohnraum; konkret wurden hier insbesondere Vereinfachungen bei gesetzlichen Vorschriften, eine stärkere Verantwortung von Bund und Land für Unterkünfte, aber auch eine Förderung des sozialen Wohnungsbaus genannt.

Umfrage: Flüchtlingsunterbringung in den Kommunen (PDF):

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.