Den Beitrag entnehmen wir dem Waterbölles, dem kommunalpolitischen Forum für Remscheid
Das Aktionsbündnis „Für die Würde unserer Städte“ hat Bundeskanzler Olaf Scholz einen Brief übergeben. Darin beschreiben die Vertreter der Kommunen, wie überlastet diese sind und welche Sorgen ihnen die Entwicklung der Haushalte bereitet. Der Bundeskanzler erklärte, er wolle die Altschuldenlösung, die im Koalitionsvertrag steht, nach wie vor.
Die Delegation kam aus verschiedenen Bundesländern, aber mit einer einheitlichen Botschaft nach Berlin: „Der soziale Friede erscheint uns stark gefährdet und der Verlust der demokratischen Grundwerte nimmt spürbar zu.“ Die Vertreterinnen und Vertreter des Aktionsbündnisses „Für die Würde unserer Städte“ forderten eine faire Finanzverteilung in Deutschland und eine Altschuldenlösung. „Meine Unterstützung habt ihr“, sagte Scholz mit Blick auf den Anteil des Bundes an der Altschuldenregelung.
Preissteigerungen, Zinserhöhungen, Tarifabschluss und immer weiter steigende Sozialausgaben sind vier Ursachen für die dramatisch verschlechterte Haushaltslage in den finanzschwachen Kommunen. Die Bürgerinnen und Bürger erleben die erste Ebene des Staates am Rande der Handlungsfähigkeit. Es brauche daher „endlich eine Lösung, die uns als finanzschwache Kommunen wieder in den Stand versetzt, eigenverantwortlich handeln und gestalten zu können“, heißt es im Brief des Aktionsbündnisses.
Viele betroffene Bundesländer haben bereits eine Lösung entwickelt, einzig Nordrhein-Westfalen hat bisher keine geeignete Regelung gefunden – mit gravierenden Folgen: „Der Verschiebebahnhof der Verantwortlichkeit funktioniert leider immer noch. Und wir Städte stehen weiter im Regen, obwohl wir selbstverständlich bereit sind, unseren Anteil an der Lösung zu leisten“, schreiben die Sprecherinnen und Sprecher von „Für die Würde unserer Städte“.
Das Bündnis nennt acht Themen, in denen es besonders auf handlungsfähige Kommunen ankommt, aber insbesondere die Finanzschwachen die ihnen auferlegten Aufgaben kaum stemmen können: Kommunale Wärmeplanung, Klimaneutralität, die Aufnahme Geflüchteter, die Mobilitätswende, Bildung und Kinderbetreuung, sozialer Wohnungsbau, der Unterhalt öffentlicher Gebäude sowie die Gesundheitsversorgung und dabei insbesondere die kommunalen Krankenhäuser.
Dass sich die Lage massiv verschlechtert hat und die Vertreter der Kommunen den Vertrauensverlust der Menschen spüren, hat „Für die Würde unserer Städte“ vor kurzem auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier geschrieben. Sie baten ihn ebenso um Hilfe wie jetzt Olaf Scholz um Einhaltung des Versprechens aus dem Koalitionsvertrag der Ampel: „Bitte lassen Sie uns zum Silberstreif zurückkehren, die finanzschwachen Städte und Gemeinde wieder handlungs- und zukunftsfähig machen sowie durch eine angemessene Finanzausstattung eine Rückkehr der Schulden verhindern.“
Bei der Kommunalkonferenz der SPD-Bundestagsfraktion, bei der die Delegation ihren Brief überreichte, machte der Bundeskanzler Altschulden zu einem Schwerpunkt seiner Rede. „Wir müssen Gerechtigkeit herstellen“, sagte er und verdeutlichte, dass die Lösung nicht allen Kommunen zugutekommen könne, sondern denen helfen müsse, die die meisten Schulden haben. Dies begründete er mit Blick auf die Ursachen der Altlasten, die sich auf mehr als 30 Milliarden Euro bundesweit belaufen: In den betroffenen Kommunen sei durch den Strukturwandel weggebrochen, was einst für Wohlstand gesorgt hatte. Und selbst wenn in einzelnen Fällen in den Sechzigern ein Oberbürgermeister nicht gut mit Geld umgegangen sei, könnten die, die heute regieren, nichts dafür, sagte Olaf Scholz.
Der Brief des Aktionsbündnisses an den Bundeskanzler im Wortlaut:
„Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,
was war es „damals“, als Sie noch Finanzminister waren, für ein Mut machendes Zeichen: Sie haben vorgeschlagen, dass sich auch der Bund an der Lösung des Altschuldenproblems zur Hälfte beteiligt. Endlich ein Silberstreif am Horizont, endlich eine Lösung, die uns als finanzschwache Kommunen wieder in den Stand versetzt, eigenverantwortlich handeln und gestalten zu können. Gescheitert ist es dann leider an der fehlenden Umsetzungsbereitschaft Ihres damaligen Koalitionspartners.
Und heute? Der Verschiebebahnhof der Verantwortlichkeit funktioniert leider immer noch. Eine Reihe von Ländern hat halbe Lösungen für die betroffenen Städte und Gemeinde entwickelt und wartet nun auf den Bund. Der wiederum verweist auf Nordrhein-Westfalen, das noch immer keine Regelung gefunden hat. Und wir Städte stehen weiter im Regen, obwohl wir selbstverständlich bereit sind, unseren Anteil an der Lösung zu leisten.
Seit dem Start der Ampel-Koalition warten wir auf die Umsetzung dessen, was im Koalitionsvertrag zugesagt worden ist und was Sie, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, zuletzt bei der Tagung des Deutschen Städtetags in Köln erneut zugesagt haben: Es soll eine Lösung für die Altschuldenfrage und eine auskömmliche Finanzierung der kommunalen Aufgaben geben. Gerade jetzt ist unser Land auf handlungsfähige Städte angewiesen, insbesondere mit Blick auf die folgenden Themen:
Kommunale Wärmeplanung: Sie wird nicht gelingen, wenn viele Städte weiterhin überschuldet sind beziehungsweise keinerlei finanzielle Spielräume haben. Klimaneutralität im Land: Es kann sie nicht in Städten geben, denen das Wasser bis zum Hals steht. Aufnahme Geflüchteter: Das ist eine humanitäre Pflicht, die aber immer schwerer fällt. Mobilitätswende: Schon jetzt müssen viele Städte den ÖPNV subventionieren, mehr geht nicht. Gleiches gilt für den Bau von Radwegen oder Lade-Infrastruktur. Mehr Bildung und ausreichende Betreuungsplätze: Das ist notwendig, aber kaum zu stemmen. Mehr sozialer Wohnungsbau: Gestiegene Zinsen und Baukosten treffen die Kommunen besonders hart, in denen zusätzlicher bezahlbarer Wohnraum besonders wichtig ist. Unterhalt der Gebäude: Die finanzschwachen Kommunen haben Sanierungen immer weiter geschoben, nun droht der Verlust öffentlichen Eigentums. Gesundheitsversorgung: Gerade außerhalb von Ballungszentren wird die bereits bestehende medizinische Unterversorgung noch dramatisch zunehmen. Der Betrieb kommunaler Krankenhäuser muss durch den Bund gesichert werden. Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, in der Frage der Altschulden stehen die Mitglieder des Aktionsbündnisses „Für die Würde unserer Städte“ an Ihrer Seite, um auch die Opposition davon zu überzeugen, dass eine weitere Blockade bedeutet, sich an der Zukunft und Handlungsfähigkeit vieler Kommunen zu vergehen. Der soziale Friede erscheint uns stark gefährdet und der Verlust der demokratischen Grundwerte nimmt spürbar zu. Bitte lassen Sie uns zum Silberstreif zurückkehren, die finanzschwachen Städte und Gemeinde wieder handlungs- und zukunftsfähig machen sowie durch eine angemessene Finanzausstattung eine Rückkehr der Schulden verhindern!“
Beitragsfoto: Die Delegation der Kommunen mit Bundeskanzler Olaf Scholz. 4. v. li. Remscheids Stadtdirektor Sven Wiertz.Pressemitteilung des Aktionsbündnisses „Für die Würde unserer Städte“