Schalom

VON HORST KLÄUSER

Diesen Text hat Horst Kläuser, Remscheider Journalist und Hörfunkmoderator sowie Gastgeber der Gesprächsrunde “Kall nit” im benachbarten Teo-Otto-Theater, auf seiner Facebookseite eingestellt und seine Veröffentlichung im Forum Wermelskirchen gestattet. Vielen Dank.

Soll man (ich) nun auch noch etwas zum Krieg im Nahen Osten sagen? So viel wird geschrieben, berichtet, gemutmaßt, gefaselt, verdächtigt, unterstellt, gehofft. Und dann meldet sich noch eine unwichtige Stimme aus dem Bergischen Land, ein einzelner Mann, längst aus dem bezahlten Beruf ausgeschieden und kein Nahostexperte, wie sie gerade wie Pilze aus dem Boden schießen. Und er schreibt auch noch von sich, angesichts tausender Toter, unfassbaren Elends und Leids – an sich eine Zumutung.

Und doch: es will raus. Mein Leben wurde und wird bis heute begleitet von Krieg, Terror, Verletzung, Hass rund um Israel, ein Land, das zum Glück nach der größten durch Deutschland verursachten Katastrophe der Menschheitsgeschichte 1948 gegründet wurde. Ein politisches, ein historisches Wunder. 

In meinem Geburtsjahr 1956 die Suez-Krise, 1967 der Sechs-Tage-Krieg, nur sechs Jahre später der Yom-Kippur-Krieg. 1970 die Entführung und Sprengung dreier Passagierflugzeuge in der jordanischen Wüste, 1972 der Überfall auf das israelische Sportler-Team während der Olympischen Sommerspiele in München. Dies alles erlebte ich bis zu meinem Abitur vor dem Fernseher.

1978, damals nur als Inlandsreporter unterwegs, hoffte ich mit der Welt auf Frieden: Camp David wurde zur Metapher, als Jimmy Carter einen Vertrag zwischen Menachem Begin und Anwar as-Sadat aushandelte. Jordanien folgte. Sadat wurde drei Jahre später von den eigenen Leuten ermordet. 

Als ich in den 1980er Jahren begann, politische Sendungen im Radio zu moderieren, gehörten Anschläge wie Friedensinitiativen im Nahen Osten zu meinem beruflichen Alltag. Ich weiß noch, dass ich im Herbst 1993 am WDR 2 Desk im Kölner Funkhaus Tränen voller Hoffnung in den Augen hatte, als Bill Clinton vor dem Weißen Haus in Washington Yassir Arafat und Yitzhak Rabin zu einem Handschlag „verführte“. Auch Rabin starb durch ein Attentat. Sein Mörder war ein Jude.

Später, als ich selbst Korrespondent in Washington wurde, holte mich der Dauerkonflikt ein: 1996 wurde Netanyahu, damals schon umstritten, erstmals israelischer Ministerpräsident, kam zum Antrittsbesuch in die USA. Bald abgelöst von Ehud Barak, der 2000 in einem Verhandlungsmarathon, der auch uns Reportern einiges an Stamina abverlangte, mit Clinton und Arafat tagelang um eine Lösung rang. Arafat verweigerte sich. Man traf sich in Oslo und Genf – ich durfte von dort berichten, am Rande von G-7, die zeitweise G-8 hießen, rang man auf höchster Ebene, führte eine „Shuttle Diplomacy“ ein – und steht nun, im Oktober 2023 vor den Trümmern aller Bemühungen.

Darf ich, soll ich da Partei ergreifen? Ich muss. Die Verantwortung, die sich aus meinem Deutschsein ergibt, die ich nicht wählte, sondern die mir per Geburt und Nationalität auferlegt ist, kann nur bedeuten, immer an der Seite Israels zu stehen, immer das Schicksal und den Erhalt des jüdischen Volkes als eine Aufgabe, eine nie endende Verpflichtung anzusehen. Auch wenn ich mir die Frage stellen muss: haben israelische Regierungen Fehler gemacht?

Oh, ja, viele: Überfälle auf Flüchtlingslager, die Missachtung von UN-Resolutionen, die man selbst zu eigenen Gunsten anstrebt, die unterdrückende Siedlungspolitik in der Westbank, Sharons Besuch auf dem Tempelberg und auch die Abriegelungen des Gaza-Streifens, die zu menschlichem Elend führten. Aber nie haben Israelis wahllos, brutal, alles Menschliche vergessend, blutrünstig und voller Rache, Alte, Frauen, Kinder entführt, geschändet, enthauptet, abgeschlachtet.

Dies ist eine unbegreifbare Steigerung der rasenden, sinnentleerten Gewalt. Mit Entsetzen gestehe ich mir, mich an diese Gewaltnachrichten beinahe gewöhnt zu haben. Diese Gewalt ist unfassbar und nur mit dem bodenlosen Hass der Nazis auf die Juden in Mitteleuropa vergleichbar. Und deshalb kann es für mich Solidarität nur mit einer Seite geben, mit Israel, mit dem jüdischen Volk. Das sagend, trauere ich als ganz normaler Mensch und deutscher Bürger trotzdem und natürlich mit Eltern im Gaza-Streifen, die Kinder verlieren, leide mit Kindern, die Eltern und Geschwister verlieren. 

Aber nicht ein Wort des Bedauerns wird man von mir hören, wenn Terroristen gezielt getötet, Bunker der Hamas oder der Hisbollah zerstört und Waffenlager und Unterschlüpfe von Mördern gesprengt werden. Sie verherrlichen Tod Unschuldiger, als Schuldige werden sie sterben.

Klingt das unbarmherzig, unchristlich? Mag sein. Es ist mein Gefühl und meine Überzeugung, dass der Terror nicht nur gestoppt, sondern seiner Wurzeln beraubt werden muss. Genug ist genug.

Schändlich ist zudem, dass Iran und Katar Hamas-Führer empfangen, unterstützen, ihre Morde loben- dass sollte auch der Politik und den Unternehmen in Deutschland zu denken geben, in deren Aufsichtsräten Kataris sitzen, deren Gas uns wärmt. Haben wir wieder auf einen blutrünstigen Wolf gesetzt, so wie Jahrzehnte bei Putin? 

Und wie lange wollen wir in Deutschland dulden, dass Eingewanderte, Palästinenser und Muslime auf deutschen Straßen judenfeindliche Parolen grölen, Morde relativieren, israelische Flaggen verbrennen, Judensterne auf Wohnungen unserer jüdischen Mitbürger gepinselt werden, so wie in den 30er Jahren auf Geschäften in Deutschland stand, man solle nicht bei Juden kaufen. Die Scham darüber bedrückt mich unendlich. Diese Feinde Israels gehören nicht nach Deutschland, der böse Islam der Ditib-Prediger auch nicht.

Ich lese, leide, weine in mich hinein, bete um Frieden, hoffe, wie ein naives Kind auf einen „weißen Ritter“, der den gordischen Knoten zerschlagen, die unendliche Spirale von Gewalt und Gegengewalt endlich stoppen möge. Und doch weiß ich: der Ritter wird nicht kommen. Nicht heute, nicht morgen, vermutlich auch nicht übermorgen. Es hat Jahrzehnte gedauert, bis sich Deutschland und Israel aussöhnten, Freunde wurden, aus dem Menschheitsverbrechen Frieden schufen. Kann das auch mit Arabern und Palästinensern geschehen? Ich wage es nicht zu hoffen.

Bitte nehmt mir dieses sehr persönliche Statement nicht übel, viel Klügere haben viel Besseres geschrieben, aber wenn nur einer meine Solidarität mit Israel teilen sollte, wäre das ein glückliches Gefühl in furchtbaren Tagen.

שלום! SCHALOM!

Kommentar (1) Schreibe einen Kommentar

    • Petra koschade
    • 18.10.23, 21:39 Uhr

    Worte die mich bewegen…Worte welche all das Unfassbare in meinen Gedanken hoffen lassen.Hoffen das man Idiologien nicht mit Gewalt bekämpfen kann.wir leben im jetzt… Kein Mensch möchte diese Gewalt und diesen Hass auf Grund seiner ethnischen Herkunft erleben.Warum muss man Vergangenes aufrechterhalten?Sind wir nicht alle die Zukunft……Müssen unsere Kinder und Kindeskinder immer noch beweisen welches der richtige Glaube ist?Lasst das was uns wichtig erscheint ausleben aber nicht mit Gewalt und Vernichtung anders denkenden.

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