Offener Brief zu den geplanten Kürzungen bei der politischen Bildung

Kritik der Kölnische Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit e.V., an der Bundesregierung

Die Kölnische Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit e.V., Köln hat Mitte August einen Offenen Brief zur Planung der Bundesregierung, die Ausgaben für die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) um ein Fünftel zu kürzen, veröffentlicht.

Diese geplante Maßnahme ist unverantwortlich. Gerade in Zeiten, in denen Hass auf Minderheiten und rechtsextreme Einstellungen offener gezeigt werden und antidemokratisches und wissenschaftsfeindliches Denken die offene Gesellschaft bedrohen, ist politische Bildung ein wichtiges Korrektiv.

Laut Koalitionsvertrag sollte die Finanzierung der politischen Bildung endlich auf ein sicheres Fundament gestellt werden und sogar anwachsen. Wir fordern, dass die Regierung sich an ihr Wort hält! 

Es ist nach wie vor möglich, als Privatperson oder als Organisation den Offenen Brief zu unterzeichnen. Dafür reicht eine E-Mail an kontakt@koelnische-gesellschaft.de mit Ihrem Namen bzw. dem Namen Ihrer Einrichtung, und auf Wunsch mit der Angabe Ihres Wohnorts und Ihrer Berufsbezeichnung bzw. Funktion.

Offener Brief zu den geplanten Kürzungen bei der politischen Bildung

Die Bundesregierung hat angekündigt, die Ausgaben für die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) um ein Fünftel von 96 auf 76 Millionen Euro kürzen zu wollen. 

Über die bpb werden nicht nur ihre eigenen Projekte und Veröffentlichungen finanziert, sondern auch zahlreiche Vereine und Initiativen können ihre Maßnahmen nur aufgrund der Unterstützung, die die bpb verwaltet, anbieten. 

Die politische Bildung ist für eine freiheitlich demokratische Gesellschaft ein zentrales Gut. Das gilt auch in „normalen“ Zeiten, denn auch dann ist sie mit Ideologien und antidemokratischen Dynamiken konfrontiert. Wir leben aber leider nicht in „normalen“ Zeiten, sondern in solchen, in denen diese Ideologien eine immense Popularisierung erfahren haben, was sich unter anderem auch in alarmierenden Wahlumfragen ausdrückt. Wir sehen, worauf selbst staatliche Stellen wie das Bundesamt für Verfassungsschutz hinweisen, eine zunehmend offene Akzeptanz rechtsextremer Einstellungen sowie Hass auf gesellschaftliche Minderheiten auf den Straßen wie in den sozialen Netzwerken. Auch Betroffene berichten von einer zunehmenden Feindseligkeit, die ihnen eine gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe erschwert. Sie reagieren nachvollziehbarerweise mit Angst und Entsetzen auf die gegenwärtigen Entwicklungen. Seit der Pandemie ist überdies deutlich geworden, wie groß auch das Potential für Verschwörungsdenken und antiwissenschaftliches wie antidemokratisches Denken in vielen Milieus der Gesellschaft ist. Insbesondere der Antisemitismus erfährt hierbei einen enormen Auftrieb und dient, wie schon oft in der Geschichte, als Welterklärung sowie der Markierung vermeintlich Schuldiger. Hierzu kommen aktuell auch noch Debatten zum Ukraine-Krieg, in denen tiefsitzende Sympathien für autoritäre Strukturen offenbar werden. 

Die politische Bildung hat für diese Situation kein kurzfristiges Heilmittel anzubieten. Aber sie stellt ein zentrales Korrektiv zu diesen Ideologien dar, insofern ihre Programme auf die Möglichkeit zur Reflektion, Aufklärung und Emanzipation setzen. Angesichts der Bedrohung für die offene Gesellschaft die politische Bildung nicht etwa zu stärken, sondern im Gegenteil zu schwächen, ist weder nachvollziehbar noch hinnehmbar, sondern schlicht unverantwortlich! 

Wenn man den schamlos geäußerten Rassismus, Antisemitismus und Sexismus nicht einfach als neue Normalität zu akzeptieren bereit ist, benötigt man eine starke politische Bildung. Wie viele Programme aber, die gegen Hass und Hetze on- wie offline einstehen, die Räume für Emanzipation schaffen und so das Versprechen der „wehrhaften Demokratie“ erst mit Leben füllen, müssen aufgrund der Einsparungen eingestampft werden? Wie viele neue und dringend erforderliche Initiativen können gar nicht erst entstehen? 

Laut dem Koalitionsvertrag sollte die Finanzierung der politischen Bildung endlich auf ein sicheres Fundament gestellt werden und sogar anwachsen. Dazu haben sich alle Regierungsparteien bekannt und wir fordern, dass die Regierung sich an ihr Wort hält! 

Die angekündigten Kürzungen für die politische Bildung müssen zurückgenommen werden. 

Wenn Sie sich dem Offenen Brief anschließen möchten oder bei Rückfragen wenden Sie sich gerne an die Kölnische Gesellschaft unter kontakt@koelnische-gesellschaft.de oder ⁠unter 0221–3382 225. 

Erstunterzeichner:innen: 

  • Kölnische Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit e.V., Köln
  • ABC Bildungs- und Tagungszentrum e.V., Drochtersen-Hüll
  • ADIRA NRW, Dortmund
  • agisra e.V., Köln
  • Alte Feuerwache e.V., Berlin
  • AntiDiskriminierungsBüro (ADB) Köln / Öffentlichkeit gegen Gewalt e.V., Köln
  • ARBEIT UND LEBEN Sachsen e.V., Leipzig
  • Archiv der Jugendkulturen e.V., Berlin
  • Bagrut e.V. Verein zur Förderung demokratischen Bewusstseins, Bochum
  • Berlin-Brandenburgische Auslandsgesellschaft (BBAG) e.V. , Potsdam
  • BildungsBausteine e.V., Berlin
  • Bildungshaus am Meer. Heimvolkshochschule Lubmin e.V., Lubmin
  • Bildungsstätte Anne Frank, Frankfurt am Main
  • Bildungsstätte Haus Ohrbeck e. V., Georgsmarienhütte
  • Das NETTZ gGmbH, Berlin
  • Entwicklungspolitisches Bildungs- und Informationszentrum e.V. – EPIZ, Berlin
  • Europäische Akademie Mecklenburg-Vorpommern e.V., Waren/Müritz
  • FUMA. Fachstelle Gender und Diversität NRW, Essen
  • Gesicht Zeigen! Für ein weltoffenes Deutschland e.V., Berlin
  • GMK – Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur e. V., Bielefeld
  • Jugendbildungstätte Bremen Lidice-Haus-Gemeinnützige GmbH, Bremen
  • Karl-Arnold-Stiftung e.V., Köln
  • Katholische Arbeitnehmer-Bewegung Diözesanverband Trier, Trier
  • Kumbig e. V. – das Kulturgetriebe, Köln
  • Landesarbeitsgemeinschaft Mädchen*arbeit in NRW, Wuppertal
  • Neue deutsche Medienmacher*innen e.V., Berlin
  • Paritätisches Jugendwerk NRW, Wuppertal
  • pax christi – Deutsche Sektion e.V., Berlin
  • Regionale Arbeitsgemeinschaft Bildung und Lernen Oldenburg e.V., Oldenburg
  • Robert-Tillmanns-Haus e.V., Berlin
  • Rom e.V., Köln
  • Spiegelbild – politische Bildung aus Wiesbaden e.V., Wiesbaden
  • Stiftung Begegnungsstätte Gollwitz, Brandenburg an der Havel
  • Türkische Gemeinde in Deutschland e.V., Berlin
  • Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt e.V., Berlin
  • Willi-Eichler-Akademie e.V., Köln
  • Friedrich Büßen; Studienleiter a.D. der Gustav-Heinemann-Bildungsstätte in Malente/Ostholstein
  • Prof. Dr. Jörg Ganzenmüller, Vorstandsvorsitzender Stiftung Ettersberg Weimar
  • Prof. Dr. Gudrun Hentges, Universität Köln
  • Florian Hessel, Ruhr-Universität Bochum
  • Thivitha Himmen, Köln
  • Prof. Dr. Birgit Jagusch, Technische Hochschule Köln
  • Helmut Landgraf, Diplompädagoge
  • Prof. Dr. Christiane Leidinger, Hochschule Düsseldorf
  • Dr. Nikolas Lelle, Projektleitung Bildungs- und Aktionswochen gegen Antisemitismus (Amadeu Antonio Stiftung) Berlin
  • Prof. Dr. Stefanie Lieb, Katholische Akademie Schwerte
  • Paul Mentz, Bagrut e.V. Verein zur Förderung demokratischen Bewusstseins, Bochum
  • Dr. Verena Paul, Studienleiterin Stiftung Demokratie Saarland, Saarbrücken
  • Henriette Schreiber, Anne Frank Zentrum e.V., Berlin
  • Reinhard Wenzel, Geschäftsführer August Bebel Institut, Berlin

Weitere Unterzeichner:innen:

  • 180 Grad Wende e.V. Köln
  • Aktionsbündnis für Demokratiestärkung und Antirassismus, Rhein-Erft-Kreis
  • Amadeu Antonio Stiftung
  • Bayerisches Seminar für Politik e.V.
  • Bildungsgemeinschaft Arbeit und Leben Bremerhaven e.V.
  • Georg-von-Vollmar-Akademie e.V.
  • IBIS – Interkulturelle Arbeitsstelle e.V., Oldenburg
  • Interdisziplinäres Zentrum für Radikalisierungsprävention und Demokratieförderung e.V. (IZRD)
  • mediale pfade – Verein für Medienbildung e.V.
  • Nordbahngemeinden mit Courage e.V., Schildow
  • Prof. Dr. Sebastian Barsch, Universität Köln
  • Martin Brück, Hamburg
  • Sieghard Bußenius, Sozialpädagoge und Diakon im Ruhestand
  • Laura Cazés (Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland)
  • Ahmet Edis, stellv. Vorsitzender des Integrationsrats Köln
  • Horst Engel, Lünen
  • Dario Kroll, TH Köln
  • Saloua Mohammed (M.A.), staatl. anerk. Sozialarbeiterin, wissenschaftliche Mitarbeiterin (TH Köln) und politische Bildnerin

Beitragsfoto: Fassade der Bundeszentrale für Politische Bildung in Bonn

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