NGG: Zu geringe Tarifbindung von Betrieben – „Politischer Push pro Tarifvertrag“ nötig
Es gibt dickere und dünnere Lohntüten: „In der Regel ist da, wo ein Tariflohn bezahlt wird, auch mehr in der Lohntüte“, sagt die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten. Deshalb setzt die NGG Köln jetzt auch im Rheinisch-Bergischen Kreis auf deutlich mehr Tarif-Jobs. Insbesondere in den Betrieben, in denen Nahrungsmittel hergestellt oder verarbeitet würden, gebe es, so die Gewerkschaft, erheblichen Nachholbedarf. „Wenn das eigene Unternehmen nicht an den Tarif der Branche gebunden ist, hat das für die Beschäftigten erhebliche Folgen. Nicht nur ihr Verdienst ist meistens deutlich niedriger als der Tariflohn. Auch die im Tarifvertrag vereinbarten Regelungen zur Arbeitszeit, zum Urlaub oder zu Kündigungsfristen gelten für die Beschäftigten nicht. Und bei Sonderzahlungen gehen sie ohnehin meistens leer aus“, sagt Helge Adolphs von der NGG Köln.
Die Arbeitsbedingungen in tariflosen Betrieben seien in der Regel deutlich schlechter. „Hier fehlen ganz einfach die für die Branche geltenden ‚Job-Leitplanken‘, für die die Gewerkschaft sorgt“, so der NGG-Geschäftsführer. Nach einer Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung müssen Beschäftigte ohne Tarifvertrag pro Woche fast eine Stunde länger arbeiten als tariflich Beschäftigte. Außerdem verdienten sie durchschnittlich 11 Prozent weniger.
Mit Blick auf die Tarifbindung in der Ernährungsindustrie verweist Helge Adolphs auf neueste Zahlen des Statistischen Bundesamtes: „In Nordrhein-Westfalen kommen nur 59 Prozent aller Beschäftigten in der Herstellung von Nahrungs- und Futtermitteln in den Genuss eines Tarifvertrags. Vor Ort sieht die Situation nicht anders aus. Auch wenn sich hier langsam etwas bewegt: Trotzdem ist für einen Großteil der Beschäftigten der Branche im Rheinisch-Bergischen Kreis der Job mit Tarifvertrag noch längst nicht die Regel.“ Damit sich das ändere, müsse die Politik die Weichen für eine stärkere Tarifbindung stellen.
Helge Adolphs: „Es muss dafür gesorgt werden, dass mehr Beschäftigte unter dem Schutz eines Tarifvertrags arbeiten und den fairen Tariflohn bekommen. Notwendig ist deshalb ein ‚politischer Push pro Tarifvertrag‘. Ziel muss eine 100-Prozent-Quote sein. Das heißt, dass Tarifverträge für alle Betriebe einer Branche gelten müssen und zwar ohne Ausnahme. Die schon jetzt existierende Möglichkeit, Tarifverträge – durch die sogenannte Allgemeinverbindlichkeit – für alle als verpflichtend zu erklären, muss hierzu erleichtert werden.“ Adolphs appelliert an die heimischen Bundestagsabgeordneten, die politischen Weichen für eine Stärkung der Tarifbindung zu stellen. Auch im Koalitionsvertrag hätten sich die Ampel-Parteien dafür ausgesprochen.