Konsequente Rechtsprechung sieht anders aus

RIAS NRW veröffentlicht Fallstudie

Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Nordrhein-Westfalen (RIAS NRW) teilt mit: „Am 30. Dezember 2019 verwüsteten zwei Neonazis den Jüdischen Friedhof in Geilenkirchen (Kreis Heinsberg). Noch in der Tatnacht wurden sie in unmittelbarer Nähe zum Friedhof verhaftet. Die im anschließenden Prozess ans Licht gekommene Beweislast erwies sich als erdrückend. Dennoch fand sich in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft an keiner Stelle der Verweis auf Antisemitismus als mögliches Tatmotiv. 

Dass die Schändung eines jüdischen Friedhofs durch zwei polizeibekannte Neonazis nicht als antisemitischer Akt, sondern lediglich als ‘Sachbeschädigung’ und ‘Störung der Totenruhe’ verfolgt werden sollte, stieß lokal auf breite Gegenwehr. Ebenso wurde der überaus schleppende Prozessverlauf kritisiert: Fast zweieinhalb Jahre dauerte es, bis am 23. Juni 2022 ein Urteil durch das Amtsgericht Geilenkirchen gefällt werden konnte.

Im zweiten Teil der Fallstudie kommen einige im Prozess involvierte Akteur_innen und Expert_innen zu Wort. Auf eine juristische Einschätzung folgt die Perspektive eines Vertreters der Stadt Geilenkirchen, die als sogenannte Adhäsionsklägerin selbst aktiv im Prozess involviert war. Auch zwei Nachfahren von Jüdinnen_Juden, deren Grabsteine auf dem Friedhof geschändet wurden, schildern ihre Perspektive auf den Prozessverlauf.

Der letzte Teil der Fallstudie geht der Frage nach, welche Reformen innerhalb des nordrheinwestfälischen Justizwesens im Sinne einer effizienteren Verfolgung antisemitischer Hass- verbrechen umgesetzt werden könnten. Dazu gehört etwa die Verankerung antisemitismuskritischer Fortbildungen für Polizei und Justiz so- wie ein verbesserter Opferschutz. Inna Goudz, Geschäftsführerin des Landesverbands der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein K.d.ö.R.: ‘Im Fall der Friedhofsschändung in Geilenkirchen zeigt sich die gesamte Bandbreite der verschiedenen Perspektiven bei antisemitischen Angriffen: von der unsäglichen Tat, über die entschiedene und vorbildhafte Reaktion der Stadtverwaltung und das zögerliche Vorgehen der Justiz, hin zum starken Engagement der Stadtgesellschaft bei der Aufklärung. Der Einsatz der Geilenkirchener Stadtverwaltung und der Zivilgesellschaft war beispiellos und letztendlich für die Verurteilung der Täter entscheidend. 

Das zeigt: Die Bekämpfung von Antisemitismus gelingt nur als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die vorliegende Broschüre hat das Potenzial, eine Blaupause zum Umgang mit antisemitischen Vorfällen für Verwaltungen und Engagierte zu werden.’

Mit der Veröffentlichung der Broschüre zielt RIAS NRW darauf ab, über Antisemitismus und dessen strafrechtliche Bekämpfung im Bundesland zu informieren, auf dabei bestehende Problematiken hinzuweisen und die Perspektiven von Betroffenen in der öffentlichen Wahrnehmung zu stärken.“

Hier die Broschüre zum Download.

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