Den Beitrag von Lothar Kaiser übernehmen wir aus dem Waterbölles, dem kommunalpolitischen Forum für Remscheid:
Das Motto des gestrigen „Tages der Arbeit“ lautete „ungebrochen solidarisch“. Der Remscheider Oberbürgermister Burkhard Mast-Weisz wertete es bei der Begrüßung der (überschaubaren) Schar von Demonstranten auf dem Rathausplatz als ein „klares Signal der Gewerkschaften, geschlossen zueinander zu stehen und für die berechtigten Rechte der Beschäftigten einzustehen“ Denn: „Wir leben in einer verflixt komplizierten Zeit. Gerade erst haben wir die Corona-Pandemie einigermaßen überwunden; ihre Folgen spüren wir noch immer. Schülerinnen und Schüler holen mühevoll zwei Jahre auf, in denen sie Unterrichtsausfälle, digitale Lernformen und wenig soziale Kontakte verkraften mussten. In der Gastronomie, im Einzelhandel, im Veranstaltungs- und in vielen anderen Bereichen gerieten Unternehmen und damit viele Beschäftigte an den Rand der wirtschaftlichen Existenzgrundlage oder haben diese sogar verloren.“
Ebenso dramatisch seien die Auswirkungen des Ukrainekriegs. Die Lebenshaltungskosten seien explodiert, Energie, Lebensmittel, all das, was wir zum Leben brauchen, sei sehr viel teurer geworden, so der OB und räumte ein: „Ja, es gibt Hilfen von Bund und Land, durch die Krise zu kommen. Sie sind gut, greifen aber erst nach und nach. Viele Menschen bei uns wissen nicht, wie sie ihren täglichen Bedarf spätestens ab Monatsmitte bestreiten sollen.“ Ihn erreichten immer wieder Hilferufe von Bürgerinnen und Bürgern, die kein Auskommen mit ihrem Einkommen haben. „Das darf so nicht sein. Vor allem nicht in einem Land, das zu den reichsten auf unserem Planeten zählt.“

Die derzeitige geopolitische Lage stelle auch einzelne Unternehmen in große Probleme.: „Gerade die metallverarbeitenden Unternehmen, und das ist unser Rückgrat, ächzen unter den explodierten Energiepreisen. Produktionskosten verteuern sich, die Wettbewerbslage am Weltmarkt wird immer schwieriger. Ich stehe an der Seite der Beschäftigten von Oerlikon, die gerade in einer sehr schwierigen Marktsituation sind und fordere, dass es Lösungen gibt, die nicht zu Entlassungen führen.“
Gerne würde er Wirtschaft in unserer Stadt noch stärker unterstützen, bekannte der OB. Seine Stichworte: Niedrigere Steuern, schnellere Entwicklung neuer Gewerbe- und Wohngebiete. Aber: „Die Stadt hat einen 600 Mio.€-Klotz am Bein! Zwar sei es dank der guten Arbeit des Kämmerers am vergangenen Donnerstag gelungen, einen genehmigungsfähigen Haushalt vorzulegen, der weitere Investitionen ermöglicht. Aber der Preis dafür sei hoch: „Wir isolieren corona- und kriegsbedingte Auswirkungen und müssen sie über 50 Jahre abschreiben. So lange Bund und Land nicht ihren Zusagen nachkommen, eine Altschuldenregelung und eine gerechte Finanzierung der Kommunen umzusetzen, werden wir weiterhin erleben, dass die Bürgerinnen und Bürger, dass die Wirtschaft in unserem Land sehr unterschiedlich belastet werden!“
Ungebrochen solidarisch, das sei eine klare Aufforderung an diesem 1. Mai, betonte Burkhard Mast-Weisz. „Lasst uns solidarisch an der Seite derjenigen stehen, die unsere Hilfe benötigen. Die Reaktionen vieler Menschen in unserer Stadt auf das katastrophale Erdbeben in der Türkei und in Syrien, die vielen Sach- und Geldspenden, die hier gesammelt und in das Erdbebengebiet gebracht wurden, waren ein starkes Zeichen der Solidarität. Ungebrochen solidarisch bleiben wir auch weiterhin gegenüber den vielen Menschen, die als Geflüchtete zu uns kommen. Mehr als 1.400 Menschen aus der Ukraine leben unter uns. Darüber hinaus sind Menschen aus anderen Ländern hier, die dort vor Verfolgung, Krieg, Hunger fliehen. So lange die Weltgemeinschaft nicht Fluchtursachen wirksam bekämpft, werden die Zahlen derjenigen, die sich auf zum Teil lebensgefährliche Wegen nach Europa aufmachen, nicht geringer werden. Wenn Trinkwasser zu einer Überlebensfrage wird, wenn ganze Regionen drohen zu verhungern, während ihre Regimes Milliardenbeträge in Rüstung investieren, wenn Religion zu einer politischen Waffe wird und Unterdrückung und Ermordung Andersgläubiger rechtfertigt, wenn Frauen die Möglichkeit genommen wird, zu lernen, zu studieren, zu arbeiten, dann bleibt die Welt ein Pulverfass, die immer mehr Menschen dazu zwingt, ihr Heimatland zu verlassen, um für sich und ihre Kinder Hoffnung und Perspektiven zu gewinnen, häufig vor allem zu überleben!“
Die Lösung für die Flüchtlingskrise kann nicht in den deutschen Städten und Gemeinden gefunden werden. Dafür seien Bundesregierung, EU und UNO verantwortlich. Aufgabe der Stadt sei es, den Menschen, die hier als Geflüchtete ankommen, Sicherheit zu geben und Hoffnung auf ein menschenwürdiges Leben. Es bleibt beschämend, „dass nach wie vor Parteien versuchen, aus dem Flüchtlingsdrama politisches Kapital zu schlagen, auch hier bei uns. Das ist schäbig. Diesen üblen Versuchen dürfen wir nicht auf den Leim gehen. Diese Parteien wollen einen anderen Staat, sie sind Feinde unserer Demokratie.“
Aber der OB ging auch auf andere Sorgen ein, die die Menschen gegenwärtig bewegen: „Ja, auch hier gibt es Armut, Arbeitslosigkeit, Sorge um Wohnraum, Kindergartenplatz, fehlenden Schulraum und manches mehr. Ungebrochen solidarisch zu sein bedeutet, dass die Politik, aber auch wir gemeinsam dafür verantwortlich sind, wie es den Menschen in unserer Stadt geht. Die Bildung unserer Kinder, ein würdevolles Leben im Alter, die soziale Gerechtigkeit für alle Remscheiderinnen und Remscheider, der Schutz unserer Demokratie, unserer Freiheit. All das sind unsere Aufgaben.“ ‚Ungebrochen solidarisch‘ stehe aber auch dafür, „dass wir auf der Seite der vielen Beschäftigten in unseren Unternehmen stehen und uns für faire Löhne und Arbeitsbedingungen einsetzen. Es steht dafür, dass wir uns gemeinsam für ein gutes Miteinander, für Respekt und gegenseitige Wertschätzung einsetzen und gegen jede Form von Diskriminierung. Es steht dafür, dass wir unseren Beitrag dafür liefern wollen, dass die Welt friedlicher, gerechter wird, dass wir unsere Verantwortung für den Erhalt der Schöpfung wahrnehmen werden und unseren Kindern und Kindeskindern eine Erde überlassen, die weiterhin lebenswert ist.“
Beitragsfoto: Oberbürgermeister Burkhard Mast-Weisz bei der Begrüßung der Kundgebungsteilnehmer © Lothar Kaiser