Ein Appell an die Vernunft

Dieser Essay von Klaus Hansen erschien am 10. März im Bürgerportal Bergisch Gladbach. Klaus Hansen, Fußgänger, Bahncard-, Pedelec- und Autobesitzer, Nutzer des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs, hat diesen Beitrag zur Veröffentlichung im Forum Wermelskirchen freigegeben. Vielen Dank..

VON KLAUS HANSEN

Wir haben viel zu viele Autos, und viel zu große. Sie produzieren Feinstaub und CO2, sie kosten Platz. Eine Freiheit, für die diese überdimensionierten Autos angeblich stehen, zerstören sie selbst. Und unsere Städte, unsere Umwelt. Was also können wir tun? Was müssen wir tun? Wir könnten Vernunft walten lassen. Und uns bescheiden. Ein Essay von Klaus Hansen, mit dem wir eine Serie zu grundlegenden Fragen der Klimawende starten.

Autoland Deutschland: Unsere Autos werden größer, länger, höher, breiter. Sie sind geländegängig. Und sie werden immer schwerer. Ihre Zahl nimmt stark zu. Schon ihre Herstellung verbraucht viele Ressourcen: Also mehr Stahl, Aluminium, Kunststoff, Holz, Textilien. Und damit mehr Energie. Und selbstverständlich entsteht dabei mehr CO2. Das gilt auch für große E-Autos.

Autos mit Verbrennungsmotoren verbrauchen, weil ihre Motoren leistungsfähiger, größer und schwerer sind, mehr Energie. Also Ressourcen. Und sie produzieren mehr CO2.

Statt sorgfältiger Reparatur nur noch Flickwerk: Paffrather Straße. Alle Fotos: Klaus Hansen

Die Straßen in Bergisch Gladbach sind in einem erbärmlichen Zustand. Seit Jahrzehnten nicht gepflegt. Und für eine hohe Belastung sind sie nicht gebaut. Allerdings: So schlecht, dass geländegängige Autos nötig wären, sind die Straßen von Bergisch Gladbach nun doch noch nicht. 

Schwerere und größere Autos bedeuten aber auch mehr Abrieb an größeren Bremsen und Reifen, also mehr lebensgefährliche Feinstäube. Feinstäube, die nicht nur alle Menschen schädigen, sondern sogar unsere lieben Hunde.

Unsere Stadt hat viele schmale Straßen. Damit hat sich die Chance auf breitere und sicherere Radwege häufig schon erledigt.

Alte Wipperfürther Straße: Lieber den Radverkehr behindern als den Autoverkehr?

Für das Parken breiterer und längerer Autos brauchen wir breitere und längere Parkflächen. Parkflächen, auf denen die meisten Autos mehr als 22 Stunden am Tag stehen. Tag für Tag. Inzwischen werden schon von Besitzern breiterer Autos – wie zu erwarten war – breitere Parkplätze gefordert. 

Wollte man jedoch nicht weiter Flächen versiegeln und Grünflächen reduzieren, würden bei einer verbreiterten Einteilung weniger Autos geparkt werden können. Das gilt natürlich auch für große E-Autos.

Kampf um jeden freien Platz, An der Gohrsmühle
Sausolito, San Francisco Bay, USA

Der Verkehrsminister will – um den vielen Staus entgegen zu wirken – mehr Autobahnen bauen und Autobahnen um zusätzliche Fahrspuren erweitern. Und er ist gegen ein Tempolimit. Wie auch Nordkorea. Nur gibt es dort nicht ganz so viele Fahrzeuge, die Feinstäube und CO2 in die Luft blasen.

Höhere Geschwindigkeiten auf der Autobahn bedeuten größere Abstände, längere Bremswege, mehr Feinstäube. Und mehr CO2.

Wegen der notwendigen größeren Abstände passen weniger Autos auf eine Autobahnspur. Das ist Physik. Hätten wir in der Schule oder bei der Führerscheinausbildung aufgepasst, wüssten wir das.

Auffahrunfall auf der A3: Stau, Zeitverluste

Die Folgen höherer Geschwindigkeiten bedeuten mehr Feinstaub, schwerere Unfälle, mehr Schrott, entsprechende Einsätze von Polizei, Feuerwehren, Rettungsdiensten, Hubschraubern, Abschleppdiensten, Staus, Ärztinnen und Ärzten. Also mehr CO2. Und Zeitverluste. Dazu kommen die Belastungen für Kliniken, Behandlungen, Rehabilitation, Arbeitsausfall. 

Andererseits bedeuten Unfälle natürlich auch Wirtschaftswachstum. Für Versicherungen, im medizinischen Bereich, beim Neukauf, bei Leihwagen oder für Werkstätten.

Drängler auf der A4

In den USA gibt es breitere Highways. In großen Städten wie Los Angeles auch mehr Fahrspuren als bei uns. Aber es gibt dort ein Tempolimit wie in fast allen zivilisierten Ländern dieser Welt. In LA dürfen auf der linken Spur nur Autos fahren, in denen mehr als ein Mensch sitzt. 

Zugegeben: Größere, schwerere Autos bieten eine höhere Sicherheit – für die Insassen. Nicht aber für junge und alte Fußgängerinnen und Fußgänger, Radfahrerinnen und Radfahrer, Rollerfahrerinnen und Rollerfahrer. Gefährdet sind besonders Kinder. Und natürlich auch Menschen in leichteren Autos. 

Was ist, wenn die Sicherheit für die Nutzerinnen und Nutzer eines solchen Autos nicht gleichzeitig zu einem vorsichtigeren und umsichtigen Fahrverhalten führt? In der Stadt, auf Landstraßen, auf Autobahnen?

Lobbyisten kommen gerne mit der Drohung, dass Hunderttausende von Arbeitsplätzen in der Autoindustrie gefährdet seien. Doch Bangemachen gilt nicht. Denn diese Arbeitsplätze würden ja nicht alle von jetzt auf gleich wegfallen, wenn kleinere, schmalere, kürzere und leichtere Autos gebaut werden.

Weil Autos weiterhin gebraucht werden. Besonders im ländlichen Raum. 

Goliath und David in Paffrath

Außerdem würde es zum Beispiel wie bisher Werkstätten, Tankstellen, Straßenbaubetriebe, Ämter geben. Schon immer hat sich die Arbeitswelt geändert. Früher haben Millionen in der Landwirtschaft gearbeitet. Hunderttausende in der Werftindustrie. Oder in der Stahlindustrie. 

Der Arbeitsplatz des Baumfällers muss erhalten bleiben, nicht der Baum?

Heute haben wir in Deutschland mehr Beschäftigte als je zuvor und relativ wenige Arbeitslose. Gleichzeitig fehlen Hundertausende in den unterschiedlichsten Berufen: In der Bildung, in der Pflege, in Kitas, im Handwerk, im Service, in der Informationstechnik, in der Verwaltung, bei der Entwicklung der Künstlichen Intelligenz, die dringend notwendig wäre.

Köstliche Erkenntnis: Ortschaft in Schleswig-Holstein

Immer wieder wird ‚Freiheit’ als ein Totschlagsargument in die Diskussion geworfen. Freiheit – ein großes Wort – heißt das nicht für uns, in einer Demokratie, einem Rechtsstaat zu leben, aus verschieden Parteien ein Parlament wählen zu können, Medien nutzen zu können, die nicht zensiert werden, sich als Bürgerin und Bürger einbringen zu können, keine Repressalien fürchten zu müssen? 

Freie Fahrt für freie Bürger?

„Freie Fahrt für freie Bürger“ ist ein dummer Spruch für Bürger mit einem beschränkten Freiheitsbegriff. Selbst der ADAC hat sich von dieser Aussage distanziert und ist für ein Limit von 130 km/h auf Autobahnen.

Nur die Liberalen sind noch nicht so weit. Dabei wird gerade eine Freiheit, für die diese überdimensionierten Autos angeblich stehen, von ihnen selbst zerstört. Und unsere Städte, unsere Umwelt.

Was also können wir tun? Was müssen wir tun? 

Wir könnten Vernunft walten lassen. Und uns bescheiden. Die irrsinnige Wachstumsspirale beenden. 

Wir brauchen weniger Autos, auf keinen Fall mehr und schon gar nicht größere. Und wir brauchen einen modernen, pünktlichen öffentlichen Nahverkehr. Und wir brauchen eine Infrastruktur, die Radfahren ebenso wie zu Fuß gehen sicher und attraktiv machen.

Eine riesige Aufgabe. Wir müssen umdenken. Denn die einschneidenden Änderungen werden kommen, werden kommen müssen.

Noch haben wir die Chance, uns zu entscheiden

In der Bundesrepublik wollen bereits 430 Städte und Gemeinden innerstädtisch Tempo 30 einführen, auch Bergisch Gladbach gehört dazu. Sie dürfen es nicht. Aber – wir könnten von uns aus verhaltener fahren. Bis die Politik endlich ein Einsehen hat. Unsere Städte würden lebenswerter werden.

Kürzlich sagte mir jemand, dass alle meine Argumente bekannt seien. Ja, richtig. Aber warum verhalten wir uns denn nicht anders, warum handelt Politik nicht endlich stringent für die Klimarettung? Warum steuern wir sehenden Auges in die Katastrophe? 

Es geht doch um unseren einzigartigen Planeten und damit unser aller Überleben. 

Unser Verkehrstunnelblick führt in die Katastrophe

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