Eine neue Difu-Studie zeigt, dass Kommunen zunehmend städtebaurechtliche Instrumente einsetzen, um dem Wohnungsmangel zu begegnen. In die vom BBSR geförderte Studie bezog das Institut 16 Fallstudienstädte ein und führte eine repräsentative Kommunalbefragung durch.
Berlin | Wie knapp ist das Bauland in deutschen Städten? Wie viele Kommunen verkaufen ihre Flächen noch zu Höchstpreisen? Wie verbreitet sind kommunale Grundstückgesellschaften? Wie haben sich die Baulandpreise verändert? Diese und weitere Fragen beantwortet die neue Studie „Praxis der kommunalen Baulandmobilisierung und Bodenpolitik“, die das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) für das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) umgesetzt hat.
Mit der Studie wird eine Wissenslücke geschlossen, denn bislang gab es keinen aktuellen bundesweiten Überblick über die Anwendung baurechtlicher und bodenpolitischer Instrumente in den Kommunen. Grundlage der Studie sind Antworten aus einer Kommunalumfrage, an der sich über 300 Städte beteiligten, sowie die Erkenntnisse aus 16 genauer betrachteten Fallstudienstädten. Die Verbindung empirischer Daten mit den Berichten aus der lokalen Anwendungspraxis eröffnet einen Blick in den „Maschinenraum“ der Planung – aus dem Wohnungsneubau generiert werden soll.
Die Studie zeigt, dass rund zwei Drittel der Kommunen kommunale Liegenschaftspolitik als Instrument der Stadt- und Wohnungsbauentwicklung nutzen. Oft betreiben sie eine langfristige Bodenbevorratung bzw. kaufen Flächen im Zwischenerwerb. Eigene kommunale Flächen werden häufig nach qualitativen Vorgaben bzw. Konzepten vergeben. Über 40 Prozent der Kommunen können einen Baulandbeschluss oder eine Baulandstrategie vorweisen. Ein Baustein davon ist ein ‚Kooperatives Baulandmodell‘, im Sinne einer verbindlichen Regelung für die Schaffung von Baurecht auf privaten Flächen, das in einem Drittel der Kommunen angewendet wird.
Wohnungsbau findet nach Auskunft der Kommunen vor allem in der Innenentwicklung statt. Die Städte unternehmen zudem erhebliche Anstrengungen zur Schaffung von Baurecht. So wurden zwischen 2016 und 2020 in 282 Kommunen 2.674 Bebauungspläne rechtskräftig verabschiedet, womit Baurecht für 180.250 Wohnungen geschaffen wurde. 2020 waren in 266 Kommunen 1.990 Bebauungspläne im Verfahren, mit denen in den nächsten Jahren Baurecht für 183.680 Wohnungen geschaffen wird. Die Ergebnisse zeigen somit eine Ausweitung der Aktivitäten der Kommunen bei der Baulandentwicklung.
Die Untersuchung verdeutlicht auch den Handlungsdruck in Städten – abzulesen u.a. daran, dass die städtebaulichen Instrumente in der jüngeren Vergangenheit eine zunehmende Verbreitung erfahren haben. Die Kommunen wünschen keine grundlegend neuen Instrumente, vielmehr erachten sie Anpassungen des bestehenden Werkzeugkastens als notwendig. Während ein Teil der Kommunen aufgrund guter wirtschaftlicher Rahmenbedingungen aktive Baulandentwicklung finanzieren kann, fehlt anderen Kommunen vor allem die finanzielle Voraussetzung für die Anwendung des Instrumentariums.
Ein weiterer Engpass sind fehlende personelle Kapazitäten für die Baulandentwicklung. Neben dem Wunsch nach einer besseren Ausstattung der Kommunalhaushalte wurden weitergehende Unterstützungsmaßnahmen durch Bund und Länder genannt. Hierzu zählen als wichtigste die finanzielle Unterstützung des Bodenankaufs – auch im Zwischenerwerb – sowie die Schaffung fördernder Rahmenbedingungen für die Mobilisierung unbebauter Baugrundstücke.
Die Städte brauchen jedoch nach den Ergebnissen der Studie nicht nur mehr bezahlbaren Wohnraum. Sie benötigen auch Ansiedlungsmöglichkeiten für Gewerbe, Kitas und Schulen sowie Grün- und Freiflächen. Voraussetzung dafür ist die Verfügbarkeit von Boden. Insofern würde ein Fokus allein auf Fertigstellungszahlen die Vielfalt der kommunalen „Baustellen“ verkennen.
„Die Studie zeigt, dass viele Städte bereits damit begonnen haben, durch aktive Bodenpolitik Gestaltungsoptionen für die Zukunft ihrer Kommune zu gewinnen bzw. zurück zu erlangen“, kommentiert Difu-Projektleiterin Ricarda Pätzold. „Diese anspruchsvolle Aufgabe braucht einen langen Atem, politische Beständigkeit, finanzielle Spielräume, instrumentelle Unterstützung, personelle Kompetenzen und nicht zuletzt innovative Bauherren.“
Hintergrund und weitere Informationen:
Grundlage der Studie ist eine repräsentative schriftliche Kommunalbefragung aller Städte ab 20.000 Einwohner sowie eine Stichprobe von Städten zwischen 10.000 und 20.000 Einwohnern. Darüber hinaus wurden die Erkenntnisse aus 16 genauer untersuchten Fallstudienstädten einbezogen: Aachen, Bielefeld, Dachau, Dresden, Frankfurt am Main, Kaufbeuren, Köln, Kriftel, Landau in der Pfalz, Leopoldshöhe, Marburg, Oranienburg, Pirna, Überlingen, Ulm, Würzburg. Die Studie ist Teil einer umfassenden Betrachtung des Baugeschehens vor dem Hintergrund der wohnungspolitischen Ziele der Bundesregierung. Verzahnt mit der Baulandkommission sowie dem Bündnis bezahlbarer Wohnraum des BMWSB beleuchten weitere Untersuchungen des BBSR die unterschiedlichen Aufgabenfelder des Wohnungsneubaus. Darunter fallen die Erhebung der Bauland- und Innenentwicklungspotenziale in deutschen Städten und Gemeinden (2022), die Untersuchung neuer Stadtquartiere (2021), der Fachdialog Erbbaurecht (2019), die Handreichung zu neuen Instrumenten der Baulandmobilisierung (2023) sowie die Arbeitshilfe zur Anwendung von Baugeboten.