Als der Krieg nach Rondo kam

VON MARIE-LOUISE LICHTENBERG

Am 24. Februar 2022 griff Russland die Ukraine an und seitdem herrscht ein brutaler Krieg gegen die Menschen in dem Land. Und es ist kein Ende in Sicht. Deutschland und viele andere Länder helfen der Ukraine und ihrer Bevölkerung humanitär, mit Rüstungsgütern und Geld. 

Die Angst vor weiterer Eskalation ist nicht unbegründet.
Seit Ausbruch des Krieges sind mehr als 1 Million Menschen aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet. Davon allein etwa 356.000 Kinder und Jugendliche. Rund 204.000 davon besuchen eine deutsche Schule. Und auch in den Kindertagesstätten haben zahlreiche Kinder einen Platz bekommen. (Quelle: Bundesinnenministerium auf Anfrage des Mediendienstes, Stand 12. Februar 2023)

Daraus ergibt sich automatisch, dass auch die deutschen Kinder und Jugendlichen mit den Erzählungen und Begegnungen der ukrainischen Gleichaltrigen konfrontiert werden. Dazu kommen die fast täglichen Berichte und Bilder aus dem Kriegsgebiet in der Ukraine.

Wie gehen wir damit um? Was können wir den Kindern zumuten oder abverlangen? Da können Bücher sehr hilfreich sein und Gespräche auch schon mit den Jüngeren erleichtern.

Aus diesem Anlass stelle ich heute das Buch von Romana Romanyschyn und Andrij Lessiw Als der Krieg nach Rondo kam vor. 

Im Interview erzählen sie, wie es dazu kam und was sie bewegt. Romana: „Wir hatten eigentlich nie geplant, ein Bilderbuch für Kinder über den Krieg zu machen, aber die Realität in unserem Land hat die Dinge verändert. Alles begann mit der Revolution der Würde Ende 2013, gefolgt von der Annexion der Krim im März 2014 und dem militärischen Konflikt in der Ostukraine. Der Krieg hatte begonnen. (…) Wir konnten nicht ruhig bleiben und mussten irgendwie reagieren. Oft wissen Eltern nicht, wie sie ihren Kindern erklären sollen, was Krieg ist und warum er zu ihnen nach Hause gekommen ist. …“ Andrij: „Wir sollten ehrlich zu Kindern sein und sie nicht belügen, indem wir sagen, dass nach Kriegsende alles wieder so wird, wie es vorher war. Krieg hinterlässt Narben; es verändert jeden, körperlich und geistig. Die Bevölkerung von Rondo muss diese schmerzhafte Erfahrung durchleben. Aber sie wird dadurch stärker. (…) Das Buch handelt nicht vom Krieg in der Ukraine; es geht um Krieg als Volkskrankheit der Welt. Es sagt Kindern, wie wichtig es ist, keine Angst zu haben, stark zu bleiben, mit Freunden und deinem eigenen Volk zusammenzubleiben und die Hoffnung zu bewahren.“ (Quelle: Mit freundlicher Genehmigung des Gerstenberg Verlages, 20. Februar 2023).

Rondo ist eine besondere Stadt und berühmt für sein Gewächshaus und seine Blumen, die sogar singen können. Mozarts Rondo in gesungener Form ist bei den Konzerten jedes Mal ein Höhepunkt. Die drei Hauptpersonen sind Danko, dessen Körper zerbrechlich und durchscheinend ist, Fabian, der kleine Hund, der aus Luftballons geformt und federleicht ist und Sirka, ist ein Vogel aus Papier. Die drei Freunde lieben ihre Stadt über alles, denn ihre Bewohner sprechen mit Pflanzen und Vögeln, singen, malen und schreiben Gedichte.

An einem ganz normalen Tag in Rondo kommt der Krieg in die Stadt. Die hellen Farben verschwinden und machen der Dunkelheit Platz. Der Krieg ist schwarz und bedrohlich, donnernd rollt er durch die Stadt, bringt Zerstörung und Chaos. Niemand wird verschont. Die drei Freunde stellen sich dem Krieg in den Weg und bitten ihn, wieder zu gehen. Aber der Krieg macht einfach weiter. Danko wird von einem Stein in der Brust getroffen und sein Körper ist mit Rissen überzogen. Fabians Fuß wird von einer schwarzen Blume durchbohrt. Die umherfliegenden Feuerfunken verbrennen Sirkas Flügel. Keiner wird vom Krieg verschont. 

Die Freunde geben jedoch nicht auf. Dankos Idee, mit Licht die Dunkelheit und so den Krieg zu vertreiben, gefällt auch den Bewohnern von Rondo. Alle bauen an der Lichtmaschine mit und als sie anspringt, fällt strahlendes Licht in die Straßen. Der Krieg erstarrt und schrumpft immer weiter und die Dunkelheit und die schwarzen Blumen verschwinden. 

Die Bewohner bauen Rondo wieder auf, aber es ist nicht alles heil. Dankos Risse auf seinem Körper und die verkohlten Papierflügel von Sirka bleiben. Fabian kann nicht mehr richtig gehen, seit die schwarze Blume seinen Fuß durchbohrt hat. Überall in der Stadt wachsen seitdem rote Mohnblumen, früher blühten sie in vielen Farben. Sie warnen, denn der Krieg kann jederzeit wiederkommen.

Ich empfehle das Buch allen, die mit Kindern zu tun haben, weil es viele Anlässe bietet, mit ihnen über das Thema Krieg zu sprechen. Durch die Farbgestaltung von hell, bunt und freundlich in Friedenszeiten bis hin zu dunkel, schwarz und übermächtig in Kriegszeiten können sie sich emotional leichter damit auseinandersetzen und die Situation der Protagonisten Danko, Fabian und Sirka nachvollziehen. Die Geschichte zeigt, dass Zusammenhalt und Freundschaft in schweren Zeiten helfen können. Und, dass man die Hoffnung nie aufgeben soll. 
Auch für Erwachsene jeden Alters sind Freundschaft, Zusammenhalt und Hoffnung unverzichtbar. Jeder kann etwas tun, auch in einer scheinbar ausweglosen Situation. Und das macht Mut!

Romana Romanyschyn, Andrij Lessiw • Als der Krieg nach Rondo kam. Aus dem Ukrainischen von Claudia Dathe und Oksana Semenets • 40 Seiten, durchgehend farbig • Gerstenberg Verlag 2022 • Die Originalausgabe erschien erstmals 2015 in der Ukraine • ab 5 Jahren • 16,00 €

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.