Einwurf – Gedanken zur WM in Katar

VON STEFAN WIERSBIN

Eigentlich wollte ich mich zur Fußball–WM in Katar nicht äußern, denn Fußball interessiert mich nicht die Bohne. Hinzu kommt, dass die Weltmeisterschaft in einem Land stattfindet, das ein völlig anders Verständnis von Menschenrechten hat als wir in Deutschland.

Aber jetzt die schockierenden Worte des WM-Botschafters von Katar, der Homosexualität als geistige Krankheit bezeichnet. – Katar ist eines der Länder auf der Erde, in dem Homosexualität immer noch unter Strafe steht und mit langen Gefängnisstrafen belegt ist. Ein Land, das wirtschaftlich erst seit kurzer Zeit in der Moderne angekommen ist. – Die gesellschaftliche Entwicklung hat nicht mit der wirtschaftlichen Entwicklung Schritt gehalten.

Bei aller berechtigten Kritik an Katar sollte nicht vergessen werden, dass die deutsche Gesellschaft auch lange gebraucht hat, Homosexualität zu tolerieren und straffrei zu machen. – Geschweige von der „Ehe für Alle“, also dem Recht von homosexuellen Paaren, die Ehe einzugehen (mit den gleichen Rechten und Pflichten wie heterosexuelle Paare), die kam erst 2017. – Und es zeigt sich auch in unserer Gesellschaft, dass ich, dass die Queere Community, immer wieder für unsere Rechte und gegen Diskriminierung kämpfen müssen. – Zumal wir im Bundestag eine Partei, die AFD, sitzen haben, die klar eine homophobe Politik befürwortet.

Auch sei daran erinnert, dass die Weltgesundheitsorganisation, WHO, erst 1991 Homosexualität und Transgeschlechtlichkeit aus dem Katalog der psychischen Krankheiten (ICD) gestrichen hat.

Frauenrechte waren bei uns nicht selbstverständlich und mussten erkämpft werden. So durften Frauen bis 1958 nicht ohne Zustimmung des Ehemanns einen Führerschein machen; durften bis 1977 nicht ohne Zustimmung des Ehemanns eine Arbeit aufnehmen. Erst mit der Reform für Ehe und Familienrecht 1977 können Ehemänner das Arbeitsverhältnis nicht mehr einfach kündigen. Noch viel später kam das Recht auf körperliche Unversehrtheit der Frau. Erst seit 1997 ist Vergewaltigung in der Ehe eine Straftat.

Damit will ich gewiss nicht die Haltung der katarischen Gesellschaft/Regierung entschuldigen, aber das gehört zur Wahrheit dazu, wenn wir Katar kritisieren. Und, nein, weder werde ich mir die Fußball-WM anschauen, noch würde ich nach Katar reisen, um die WM-Spiele im Stadion zu sehen.

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