VON WALTER SCHUBERT
Na, haben Sie auch schon ein komisches Gefühl? So ein unbestimmtes Gefühl, da könnte etwas auf uns zukommen? Etwas, das unsere bisherige Lebensweise stört oder sogar verändert?
Bereits Corona hat ja einiges gezeigt, das wir so gar nicht auf dem Schirm hatten. Wir haben gelernt, dass die meisten Medikamente gar nicht bei uns produziert werden. Wir haben erlebt, dass man nicht jeden Tag im Stau stehen muss, um zur Arbeit zu fahren. Bei vielen ging es im Home-Office. Die Natur hat gestaunt und durchgeatmet, als die Flieger am Boden blieben und die Kreuzfahrtschiffe nicht mehr stinkend unterwegs waren. Und wir haben auch erlebt, dass unsere Entscheidungselite komplett überfordert war. Diese Pandemie wäre eine Riesenchance, alles zu überdenken, vieles zu ändern und endlich richtig zu machen. Aber Chancen müssen ja nicht zwingend genutzt werden…
Jetzt gibt es noch einen drauf. Der Krieg in der Ukraine steht vor der Tür und jetzt wird es eng. Klar war bekannt, dass Gas, Öl und Kohle aus Russland kam. Dass wir uns so abhängig gemacht hatten, war dann doch neu. Erstaunt stellen wir fest, wie viele Dinge aus der Ukraine kommen. War das nicht so ein komisches Land hinter Polen? Nicht so ganz russisch, aber eigentlich schon ein bisschen. Auf jeden Fall konnte man dort gut und vor allem preiswert produzieren lassen. Und ganz viel Getreide und Dünger kommt aus dieser Ecke. Honig soll im Herbst eng werden und bald gibt es auch keine Eier mehr – von wegen dem Futter. Alles hängt eben mit allem zusammen.
Und da es jetzt wohl gerade mit der Energie knapp wird oder werden könnte oder schon ist (wer weiß es genau?), saust ein grüner Minister von einem Diktator zum nächsten Menschenschänder und weiter zu einem Kriegsverbrecher. Hier gibt es ein Eimerchen Öl und dort ein Tütchen Gas. Wunderbar – wir sind vor nix fies. Und warum? Um genauso weiter machen zu können wie bisher. Um den ganzen überflüssigen Mist genau so weiter zu produzieren wie bisher. Nein, am liebsten noch etwas mehr. Wir brauchen ja Wachstum, jedes Jahr mehr, das Märchen vom ewigen Wachstum. Eine geniale Idee. Ein ganz Kluger hat neulich mal errechnet, dass wir, wenn es mit der Energie knapp wird, möglicherweise nur noch 50% der Artikel im Supermarkt finden würden. Das würde uns ganz hart treffen. Nur noch 20 Sorten Marmelade, nur noch 18 Sorten Yoghurt und nur noch die Hälfte der Süßwaren. Panik, Aufstand, ein FDP-Bürgerbegehren, Regierungssturz – die Folgen wären unbeschreiblich. Das muss verhindert werden – zur Not auch mit Fracking-Gas.
Blöd ist ja, dass die Sache mit der Umwelt, mit der Erderwärmung irgendwie unter die Räder gekommen ist. Wäre es denn nicht genau jetzt die Gelegenheit, da etwas zu tun? Müssten denn nicht genau jetzt im 3-Schichtbetrieb Gräben von Nord nach Süd gebuddelt werden für Strom-Trassen? Müssten nicht im 3-Schichtbetrieb Windräder und Solarmodule gebaut werden? (Dafür könnte die sinnfreie Produktion von SUV’s eingestellt werden). Müsste nicht jedes Dach und jeder Balkon damit ausgerüstet werden? Wäre denn nicht genau jetzt die Zeit für ein Tempolimit? Könnte man nicht einen Zulassungsstopp für alle Fahrzeuge einführen, die (im ersten Schritt) über acht Liter verbrauchen? Eine Besteuerung des Flugbenzins ist ja schon lange überfällig. Eine Pflicht zum Home-Office wäre auch hilfreich. Die Aufzählung ist endlos.
Nein, auch in dieser wirklich ganz ernsten Situation wird nichts passieren, also nicht so richtig und vor allem nicht so viel und schon gar nicht schnell. In dieser Woche haben wir gelernt, dass ein Tempolimit gar nicht umsetzbar ist. Es geht gar nicht, also so technisch nicht machbar. Der Verkehrsminister der Fröhlichen Deppen Partei weist darauf hin, dass es nicht genügend Tempo-100-Schilder gäbe. Ja dann kann man da wohl auch nichts machen. Und so wird sich auch für alles andere etwas finden, warum es nicht geht.
Ich verstehe Sie, Herr Schubert.
Die Welt ist so ungerecht. Warum haben nicht alle die gleichen Ideen wie Sie. – Das wäre was, oder? Wir könnten uns die ermüdenden Diskussionen sparen. Wir hätten den Himmel auf Erden.
Aber ach ja, ich vergaß, da sind ja die Freunde von der – wie nennen Sie es – Fröhlichen Deppen Partei.
Ich finde die von Ihnen erwähnten Änderungswünsche sehr bedenkenswert. Wenn sich Mehrheiten in unserem Land für derartige Änderungen finden, wird es sicher auch die eine und andere Korrektur geben. Das ist dann für einige eine bittere Pille; andere werden sich darüber freuen. So funktioniert Demokratie.
Die Art, wie Sie diese Änderungen im Galopp erzwingen wollen, finde ich indes unschön. Und ich kann auch nicht verstehen, warum Andersdenkende in ihren Augen sofort „Deppen“ sind.
Ich muss meine Freunde der FDP nicht verteidigen; bin ja bekannter weise selbst auch kein Mitglied mehr; aber es wäre doch schön, wenn wir (Sie) Sachthemen anhand von Fakten und nach Möglichkeit in Vermeidung hochkochender Emotionen diskutieren und entscheiden.
Es kann doch sein Herr Schubert, dass Menschen für ihr Leben auf diesem Planet Erde ihre Schwerpunkte anders setzen. Es kann doch sein, dass es Menschen gibt, die die Freiheit des Einzelnen stärker betonen als sie es vielleicht für gut befinden. Es kann doch sein, dass es Mitmenschen und Freunde gibt, die die von ihnen gerne gebrauchten Worte: „Limit – Stopp – Pflicht – Verbot“ nicht so wertschätzen.
Sind das deshalb alles Deppen, Herr Schubert? Es ist kein gutes Zeichen für die Kultiviertheit unserer Zeit, wenn wir Verrohung der Sprache und schlechten Umgangston akzeptieren.
Beste Grüße von einem Freund ihrer früheren Zeitungsbeiträge
Horst Walter Schenk
Hallo Herr Schenk, nimmt man nur die erwähnte Stellungnahme des FDP-Verkehrsministers zum Tempolimit ist doch meine Abkürzung, die mir spontan einfiel, noch recht wohlwollend. Der Mann möchte doch als Politiker und als Minister ernst genommen werden. Er macht es uns nicht einfach…