VON ANGIE FROWEIN
Angie Frowein hat von ihrer Supermarktbegegnung in ihrem Blog erzählt und uns erlaubt den Beitrag zu übernehmen:
Heute war ich mal wieder im Supermarkt einkaufen. So ganz ohne Maske. Es gab Mehl – aber ich brauchte grad keins, also ließ ich es links liegen und vertraute, dass ich auch weiterhin versorgt bleiben würde.
Ich ging an den vollen Regalen vorbei.
„Was ein Überfluss“, bemerkte ich still bei mir.
Um mich herum trugen alle Maske und ich fühlte mich irgendwie fehl am Platz. So als würde ich gerade etwas sehr sehr schlimmes tun. 2 Jahre Maskentragen hinterlässt also Spuren und, wenn es nur ein ungutes Gefühl ist. Ich wollte es einfach mal aushalten.
Nachdem ich vor kurzem noch mit Corona infiziert und in Quarantäne saß, wollte ich auch hier wieder nicht Angst meinen Ratgeber sein lassen. Ich wollte einfach frei atmen und die letzten Sachen einkaufen, die auf der Liste standen.
Ich schlenderte gerade so an der Kühltheke vorbei als ich zwei Frauen, die wohl so in meinem Alter waren, miteinander schwatzen hörte. Ich lächelte, einfach weil heute ein guter Tag war, einfach weil ich immer wieder feststellen konnte, wie gut es mir ging. Ich kam gerade von der Arbeit und hatte auch das genossen: Dieses „Aufgaben erledigen“ und mit Menschen zusammen sein. Geschafft hatte ich mal wieder nicht alles. Aber es gab ja noch mehr Tage zum Erledigen all meiner Aufgaben.
Die beiden Frauen an der Kühltheke erwiderten mein Lächeln und sprachen mich an.
Ich verstand kein Wort.
Es war eine fremde Sprache, die ich nicht so ganz zuordnen konnte.
Ich schüttelte etwas hilflos den Kopf:“ Sorry, I don´t understand you.“
Die beiden Frauen lachten. „Oh, oh…Sorry.
Ich sah wohl wie eine Landsfrau von ihnen aus. Ich mit meinem blonden Haar – so wie sie. Mit meiner westlichen Kleidung – so wie sie.
Ich gab aber noch nicht ganz auf.
„Where are you from,“ fragte ich weiter.
„Ukraine!“ Antwortete die eine.
„Welcome to Germany,“ brachte ich nur hervor. In Gedanken schlug ich mir mal gekonnt vor die Stirn. Was anderes als „Welcome“ hätte mir ja schon einfallen können, irgendwas innstiftendes. Dieses „Welcome“ schien so abgedroschen.
Wir versuchten weiter miteinander zu reden. Aber leider klappte die Verständigung auch in englischer Sprache nicht.
Mit dem Smartphoneübersetzer fand ich heraus, dass eine auf die Toilette musste. Aber nun gut. In diesem Laden gab es keine Kundentoilette, wie ein Angestellter uns sagte. Und nun ja, wir waren in Dabringhausen und da gab es im Umkreis auch keine.
„Sorry!“ Meinte ich nur wieder zu ihnen. Und das meinte ich auch ziemlich ernst. Wie blöd ist es, wenn man in einem Lebensmittelladen steht und eigentlich auf die Toilette muss. Das kenn ich ja von mir selber. Das ist unangenehm.
Ich fragte weiter, wo sie herkämen?
Sie antworteten mir, wo sie hier in Deutschland untergekommen waren.
Gute Kommunikation sieht wohl anders aus. Aber eigentlich war es auch egal. Denn sie musste auf die Toilette und wir standen im Supermarkt. Aber leider konnte ich nicht helfen und so shoppten wir alle weiter.
Als ich eingekauft, bezahlt und auf dem Parkplatz angekommen war und meine Einkäufe ins Auto geladen hatte, sah ich wie beide Frauen Richtung Hauptstraße verschwanden und stieg selbst in mein Auto ein.
Als ich zur Hauptstraße fuhr, bemerkte ich beide erneut – an der Bushaltestelle. Naja, was vielleicht noch blöder ist als in einem Supermarkt auf die Toilette zu müssen, ist es in Dabringhausen an der Bushaltestelle zu sitzen und auf den Bus zu warten, während man mal dringend aufs Klo muss…. Naja, es ist halt auch Dabringhausen. Hier bin ich aufgewachsen und ich weiss definitiv, dass die Busse hier nicht im 10 Minutentakt kommen. Also hielt ich an und bot an, sie mitsamt den Einkäufen nach Hause zu fahren.
Das war kein Ding für mich. Ich hatte Zeit, meine Kinder waren bei Oma und es lag auch noch auf meinem Weg.
Beide freuten sich, wir verstauten die Einkaufstüten im Kofferraum und fuhren los. Auf dem kurzen Weg zu ihrer Unterkunft versuchten wir uns erneut zu unterhalten. Tja, wir sind halt Frauen – Worte gehen immer irgendwie. Ich stellte eine Frage und bekam eine Antwort, die nicht auf meine Frage passte. Irgendwie fand ich heraus, dass beide Kinder hatten, die in dem Alter meiner eigenen Kinder waren. Schon das verbindet uns Frauen….
Als wir schon auf den Parkplatz vor ihrer Unterkunft ankamen, fragte ich noch mal, wo sie denn in der Ukraine eigentlich lebten. Wieder verstanden wir uns nicht.
Dann nannte ich einige Städte, die ich ja nun Dank der Nachrichten (und nicht wegen meinem überragendem geografischen Wissen) kannte:
Kiew? Odessa?
„Kiew!“ Meinte die eine und war froh, dass wir uns wieder verstanden.
Die andere Frau, die hinten saß, beugte sich vor und meinte nur: „Butscha!“
Schon allein bei diesem Ortsnamen lief mir kurz kalt den Rücken runter. All dieses Leid, was sich mit dem Namen dieses Ortes verband kroch geradewegs in mein Herz. Butscha, eine Kleinstadt (vielleicht) mit Herz wie Wermelskirchen. Butscha mit seinen 35.500 Einwohnern und Wermelskirchen mit seinen 34.500. Vielleicht war es besonders, vielleicht hatte es mal Charme und Leben und Feste. Momentan war es nur ein Synonym für unfassbare Kriegsverbrechen
„Oh, I am so sorry!“ – stammelte ich nur.
Ich kam mir wieder etwas fehl am Platz vor. Ach wie gerne würde ich mich mit ihnen unterhalten können.
„Yes, it is so bad,“ meinte die Frau nur. Sie versuchte noch zu erklären, dass ihr Bruder bei der Army war. Weiter konnten wir nicht sprechen. Weiter reichten unsere Worte nicht. Ich wollte auch nicht mehr fragen. Es schien mir unangebracht. Und so sagte ich nur wieder: „I am sorry!“
Angekommen half ich ihnen die Einkäufe aus dem Auto zu laden. Sie bedankten sich überschwänglich und herzlich und gingen.
Ich hatte noch nicht mal nach ihren Namen gefragt.
„Vielleicht können wir den großen Lauf der Welt nicht ändern,
Doch tun wir es doch wo wir grad sind.
Wir können gute Worte sprechen,
Lieben und den anderen tragen!“
–manchmal–
Manchmal, wenn ich selbst das Gefühl habe, dass ich gar nicht so viel tun kann, wie es andere gerade machen, bete ich immer:
Gott gib mir doch Möglichkeit. Lass mich doch einfach für jemand anderen ein Segen sein. Ich weiss grad nicht wie, aber mach du doch bitte!
Es hat mich nichts gekostet, was ich heute tat.
Viele Menschen um mich herum leisten gerade so viel unglaubliches und ich ziehe meinen Hut davor. Ich möchte aufmerksam bleiben und da in dem Moment präsent sein, wo ich es kann.
Vielleicht indem ich jemanden willkommen heisse, den Weg zur Toilette nach Hause was verkürze oder einfach nur trotz fehlender Worte sage:
I am sorry, es tut mir leid!
Danke für den Text!!
Es sind die klitzekleinen Dinge jeden Tag von Vielen, die die Welt ein wenig besser machen – nicht die eine große Heldentat. Es braucht keine Helden. Es braucht dich und mich, jeden Tag ♡