Mit 39.676 Neuinfektionen meldet das Robert-Koch-Institut den bislang höchsten Tageswert seit Beginn der Pandemie. Am Mittwoch vor einer Woche wurden 20.398 neue Fälle gemeldet. Die Sieben-Tage-Inzidenz steigt deutlich auf 232,1 von 213,7 am Vortag. 236 weitere Menschen starben im Zusammenhang mit dem Virus. Vor einer Woche waren es 194 Todesfälle. Die Ansteckungsrate (7-Tage-R-Wert) wird vom Robert-Koch-Institut (RKI) mit 1,07 angegeben (Vortag: 1,13). Laut DIVI-Intensivregister werden in Deutschland derzeit 2687 Covid-19-Patienten intensivmedizinisch behandelt, 1373 davon werden invasiv beatmet. Rund 3270 Intensivbetten sind in den deutschen Kliniken derzeit noch frei, was einem Anteil an allen Intensivbetten von 13,1 Prozent entspricht.
Die Berliner Charité-Universitätsmedizin sagt seit Dienstag alle planbaren Eingriffe ab. Die steigende Zahl von Covid-19-Patientinnen und Patienten mache diesen Schritt nötig, teilte ein Sprecher mit. Ziel sei es, Mitarbeiter wieder vermehrt auf Covid-19-Stationen einzusetzen. Notfälle werden demnach aber weiter behandelt und auch dringliche Eingriffe würden vorgenommen. Dem Sprecher zufolge werden derzeit mehr als 120 an Corona erkrankte Patienten in der Charité behandelt. Wie viele von ihnen auf Intensivstationen liegen, gab die Einrichtung nicht bekannt. Die Charité behandelt häufig die besonders schweren Fälle. Sie hat im Laufe der Pandemie bereits mehrfach ein Notprogramm gefahren, um die Zahl der Covid-19-Patienten zu bewältigen. Nach den Intensivmedizinern schlagen auch Anästhesisten-Verbände Alarm, weil die rapide zunehmenden Corona-Infektionen die medizinische Versorgung der Bevölkerung zu gefährden drohen.Es gehe inzwischen nicht mehr allein um Engpässe bei der Versorgung der Covid-19-Patienten in den Kliniken. Mit größter Sorge betrachte man die aktuellen und mittelfristigen Auswirkungen für die Gesamtbevölkerung, zum Beispiel bei Herzinfarkten, schweren Verletzungen oder Krebserkrankungen, die nicht mehr ausreichend behandelt werden könnten, schreiben der Berufsverband Deutscher Anästhesisten und die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin in einem offenen Brief an die Gesundheitsminister von Bund und Ländern. Der Intensivmediziner Christian Karagiannidis rechnet wegen der sich zuspitzenden Corona-Lage damit, dass zunehmend Krankenhäuser wieder den Regelbetrieb einschränken. “Wir werden kaum darum herumkommen”, sagte der wissenschaftlicher Leiter des Intensivregisters der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) in den ARD-“Tagesthemen”. Er bezieht das besonders auf stark betroffene Bundesländer wie Bayern, Sachsen und Thüringen. Eine Einschränkung des Regelbetriebs bedeute, “dass wir Operationen, die man verschieben kann, weil es nicht lebensbedrohlich ist oder weil es keine Tumorerkrankungen sind, dann auch wirklich verschieben und das Personal innerhalb des Krankenhauses wieder umschichten”, so Karagiannidis.
Bei der Sieben-Tage-Inzidenz zeigt sich weiterhin ein deutliches Gefälle zwischen den Bundesländern im Nordwesten und denen im Südosten des Landes. Die niedrigste Inzidenz verzeichnet derzeit Schleswig-Holstein (82,2), der höchste Wert wird in Sachsen registriert (459,4). Unter der 100er-Marke liegt neben Schleswig-Holstein nur noch Bremen. Unter den zehn Landkreisen mit den höchsten Sieben-Tage-Inzidenzen liegen die ersten neun Kreise in Bayern. Den Spitzenwert verzeichnet derzeit Rottal-Inn mit einer Inzidenz von 1104,3.
Das Seniorenheim in Schorfheide am Werbellinsee hat noch immer mit den Folgen des Corona-Ausbruchs zu kämpfen. Vier weitere Bewohnerinnen und Bewohner sind inzwischen nach einer Covid-19-Erkrankung gestorben, wie der Landkreis Barnim bestätigt. Damit steigt die Zahl auf insgesamt 16 Tote. Die nun Verstorbenen seien zwei Frauen im Alter von 63 und 90 Jahren sowie zwei 81 und 98 Jahre alte Männer. Zwölf Mitarbeitende befinden sich nach wie vor in häuslicher Quarantäne. Das Personal des Heims in Brandenburg wird nach Angaben des Trägers seit dem Ausbruch täglich getestet. Die Impfquote der Mitarbeitenden liegt nach Kreis-Angaben bei 50 Prozent.
Christian Drosten hat drastische Zahlen für die Winterwelle prognostiziert: Wird die Impfquote nicht erhöht, müsse Deutschland mit zusätzlichen „100.000 Toten rechnen”, sagte der Virologe der Berliner Charité im Podcast „Das Coronavirus-Update“ von NDR Info. Es gebe nur einen Weg, die Corona-Lage zu entschärfen, ohne viele Tote in Kauf nehmen zu müssen: “Die Antwort ist mehr als einfach: Wir müssen die Impflücken schließen.” Andere Maßnahmen, wie kostenlose Tests oder eine 3G-Regelung, würden vermutlich angesichts der Delta-Variante nicht mehr ausreichen, um die Welle zu brechen. Eine bundesweite Einführung der 2G-Regel ist nach Einschätzung von Karl Lauterbach die einzige realistische Möglichkeit, die vierte Welle zu brechen. “Wir brauchen entweder einen Lockdown oder eine 2G-Regel, und einen Lockdown wird es nicht mehr geben”, sagt der SPD-Gesundheitspolitiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Der deutschlandweite Wegfall von Einschränkungen für Geimpfte und Genesene sei im Bund jedoch ohne die Länder nicht durchzusetzen. “Ich rate daher jeder Landesregierung zur Einführung von 2G. Die Voraussetzungen sind da.” Linksfraktionschef Dietmar Bartsch fordert bundesweite Einschränkungen für Ungeimpfte, die nicht als genesen gelten. “Es geht um eine Güterabwägung und um die Frage, was ist der größere Grundrechtseingriff: Ein erneuter Lockdown mit katastrophalen Folgen, insbesondere für Kinder und Familien, oder ein bundesweit geltendes 2G-Modell”, so Bartsch. Die Corona-Lage sei wieder außer Kontrolle. Bei der Grundfrage der Pandemiebekämpfung dürfe es keinen Flickenteppich und keine falsche Rücksichtnahmen geben. Beim 2G-Modell haben nur Geimpfte oder Genesene Zugang zu bestimmten Einrichtungen oder Veranstaltungen. Bei einer 3G-Regel dürfen zusätzlich auch negativ Getestete rein. Angesichts steigender Corona-Zahlen mahnt Epidemiologe Hajo Zeeb zu mehr Vorsicht. “Es ist dringend nötig, dass wir vom Entspannungsmodus in den Ernsthaftigkeitsmodus zurückkehren, leider auch alle Geimpften”, erklärte der Experte vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie in Bremen. Da auch Geimpfte und Genesene sich infizieren könnten, dürfte aus seiner Sicht “2G plus Test” Standard werden über den Winter. Das würde bedeuten, dass nur Geimpfte und Genesene Zutritt zu bestimmten Orten haben und zusätzlich getestet sein müssen. Allen müsse klar werden: “Die Impfung wirkt gut gegen schwere Verläufe, aber eben deutlich weniger und mit Abstand vom Impftermin abnehmend gegen Infektionen”, meint Zeeb. Regelmäßiges Testen vor allem im beruflichen Umfeld und in Schulen sollte aus Zeebs Sicht am besten wieder Pflicht werden. Der Anteil positiv ausgefallener Corona-Tests in Deutschland erhöht sich deutlich. Die sogenannte Positivrate sei vergangene Woche von 12,4 auf 16,2 Prozent gestiegen, teilt der Verband Akkreditierte Labore in der Medizin (ALM) unter Bezug auf Meldungen von 179 Laboren mit. “Das Infektionsgeschehen in Deutschland nimmt drastisch zu”, heißt es. Niedrige Raten bedeuten laut Robert-Koch-Institut (RKI), dass sehr sensitiv getestet werde und auch Personen mit leichten Symptomen erfasst würden. Je höher die Rate, desto höher vermutlich die Dunkelziffer nicht erfasster Infektionen. Die Gesamtzahl an Tests stieg laut ALM im Wochenvergleich nur leicht, auf rund 1,1 Millionen.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder tritt im Kampf gegen die Corona-Pandemie dafür ein, dass wegen nachlassender Wirkung der Impfstoffe der Geimpften-Status nach neun Monaten verfällt. “Man sollte sich überlegen, ob nach neun Monaten fast automatisch ein Geimpften-Status nicht mehr gelten kann”, sagt der CSU-Politiker. Es müsse geprüft werden, ob der 2G-Status dann noch erhalten werden kann. Er forderte die Ständige Impfkommission auf, dazu eine Meinung zu entwickeln. In Nachbarländern wie Österreich werde nach dieser Praxis verfahren. Das Impftempo in Deutschland zieht weiter an. Mit durchschnittlich 182.447 verimpften Dosen pro Tag kommt es aber über das Niveau von Anfang März (189.132) nicht hinaus. Treibende Kraft bleiben die Auffrischungsimpfungen. Hier nahm der Wochenschnitt mit dem gestrigen Montag erstmals die Marke von 100.000 täglich verabreichten Impfdosen. Doch die für das Schließen der Impflücke maßgeblichen Erstimpfungen werden momentan im Schnitt nur 33.230 Mal am Tag verabreicht. Der geschäftsführende Kanzleramtschef, Helge Braun, pocht auf eine starke Beschleunigung der Corona-Booster-Impfungen. “Wenn es nach mir geht, müssen wir bis Weihnachten rund 20 Millionen Auffrischimpfungen erreichen”, sagt der CDU-Politiker in der ARD. Dafür brauche es eine organisatorische Abstimmung zwischen Bund und Ländern. Braun pocht auf eine Bund-Länder-Spitzenrunde.
Der Antisemitismus in Europa, insbesondere im Internet, nimmt während der Corona-Pandemie zu. Das ist das Ergebnis des Antisemitismus-Jahresberichts der Europäischen Agentur für Grundrechte. “Neue antisemitische Mythen und Verschwörungstheorien, welche die Juden für die Pandemie verantwortlich machen, sind in den Vordergrund getreten”, heißt es darin. Zugleich erschwere jedoch ein Mangel an zuverlässigen Daten die Bekämpfung des Problems. Der Bericht stützt sich auf eine Auswertung offizieller Daten der EU-Mitgliedstaaten sowie Daten von zivilgesellschaftlichen Organisationen. Der US-Pharmakonzern Moderna hat bei der Europäischen Union die Zulassung seines Impfstoffs für Sechs- bis Elfjährige beantragt. Zurzeit ist EU-weit kein Coronaimpfstoff in dieser Altersklasse zugelassen. Seit Juli dürfen in der EU Kinder und Jugendliche zwischen zwölf und 17 Jahren mit dem Vakzin von Moderna geimpft werden. In Griechenland erreicht die Zahl der Corona-Infektionen einen neuen Höchststand. Zuletzt wurden 8613 Neuinfektionen registriert, vor zwei Wochen hatte die Zahl der täglichen Neuansteckungen noch halb so hoch gelegen, melden die Gesundheitsbehörden. Besonders schwer von dem derzeitigen Anstieg bei den Infektionsfällen betroffen ist der Norden Griechenlands. Dort ist die Impfquote geringer als im restlichen Teil des Landes. 61,2 Prozent der Griechen haben zwei Corona-Impfdosen erhalten. Dem Gesundheitsministerium zufolge ist die Nachfrage nach Erstimpfungen in den vergangenen Tagen stark gestiegen. Dänemark führt wieder Corona-Maßnahmen ein, das dänische Parlament hat der Regierung am Abend grünes Licht gegeben. Der zuständige Ausschuss beschloss, dass Covid-19 wieder als “gesellschaftskritische Krankheit” bezeichnet werden kann – zunächst für einen Monat. Damit ist die Regierung bevollmächtigt, Maßnahmen zu beschließen, die die Verbreitung des Virus bremsen sollen, ohne vom gesamten Parlament die Zustimmung einholen zu müssen. Es reicht, wenn der Ausschuss dies absegnet. Wirtschaftsminister Simon Kollerup kündigte an, dass von Freitag an wieder der Coronapass vorgezeigt werden müsse, wenn man Restaurant, Diskos oder größere Veranstaltungen besuchen wolle. In Frankreichsollen vom nächsten Monat auch Menschen eine Auffrischungsimpfung gegen das Coronavirus bekommen, die das Alter von 50 Jahren gerade erst erreicht haben. Dies kündigte Präsident Emmanuel Macron in einer Fernsehansprache an. Bislang lag die Altersgrenze bei 65 Jahren. Für Menschen ab 65 wird eine solche Booster-Impfung – bei den meisten Impfstoffen also eine dritte Spritze – Mitte Dezember dann verpflichtend für einen Corona-Pass. Angesichts steigender Corona-Zahlen erhöht Frankreichs Präsident Emmanuel Macron den Druck beim Impfen. Menschen über 65 gelten ab Mitte Dezember nur noch als geimpft, wenn sie eine Booster-Impfung nachweisen können, wie Macron am Dienstagabend in Paris ankündigte. In Frankreich war ebenso wie in anderen europäischen Ländern die Zahl der Neuinfektionen zuletzt stark gestiegen. Das höchste Verfassungsgericht Frankreichs hat die Möglichkeit gekippt, im Kampf gegen das Coronavirus den Impfstatus von Schülern abzufragen. Diese Regel sei eine “unverhältnismäßige Verletzung des Rechts auf Respekt vor dem Privatleben”, urteilte der Staatsrat (franz.: Conseil d’État). Die Nationalversammlung hatte in der vergangenen Woche ein Gesetz verabschiedet, demzufolge Schulleiter sich nach dem Impfstatus von Schülern hätten erkundigen dürfen. Die Opposition hatte den Staatsrat angerufen, um zu klären, ob das Gesetz mit der Verfassung vereinbar sei. Mit einer neuen Schockkampagne will Tschechien Corona-Impfgegner zum Umdenken bewegen. Die Anzeigenaktion startete am Dienstag, wie das Gesundheitsministerium in Prag auf Anfrage bestätigte. Auf einem Bild ist zum Beispiel zu sehen, wie ein toter Mann auf einer Intensivstation in einen blauen Leichensack gelegt wird. Dazu steht der Text: “Er hatte viele Ausreden.” Ein anderes Foto zeigt einen Sarg, daneben der Satz: “Sie hat die Impfung immer wieder hinausgeschoben”. Mitarbeiter des englischen Gesundheitsdiensts NHS mit Patientenkontakt müssen vom kommenden April an vollständig gegen Corona geimpft sein. Das kündigte der britische Gesundheitsminister Sajid Javid in London an. Nach NHS-Angaben sind bisher bis zu 100.000 Beschäftigte ungeimpft. Krankenhäuser in den Niederlandenwarnen vor einer Überlastung. Eine Gruppe von fünf Kliniken in der Provinz Limburg fordert die Regierung zu neuen Schutzmaßnahmen auf, da sie weder Platz noch Personal hätten, um mehr Covid-19-Patienten zu behandeln. “Wir steuern geradewegs auf eine Katastrophe im Gesundheitswesen zu, und das ganze System gerät ins Stocken”, heißt es in einem Brief an Ministerpräsident Mark Rutte. Den anderen Regionen in den Niederlanden dürfte es bald ähnlich gehen. Nötig seien unter anderem sofortige Auffrischungsimpfungen für Ältere und andere gefährdete Personen. Die Infektionszahlen in den Niederlanden nähern sich wieder ihren Höchstwerten des vorigen Winters, obwohl bereits etwa 85 Prozent der Erwachsenen geimpft sind.
Angesichts der Milliarden von Corona-Impfungen weltweit droht nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein Engpass bei Impfspritzen. Im kommenden Jahr könnten ein bis zwei Milliarden Spritzen fehlen, sagt WHO-Spezialistin Lisa Hedman. Betroffen wären dann vor allem ärmere und kleine Länder, die nur kleine Bestellungen aufgeben und deshalb bei den Herstellern keine Priorität hätten. Die WHO ruft Mitgliedsländer deshalb auf, langfristig zu planen und zu ordern, damit Hersteller entsprechend ihre Kapazität erhöhen können. Das brauche sechs Monate Vorlauf.
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