Buchtipps XI – Nominierungen der Jugendjury
VON MARIE-LOUISE LICHTENBERG
Kyrie McCauley • You are (not) safe here • Aus dem Englischen von Uwe-Michael Gutzschhahn • dtv • ISBN 978-3-423-74055-5 • 14,95 € (D), 15,40 € (A) • Ab 14 Jahren
„Wie groß ist dein Mut?“ (S. 13) – Die 17-jährige Leighton stellt sich diese Frage immer wieder. Und sie braucht viel Mut. Ihre Kleinstadt Auburn/Texas hat plötzlich ein Krähenproblem. Die Ereignisse beginnen mit Joe, einer einzelnen Krähe, die nach dem Tod von Leightons Großvater auftaucht. Es werden zehntausende Vögel. Ihre Zahl steigt parallel zur Angst und zur Bedrohung, der Leighton und ihre Schwestern durch den gewalttätigen Vater ausgesetzt sind. Macht, Wut und Abhängigkeiten spinnen ein Netz aus Furcht und Hilflosigkeit, in dem nicht nur die Schwestern, sondern auch die Mutter gefangen ist. Während die Krähen die Bewohner der Stadt in Atem halten, will zunächst niemand die Katastrophe sehen, die sich in Leightons Familie anbahnt.
Leightons Geschichte ist traurig, aber häusliche Gewalt als Thema ist allgegenwärtig und aktuell. Der Roman wird einfühlsam in der Ich-Perspektive erzählt und ermöglicht so eine nachhaltige Verbundenheit mit der Protagonistin. Die ruhige, bedrückende Darstellung ist intensiv und fesselnd. Die Angst begleitet die Lesenden durch das Buch so wie Leighton durch ihr Leben. Die Sprache ist klar und vielschichtig und oft nahezu poetisch. Vieles, was zuerst kaum bedeutsam erscheint, eröffnet am Ende einen ganz neuen Blick auf die Ereignisse und ermöglicht neue Hoffnung. Ein besonderes und beeindruckendes Buch.
George Takei (Text) • Justin Eisinger (Text) • Steven Scott (Text) • Harmony Becker (Zeichnungen) • They called us enemy. Eine Kindheit im Internierungslager • Aus dem Englischen von Christian Langhagen • Cross Cult • ISBN 978-3-96658-039-7 • 25,00 € (D), 25,70 € (A) • Ab 14 Jahren
Eine großartig erzählte und einfühlsam gezeichnete Erzählung über ein dunkles und wenig bekanntes Kapitel der amerikanischen Geschichte. Der Schauspieler George Takei, bekannt durch die Serie Raumschiff Enterprise, berichtet rückblickend über seine Kindheit in den 1940er Jahren in den USA: Nach dem Angriff auf Pearl Harbor werden über Nacht amerikanische Bürger mit japanischer Abstammung zu Feinden des amerikanischen Volkes erklärt und stehen unter Terrorismusverdacht. Sie werden in Internierungslager verschleppt – vier Jahre lang unter unwürdigen Bedingungen, 120.000 Menschen! Takei erzählt mit kindlicher Emphase vom Alltag im Lager, von Konflikten, riskanten Spielen und Abenteuern. Als Kind war er sich der Gefahr der Situation nicht bewusst. Gerade dieser unschuldig naive Blick lässt erkennen: Es handelte sich um rassistisch motivierte Internierung, Unterdrückung und Freiheitsberaubung.
Die behutsamen schwarz-weiß Zeichnungen von Harmony Becker sorgen für emotionalen Abstand, gewähren aber durch die sehr genauen und plastischen Gesichtsausdrücke gleichzeitig einen tiefen Einblick in das Gefühlsleben der Figuren. Das verstärkt die Spannung zwischen der Erzählhaltung und dem Dargestellten. Ein Lehrstück gegen Rassismus.
Die Texte wurden von der Jugendjury erstellt.