Jugendliteraturpreis 2021

Sparte Kinderbuch / Buchtipps VI – Nominierungen der Kritikerjury

VON MARIE-LOUISE LICHTENBERG

Anna Woltz • Haifischzähne • Aus dem Niederländischen von Andrea Kluitmann • Carlsen • ISBN 978-3-551-55515-1 • 10,00 € (D), 10,30 € (A) • Ab 10 Jahren

Zwei Kinder in den Niederlanden begegnen sich auf dem Fahrrad, der Eine ein Ausreißer, die Andere im Rennen gegen das Schicksal. Atlanta will einmal rund um das IJsselmeer fahren – dann werde alles gut, so ihre Überzeugung. Einerseits fällt es ihr schwer, mit der Krebserkrankung ihrer Mutter umzugehen, andererseits fühlt sie sich von ihren Eltern in Watte gepackt und von der Welt unverstanden. Finley dagegen, enttäuscht und verletzt, wünscht seine Mutter zum Teufel und will einfach nur weg. Geradezu widerwillig formieren sie eine Reisegemeinschaft, die sich schnell als Glücksfall erweist und beiden hilft, sich ihren Dämonen zu stellen.

Anna Woltz, bekannt für ihre starken Kinderfiguren, lässt wieder zwei Helden des Alltags aufeinandertreffen, die nur auf den ersten Blick ruppig erscheinen. Spannend, dicht und anschaulich wird in der Übersetzung von Andrea Kluitmann diese ungewöhnliche Fahrradtour erlebbar. Vignetten verweisen auf die Schlüsselmomente des jeweiligen Tour-Abschnitts. Die Kilometerangaben am Kapitelbeginn lassen die Leserinnen und Leser mitfiebern, auch wenn am Ende gar nicht mehr so wichtig ist, ob das Ziel erreicht wird.

Susin Nielsen • Adresse unbekannt • Aus dem Englischen von Anja Herre • Urachhaus • ISBN 978-3-8251-5226-0 • 18,00 € (D), 18,50 € (A) • Ab 11 Jahren

Felix lebt allein mit seiner Mutter Astrid und das wird zunehmend schwieriger, nicht nur wegen ihrer depressiven Schübe. Weil Astrid die Miete nicht mehr aufbringen konnte, haben sie ihre Wohnung verloren und hausen in einem alten Campingbus. Längst ist das kein ultimativer Sommerurlaub mehr, denn immer sitzt ihnen die Angst im Nacken, dass alles auffliegt. Die Abwärtsspirale in die Obdachlosigkeit wird aus Felix‘ Sicht in der Rückschau so erschütternd wie glaubwürdig geschildert. Der ständige Hunger, die Suche nach Duschmöglichkeiten und die Verstrickung in Lügen zeigen, welche Herausforderungen dieses Leben täglich mit sich bringt. Trost für Felix sind seine Rennmaus, eine Quizshow und seine Freunde, die selbst dann zu ihm halten, als das mühsam errichtete Lügengebäude tatsächlich einstürzt.

In der Übersetzung von Anja Herre führt der Ich-Erzähler eindringlich seine Überlebensstrategien zwischen Verzweiflung und Hoffnung vor Augen. Mit Witz und Situationskomik werden die Ereignisse sensibel ausbalanciert. Die aufgebaute Spannung geht nicht auf Kosten des brisanten Themas. Besonders gelungen ist, wie Felix und seine Mutter als Personen aus der Mitte der Gesellschaft sichtbar werden, deren Ängste, Sorgen und Wünsche für jeden nachvollziehbar sind.

Die Texte wurden von der Kritikerjury erstellt.

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