Deutscher Jugendliteraturpreis 2021

Sparte Kinderbuch / Buchtipps V – Nominierungen der Kritikerjury

VON MARIE-LOUISE LICHTENBERG 

Timothée de Fombelle (Text) •Isabelle Arsenault (Ill.) • Rosalie. Als mein Vater im Krieg war • Aus dem Französischen von Sabine Grebing und Tobias Scheffel • Gerstenberg • ISBN 978-3-8369-6040-3 • 15,00 € (D), 15,50 € (A) • Ab 9 Jahren

Während des ersten Weltkriegs in Frankreich muss Rosalies Mutter in einer Waffenfabrik arbeiten und allein für sie beide sorgen. Der Vater ist an der Front. So sitzt Rosalie tagsüber mit den größeren Kindern in der Schule, obwohl sie erst fünf ist. Die gelegentlichen Briefe des Vaters liest ihr die Mutter vor. Aber Rosalie spürt, dass die Mutter etwas verheimlicht. Das treibt sie an zu ihrer streng geheimen Mission: Lesenlernen. Mit großer Ernsthaftigkeit erobert sie sich selbständig die Teilhabe an der für sie bisher verschlossenen Lebensrealität der Erwachsenen, die mit Schmerz, aber auch mit mehr Aufrichtigkeit verbunden ist.

Tobias Scheffel und Sabine Grebing haben die eindrucksvolle Geschichte überzeugend ins Deutsche übertragen. Bereichert von Isabelle Arsenaults farblich stimmig akzentuierten Aquarell- und Tuschezeichnungen ist ein kleines Juwel entstanden. Der Text der Ich-Erzählung ist in diesem handlich quadratischen Format großzügig vor viel Weißraum platziert, ergänzt durch zarte Bildmomente. Dazwischen finden sich ganzseitig illustrierte Doppelseiten, welche die Empfindungen der Protagonisten fein austarieren. Im Gegensatz zu dem menschenverachtenden Krieg wird hier von einem Miteinander voller Güte erzählt. Das Buch gibt somit einfühlsam und zeitlos eine Ahnung davon, was das (nicht nur) im Krieg bedeuten kann. 

Marianne Kaurin • Irgendwo ist immer Süden • Aus dem Norwegischen von Franziska Hüther • Woow Books • ISBN 978-3-96177-050-2 • 15,00 € (D), 15,50 € (A) • Ab 10 Jahren

Die Sechstklässlerin Ina lebt mit ihrer Mutter in einer Sozialsiedlung. Als ihre wohlhabenden Mitschüler am letzten Schultag von ihren weitfliegenden Reiseplänen berichten, behauptet Ina, dass sie auch in den Süden fährt, obwohl sich ihre alleinerziehende Mutter gar keinen Urlaub leisten kann. Damit die Lüge nicht auffliegt, muss sie notgedrungen bei größter Hitze in der eigenen Wohnung untertauchen. Und um die Glaubwürdigkeit endgültig sicherzustellen, postet sie von zu Hause aus Fotos ihres inszenierten Urlaubsdomizils. Von Ferienstimmung ist Ina dabei weit entfernt. Vilmer befreit sie schließlich aus dem Schlamassel. Er ist neu zugezogen, und ihm scheint der Gruppendruck in seiner Klasse gar nichts auszumachen. Er zeigt Ina im Wohnkomplex einen geheimen und verlassenen Ort. Dieser ermöglicht den beiden nicht nur die Erschaffung ihres ganz eigenen Südens, sondern auch, ihre Freundschaft unter Beweis zu stellen.

Der Roman besticht durch eine aktuelle Thematik und führt eindrucksvoll vor Augen, was in der Freundschaft – auch in Zeiten von Social Media – wirklich zählt. Die leichte Sprache und die treffenden, mit viel Wortwitz angereicherten Dialoge kommen in der Übersetzung von Franziska Hüther sehr gut zur Geltung. 

Die Texte wurden von der Kritikerjury erstellt.

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.