Den Beitrag von Holger Crump entnehmen wir mit freundlicher Genehmigung dem Bürgerportal Bergisch Gladbach:
VON HOLGER CRUMP*
Rheinisch-Bergischer Kreis | Die Pandemie sorgt nicht nur für gesundheitliche und psychische Probleme, es kommen bei immer mehr Menschen finanzielle Sorgen hinzu. Warum sich Schulden infolge von Corona oft erst jetzt, mit einem Jahr Verzögerung bemerkbar machen, erklärt Thomas Penkert, Leiter der Schuldnerberatung RheinBerg. Er zeigt, wie Inkassounternehmen agieren – und wie man aus der Schuldenfalle wieder rauskommt.
„Wir helfen allen Menschen, wenn es finanziell eng ist. Dies kann von Tierarzt-Rechnungen in Höhe von 400 Euro reichen bis zur gescheiterten Immobilienfinanzierung nach Trennung oder Scheidung. Von der ersten Mahnung bis zum letzten Termin mit dem Gerichtsvollzieher”, erklärt Jurist Thomas Penkert.
Er ist seit 21 Jahren in der Schuldnerberatung aktiv und leitet seit über einem Jahr die gemeinsame Beratungsstelle von Caritas und Diakonie in RheinBerg. Sein Team ist für den gesamten Kreis zuständig und betreut auch Außenstellen. Die seien wichtig, meint Penkert. Denn viele Betroffene hätten nicht einmal mehr das nötige Geld für den Bus, um eine Fahrt in die Stadt zu unternehmen.
In 2020 habe die Schuldnerberatung 1.035 Fälle bearbeitet. In 2021 nehme das Aufkommen zu. Rund zehn Anfragen pro Woche verzeichne man derzeit.
„Früher waren Schulden überwiegend ein Thema bei Männern, doch das gleicht sich mittlerweile an”, berichtet Thomas Penkert. Ein Großteil sei ledig oder verheiratet, 42 Prozent der Klienten würden über keinen Ausbildungsabschluss verfügen, ein Drittel beziehe Unterstützungsleistungen.
Geld ist leicht verfügbar, aber teuer
„Das Alter zwischen 30 und 50 ist am häufigsten vertreten”, gibt Penkert einen weiteren Einblick. Fehlender Job, Trennung und Scheidung oder gescheiterte Selbstständigkeit seien die häufigsten Gründe für eine Verschuldung. Hinzu kämen Krankheit oder Sucht.
Das Problem der gescheiterten Immobilienfinanzierung sei erstaunlicherweise rückläufig. „Bei der aktuellen Marktlage können Immobilien rasch abgestoßen werden”, so der Jurist, „dadurch können Finanzprobleme durch einen Verkauf einfacher geklärt werden.”
Kreditkarte, TV-Werbung für schnelles Geld, scheinbar günstige Kredite: Geld ist leicht verfügbar, aber teuer. Auch dies begünstige die Entstehung von Schulden.
„Große Versandhändler und auch Warenhausketten laden zum Beispiel mit attraktiven Kreditrahmen und geringen Ratenzahlungen. Im Hintergrund türmen sich unterdessen bei 12 bis 15 Prozent Zinsen die Schulden immer weiter auf. Wer da den Bezug verliert und dem Konsum erliegt, der sitzt schnell in der Schuldenfalle,” berichtet Penkert.
Miete frisst bis zur Hälfte des Einkommens auf
Auch die Mietkosten in der Stadt können unangenehme Folgen haben. „Wer bereits 50 Prozent seiner Einkünfte für Wohnen ausgibt, hat finanziell nur noch wenig Beinfreiheit. Früher lag der Anteil für die Miete gerade einmal bei 20 Prozent”, so Penkert.
„Ein Augenmerk gilt es auch auf die Nebenkosten zu richten. Wer zum Beispiel in einer schlecht isolierten Wohnung mit Elektroheizung lebt, hat bei steigenden Stromkosten rasch hohe Nebenkostenzahlungen am Bein, die das geplante Budget übersteigen.”
Unabhängig von den Gründen ist eines deutlich: „Schulden machen krank! Wer zu uns kommt, leidet an Schlaflosigkeit, zieht sich zurück, leidet an Ängsten vor den Folgen der Schuld, entwickelt Depressionen”, schildert Thomas Penkert.
Unfeine Methoden der Inkassounternehmen
„Und alleine der Stapel an ungeöffneten Rechnungen oder Mahnungen kann die Schuld drastisch verteuern”, zeigt Penkert die Konsequenzen auf.
Dabei würden u.a. auch Inkassounternehmen zu einem exponentiellen Anstieg der Verbindlichkeiten beitragen, und dies mit unfeinen Methoden. „Wer bei entsprechenden Anrufen der Unternehmen höflich Auskunft gibt, Gesprächs- oder Zahlungsbereitschaft signalisiert, wird mit weiteren Anrufen drangsaliert. Mahnschreiben kommen dazu, die bewusst vor dem Wochenende oder zu Feiertagen versandt werden, um die Menschen zu zermürben und moralisch in die Zange zu nehmen”, berichtet der Leiter der Beratungsstelle.
All dies kann rasch dazu führen, dass Betroffene bei einer Reihe von Gläubigern „in der Kreide” stehen und viele Schulden gleichzeitig bedienen. „Das muss nicht sein”, meint Penkert, „der Schuldenabbau lässt sich so gestalten, dass es den Schuldnern keineswegs die Luft abschnürt.”
Raus aus der Schuldenfalle
Insolvenz oder Vergleich seien die besten Wege, auf denen Schuldner ihre Lage in einem überschaubarem Zeitraum wieder in den Begriff bekämen. Was steckt dahinter?
„Seit der Insolvenzverordnung von 1999 steht fest: Dem redlichen Schuldner wird Gelegenheit gegeben, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien”, erklärt Thomas Penkert. Mit anderen Worten: Niemand muss ein Leben lang Schulden abtragen. Wer den Weg der Insolvenz geht, ist in der Regel nach drei Jahren schuldenfrei. Dann erlöschen die Ansprüche von Gläubigern.
Das Verfahren eignet sich insbesondere, wenn mehrere Gläubiger einem Schuldner gegenüberstehen. Vorausgesetzt, es handelt sich nicht um Insolvenz-befreite Schulden. Wer z.B. nach einer Straftat ein hohes Schmerzensgeld abstottern müsse, habe weniger rosige Aussichten, erklärt Penkert.
Das macht die Schuldnerberatung: Sie klärt vor allem die persönliche und finanzielle Situation, berät über die nächsten Schritte, verhandelt mit Gläubigern, unterstützt beim Haushaltsplan, stellt Pfändungskonten-Bescheinigungen aus und begleitet bei Bedarf in die Insolvenz.
Weitere Infos
Web www.schuldnerberatung-rheinberg.de
Mail info@schuldnerberatung-rheinberg.de
Telefon 02202 93737 0
Oft sei aber auch der Weg des Vergleichs machbar. Wird den Gläubigern erst einmal klar, dass eine geringe statt keiner Rückzahlung von einem Schuldner zu erwarten ist, könne man sich meist „in der Mitte treffen”.
Die Pfändung z.B. von Einkommen führt ebenfalls zu einer Schuldentilgung. „Die bundesweit gültige Pfändungstabelle zeigt, dass Schuldner nicht auf ihr gesamtes Gehalt verzichten müssen. Die Pfändungsbeiträge staffeln sich nach Einkommen und Zahl der Kinder”, so Penkert. Entsprechend bliebe ausreichend Geld übrig, um auch als Schuldner das Leben vernünftig zu bestreiten.
„Diese Verfahren sind vielen Schuldnern nicht bekannt. Wir können in der Schuldnerberatung dabei helfen, den passenden Weg zu wählen und die Einigung mit den Gläubigern voranzutreiben”, meint Penkert. „Wer sich dieser Möglichkeiten erst einmal bewusst wird, geht mitunter beruhigter mit seinen aufgelaufenen Verbindlichkeiten um.”
Anzeichen der Verschuldung
Daher sei ein frühzeitiges Gespräch bei der Schuldnerberatung so wichtig. Penkert ist aber auch klar, dass die Hemmschwelle dafür recht hoch liege. „Viele denken eben, dass ihnen dies nicht passieren kann, oder dass sie das Problem alleine in den Griff bekommen. Das ist leider nicht immer so.”
Anzeichen, dass etwas mit der finanziellen Situation nicht stimme, gebe es einige. „Wer Rechnungen nicht pünktlich zahlt oder entsprechende Briefe ungeöffnet liegen lasse, gerät schnell in Gefahr sich zu verschulden.” Auch wer seinen Dispo dauerhaft in Anspruch nehme könnte leicht in die Schuldenfalle geraten. Liege der Betrag stetig über 1.000 Euro, müsse dringend gehandelt werden.
Auswirkungen von Corona kommen noch
„Die Menschen können in dieser Situation aber – zusätzlich zur Beratung bei uns – auch selbst aktiv werden. Wichtig ist immer das Gespräch mit dem Partner oder mit Freunden. Hinzu kommen einfache Hilfen wie ein Haushaltsbuch führen.” Damit werde schnell klar, wie hoch die Verbindlichkeiten seien, wo Einsparpotentzial vorhanden sei, damit Ausgabe und Einnahmen wieder ins Lot kämen.
Auch zusätzliche Quellen wie Wohngeld oder der Kindergeldzuschlag seien eine Option, vielen aber nicht bekannt. Hier helfe oft auch der Blick ins Internet, um zum Beispiel mit einem Wohngeldrechner herauszufinden, ob man bezugsberechtigt sei.
Die Auswirkungen der Pandemie würden sich erst jetzt richtig deutlich bemerkbar machen. „Wir registrieren weniger klassische Schuldner sondern vielmehr Menschen, die durch Kurzarbeit oder Verlust eines Minijobs in die finanzielle Schieflage geraten”, berichtet der Jurist. Wenn zum Beispiel das Restaurant schließe, würden auch die Aushilfsjobs in Küche oder bei der Reinigung wegfallen.
Viele hätten sich zunächst mit Reserven über Wasser gehalten, den Dispo strapaziert, notwendige Käufe wie ein neues Paar Schuhe für die Kinder hintenangestellt oder ahnliches. Nach einigen Monaten mache sich dann die schleppende Verschuldung bemerkbar.
Ämter müssen leicht erreichbar sein
„Vor allem kleinere Selbständige, Kioskbetreiber und Gastro-Dienste sind betroffen. Dort, wo die ganze Familie mit anpackt”, schildert der Leiter der Beratungsstelle. „Der große Ansturm kommt jetzt”, ist er sich sicher.
Wichtig wäre nun, dass die Ämter leicht zu erreichen seien. Aber auch im öffentlichen Dienst würden sich die Mitarbeiter durch Verlagerung der Services ins Internet gegen eine Corona-Infektion schützen. Dies würde die Problemlage aber für Schuldner zusätzlich verschärfen.
„Wer die Kostenübernahme von Nebenkostennachzahlungen bei der Miete beantragen will, wer eine Fahrkarte für ein Vorstellungsgespräch braucht – der ist auf den direkten Kontakt mit Ämtern angewiesen.” Die Kommunikation per Internet oder mit einem Call-Center mache es für Betroffene noch schwieriger, ihre Leistungen in Anspruch zu nehmen. Damit produziere die Pandemie einen Teufelskreislauf, der die Lage der Schuldner einmal mehr verschärfe.
*HOLGER CRUMP ist freier Journalist und vielseitig interessierter fester Mitarbeiter des Bürgerportals
Beitragsfoto: Thomas Penkert, Leiter der Schuldnerberatung RheinBerg © Caritas RheinBerg