Sparte Bilderbuch / Buchtipps I – Nominierungen der Kritikerjury
VON MARIE-LOUISE LICHTENBERG
Davina Bell (Text) • Allison Colpoys (Ill.) • Alfie und der Clownfisch • Aus dem Englischen von Salah Naoura • Insel • ISBN 978-3-458-17859-0 • 14,90 € (D), 15,40 € (A) • Ab vier Jahren
Alfie ist zu einem Kostümfest eingeladen, seine Eltern haben ihm eigens ein blaues Seestern-Kostüm besorgt. Aber Alfie macht einen Rückzieher, Erinnerungen an unangenehme Situationen tauchen auf. Im Traum bedrohen ihn Meeresungeheuer, Luftblasen und Wassermassen. Zum Glück hat er Eltern, die ihn nicht bedrängen. Stattdessen schlägt ihm seine Mutter vor, gemeinsam mit ihr etwas Schönes zu unternehmen. Im Aquarium entdeckt er einen Wahlverwandten, einen kleinen Fisch, der sich gerne versteckt. Eine Idee für die nächste Verkleidungsparty?
Einfühlsam und in einer klaren Sprache, schnörkellos von Salah Naoura übersetzt, erzählt Davina Bell von den Nöten eines schüchternen Jungen. Kinder und die vorlesenden Erwachsenen können in Alfies Gefühlswelt eintauchen, welche die Illustratorin Allison Colpoys mit einer reduzierten Formensprache ausdrucksvoll in Szene setzt. Sie schöpft aus der Vielfalt der australischen Unterwasserwelt und spielt grandios mit den vermeintlich genderstereotyp besetzten Farben Neon-Rosa und Blau. Mit wenigen Strichen akzentuiert sie Alfies Mimik und Körpersprache, die seine sich verändernden Seelenzustände widerspiegeln. Ein zartes Bilderbuch, das es in sich hat!
Sydney Smith • Unsichtbar in der großen Stadt • Aus dem Englischen von Bernadette Ott • Aladin • ISBN 978-3-8489-0176-0 • 18,00 € (D), 18,50 € (A) • Ab vier Jahren
Unerhört – ein Kind läuft ganz allein durch eine hektische, verwirrende Großstadt! Hochhäuser, Baustellen, Verkehr, Gedränge und Lärm stürmen auf es ein. Alles blinkt und blendet. Das Kind lässt sich überhaupt nicht davon beirren. Es geht einfach seinen Weg, selbst als es plötzlich zu schneien beginnt, Parkbänke und Bäume unter dem dichten Weiß verschwinden und die vielen Autos das Schneetreiben in Matsch verwandeln. Im von Bernadette Ott behutsam übersetzten Text spricht der Ich-Erzähler dabei fortwährend ein rätselhaftes „Du“ an, ermutigt es, warnt vor gefährlichen Orten, verrät sichere Verstecke und Abkürzungen. Wer spricht hier mit wem?
Was für ein mutiger und genialer Einstieg in eine Bilderbuchgeschichte, die sich bis zu einem verblüffenden Ende atemberaubend steigert. Ästhetisch zieht der kanadische Bilderbuchkünstler Sydney Smith alle Register seines Könnens. Virtuos arbeitet er mit Licht und den Aggregatzuständen von Wasser, variiert gekonnt alle Schattierungen von Schwarz, Grau und Weiß, nur durchbrochen von wenigen Farbtupfern, und wechselt kleine Formate mit opulenten Doppelseiten ab. Dabei versteckt er so manch bildliche Fährte, die beim Immer-Wieder-Anschauen entdeckt werden kann. Das alles erzeugt eine geradezu filmische Spannung, bis am Ende nicht nur das Kind das sichere Zuhause erreicht. exte stammen
Die Texte wurden von der Kritikerjury erstellt.