Gedanken

VON CARSTEN STOPKA

In dieser Woche habe ich mich wieder einmal von einigen Facebook-Freunden getrennt. Manche Meinungen kann und will ich einfach nicht tolerieren. Und wieder einmal ging es natürlich um die Corona-Maßnahmen. Der Eine will eine neue Nationalhymne, weil Einigkeit, Recht und Freiheit ja abgeschafft wurden, der andere will alle Politiker der Regierung hinter Gitter bringen. Die Merkeldiktatur macht uns ja schließlich alle kaputt. Und dann kommt dazu das altbeliebte Thema der AFD-Flüchtlingshetze. 

ICH KANN ES EINFACH NICHT MEHR ERTRAGEN! Ich habe den Eindruck, je länger die Pandemie dauert, desto mehr verblöden die Menschen oder aber kommen die Dummen aus ihren Löchern gekrochen. Überall lese ich vom Versagen der Politik, oft muss ich mich als Schlafschaf bezeichnen lassen. Tatsächlich frage ich mich oft, ob ich lieber ein Gutmensch oder ein Schlafschaf bin? Und ich muss gestehen: Ich bin gerne ein Gutmensch und das Wort Schlafschaf bringt mich meist zum Schmunzeln. 

Aber woher nehmen die Menschen eigentlich ihr Selbstvertrauen, sich im Internet wie die letzten Vollidioten aufzuführen? Wie schlecht müssen Menschen sein, die unter die Nachricht von neuen Corona-Toten einen Lachsmiley setzen? Wie verblödet müssen Menschen sein, die offen schreiben, dass sie sich nicht an die Ausgangssperre halten werden, weil die ja sowieso nicht hilft? Wie dumm und respektlos müssen Menschen sein, die sich weigern, im Supermarkt ihre Maske über die Nase zu ziehen, weil ja alles nicht so schlimm ist und ja eh nur Panik in der Bevölkerung verbreitet werden soll? Was geht bei einem Menschen im Kopf vor, der sich nicht gegen dieses beschissene Virus impfen lassen will, weil er befürchtet, einen Chip implantiert zu bekommen? 

Ich möchte jetzt hier nicht darüber diskutieren, warum Menschen Verschwörungstheorien hinterher laufen. Meine Hoffnung lag einzig und allein darin, dass die Menschen mit dem Anhalten der Pandemie vernünftiger werden. Weil wir doch alle in einem Boot sitzen. Und weil sie erkennen, dass die Wissenschaft recht hat. Doch stattdessen tritt gefühlt das genaue Gegenteil ein. Die Solidarität mit den Schwachen, die vor einem Jahr noch vorhanden war, nimmt ab. Und der Egoismus nimmt von Tag zu Tag zu. Alles nach dem Motto: Wenn jeder an sich denkt, dann ist an alle gedacht. Die Diskussionen werden mehr, das Unverständnis größer. Ich bewundere einige meiner Freunde, die nicht müde werden aufzuklären, weil Sie Medizin oder Pharmazie studiert habe. Weil sie die Zusammenhänge vollumfänglich verstehen. Doch deren Kompetenz ist nicht mehr gefragt. Sie müssen sich beleidigen lassen und werden angegriffen. 

Jeder da draußen hat seine eigene Wahrheit. Und die stimmt. Es wird nicht mehr hinterfragt. Und wenn man nicht daran glaubt, dann ist man eben das berühmte Schlafschaf und soll sich mal informieren. Wo eigentlich? Auf Youtube? Telegram? In rechten Netzwerken? Und wieso muss ich mich eigentlich informieren? Wieso werden mir nie Quellen genannt? Und dann kommt das nächste Phänomen: Meckern, ohne selbst Lösungen zu bieten. Das können die Menschen im Netz genauso gut wie unsere Politiker. Dabei habe selbst ich früher in der Schule gelernt, dass ich auch Lösungen bringen muss, wenn ich etwas kritisiere. Doch das passiert in unserer Gesellschaft einfach nicht. Und wenn Wissenschaftler dann doch Ansätze bieten dann werden sie diffamiert, weil die Lösung ja erst einmal eine Einschränkung bedeutet. 

Nicht, dass wir uns missverstehen – ich finde bei weitem nicht alles toll. Ich bin sogar der Meinung, dass unsere Regierung in der Pandemie mit der Beschaffung von Impfstoff und ihren Maßnahmen zum großen Teil vollkommen versagt hat. Aber ich trage die Maßnahmen mit, weil ich verstehe, wie wichtig Masken sind, weil ich verstehe, wie wichtig es ist, geimpft zu werden. Und weil ich weiß, dass eine Ausgangssperre nicht verhängt wird, weil das Virus nachts besonders gefährlich ist. Und ich trage es mit, weil wir eine solche Situation noch nie hatten und niemand genau weiß, was denn nun richtig ist. 

Und ich wünsche mir genauso ein normales Leben zurück. Ich bin auch pandemiemüde. Ich will auch wieder in mein Lieblingsrestaurant oder in Urlaub. Aber ich verstehe eben auch, dass das nur geht, wenn die Gesellschaft gemeinsam daran arbeitet. Und ich halte mich an die Vorgaben, weil ich einem meiner besten Freunde weiterhin in die Augen sehen will, der seine Oma an das Virus verloren hat. Und weil ich meinen Vater schützen will, der mit seinen 79 Jahren sicherlich nicht so leicht mit dem Virus umgehen könnte. Und weil ich möchte, dass mein Lieblingsrestaurant schnell wieder öffnen kann, damit liebe Menschen nicht ihre Existenz verlieren. 

Und ich wünsche vielen Menschen mehr Intelligenz. Menschen, die vom Weg abgekommen sind. Sie erzählen uns immer, dass wir Schlafschafe schon sehen werden, dass sie recht haben. Bisher sind keine Prophezeiungen von ihnen eingetreten. Und ich freue mich schon heute auf den Tag, wenn ich mit meinen Freunden wieder ausgehen kann, weil die Wissenschaft gesiegt hat. Denn dann haben die Schlafschafe geliefert. Die Erwachten und Egoisten können und werden das nicht. Und ihnen genau das zu beweisen ist doch ein wunderbares Ziel. 

Bitte bleibt alle gesund!