Ich soll mich nicht aufregen

VON WALTER SCHUBERT

Vor einigen Jahren, als die Welt noch in Ordnung war (Quatsch!), kam in regelmäßigen Abständen der Kabarettist Urban Priol nach Wermelskirchen. Und dieser Auftritt in der Kattwinkelschen Fabrik ist bis heute unvergessen. Urban kam auf die Bühne mit bunten Schuhen, einem lustigen Hemd und seiner markanten Haartracht. Die Zuschauer freuten sich, hatten Spaß, spendeten viel Applaus, obwohl er noch gar nicht angefangen hatte. Urban hob die Arme, bat um Ruhe, legte als „Pssst-Zeichen“ noch den Zeigefinger auf die Lippen und dann war es ganz still im Saal. Er trat an den Bühnenrand und stellte hinter vorgehaltener Hand ganz leise die Frage:“ Was macht eigentlich die Baader-Meinhof-Bande?“ Für einige Sekunden hätte man die berühmte fallende Stecknadel hören können. Dann entlud sich die Zustimmung (?), Begeisterung (?) in einem unglaublichen Beifall. Heißt das übersetzt: „Es wäre schön, wünschenswert und angebracht, wenn sich eine Terrorgruppe um das überversorgte, überbezahlte, unsoziale Gesindel in unserem Land kümmert?“.

Nur in den letzten Tagen haben sich so viele Nachrichten angesammelt, dass es schwerfällt, sich nicht aufzuregen. VW macht 10 Milliarden Gewinn im letzten Jahr und erhält Milliarden Unterstützung (Steuergeld, was sonst?). Die Lufthansa ist trotz großer Schwarzgeldmengen bedürftig und TUI ist systemrelevant. Diverse „ganz wichtige“ Menschen drängeln sich bei den Impfaktionen vor und bestimmte Fußballspieler sind ja fast als Gott-gleich einzustufen. Der Chef von Bayern München ist entweder zu blöd, um eine Maske richtig aufzusetzen, oder es ist seine ausgeprägte Ignoranz. Ganz wunderbar, dass auch für diese Figuren das Nachtflugverbot in Berlin eingehalten wurde. K.H.Rummenigge war entsetzt und fühlte sich „massiv verarscht“. Sonderregelungen beim Impfen wurden gefordert und tatsächlich mit „Vorbildfunktionen der Fußballspieler“ gerechtfertigt. Wer wird hier eigentlich verarscht? Und dann als Bonbon kommt noch der Hansi Flick ums Eck. Der ausgewiesene Fachmann beschimpft mit absoluter Sachkenntnis den Politiker und Virologen Karl Lauterbach. In diesem Zusammenhang ist es schön zu erfahren, dass der Trainer Flick nach eigener Aussage „mindestens schon hundertmal“ getestet wurde. Da gäbe es sicher Personen bei denen der Test besser angebracht und wichtiger wäre. Garniert werden die letzten Tage mit den Dummschwätzern in Talkshows, den Pressekonferenzen und Interviews. Im Kabarett auch gerne als „verbaler Durchfall“ bezeichnet. Nicht verzweifeln und nicht aufregen fällt da schon schwer.

Nein, natürlich ist der Ruf nach der Terrorgruppe falsch. Aber wie groß muss die Verzweiflung der Bürger sein, wenn sie sich so etwas vorstellen können oder vielleicht sogar gut finden. Also so gefühlt, nicht so richtig. Und das alles bereits weit vor Corona.

Ein schönes Beispiel lieferte der Kabarettist Volker Piespers. Er hatte sich den CDU-Politiker Ronald Profalla ausgesucht. Der hatte diverse Posten und Pöstchen und brachte es auf seiner Schleimspur bis zum Vorstandsmitglied der Deutschen Bahn. Das Beispiel basiert auf der Aussage: „Sozial ist das, was Arbeit schafft“. Piespers hatte dazu folgende Idee: „Lieber Herr Profalla, wenn ich Ihnen mit einem Baseballschäger eins in die Fresse haue, macht das maximale Arbeit im Krankenhaus. Ist das jetzt sozial?“.

Ja, auch falsch, aber gut tät’s manchmal schon. Zumindest mal so theoretisch vorgestellt.

Kommentar (1) Schreibe einen Kommentar

    • MarcO
    • 17.02.21, 17:47 Uhr

    Der Sozialstaat wird immer mehr abgebaut. So bleiben auch mehr Förderungen für die “Großen Spieler” übrig. Und die Wählerschaft macht ihr Häkchen traditionell immer im selben Kästchen. Angst vor Veränderung?

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