VON WALTER SCHUBERT
Ach, das tut mal gut. Über etwas ganz anderes zu schreiben. Ohne den ganzen Corona-Scheiß und die unbegreiflichen Begleiterscheinungen. Alle werden es wahrscheinlich nicht nachvollziehen können – ich möchte es trotzdem einmal erzählen.
2016 machten wir rund um unseren Hochzeitstag einen Ausflug ins Saarland. Wunderbares kleines, schnuckeliges Hotel mit Livemusik plus einem Citroen 2CV, der berühmten Ente. Wir tuckerten durchs deutsch-französische Grenzgebiet, erfreuten uns an einem Picknick-Korb und es war wunderbar. Und weil es so wunderbar war, machten wir ein Jahr später die ganze Sache noch einmal. Diesmal mit einem himmelblauen Renault R4. Und aller guten Dinge sind ja drei. Also ein Jahr später noch einmal mit einer Ente. Vielleicht kennen Sie das: Sie sehen etwas, Sie machen etwas, Sie hören etwas und es macht klick, irgendwo im Kopf oder im Bauch oder sonst wo. Es setzt sich fest, man ist begeistert und dann steht es fest: „So etwas muss es sein, so etwas möchte ich haben“. Natürlich dauert es, manchmal Jahre, schließlich gibt es immer etwas anderes zu tun und immer kommt etwas dazwischen. 2020 war es soweit. Motorrad verkauft und Ente gesucht. Nach teils schrecklichen Erlebnissen bin ich in Heiligenhaus fündig geworden. Ich fand einen Citroen 2CV mit wunderbarer Historie und in selten guten Zustand.
Meine Ente wurde 1969 zum ersten Mal zugelassen und war bis 2000 bei nur einem Besitzer in Südfrankreich. 31 Jahre fuhr dieser Mensch offenbar nur zum Wein-, Käse und Baguette-Einkauf rund um St.Raphael, denn es kamen nur zirka 71.000 Kilometer zusammen. (Das sind knapp 2300 km pro Jahr!) Dann wurde der 2CV von einer Oldtimer-Werkstatt aus Velbert gekauft und diente dort nur als Werbefahrzeug oder Blickfang vor der Werkstatt. Das Fahrzeug stand geschützt unter einem großen Dach und wurde nie zugelassen. Nach ein paar Jahren landete es dann bei einem Oldtimersammler und dann im August 2020 bei mir. Im absoluten 51-jährigen-Originalzustand, mit Pat-Ina, ohne Durchrostungen, ungeschweißt, mit frischem TÜV und H-Gutachten. Batterie laden, volltanken, starten und fahren. Ente läuft, schaukelt, bremst – ein Traum mit 16 PS!
Klar, nach über 50 Jahren ist die Polsterung fertig und auch das Dach ist defekt. Das schöne an diesem Oldtimer ist, dass alle Ersatzteile problemlos zu beschaffen sind. Sitzbank (durchgehend!) neu aufgepolstert, neue Bezüge aufgezogen, neues Dach montiert, neuen Teppichboden verlegt und schon ist es wieder gut.
Dann, mitten in einer Kurve, haut’s mir eine Antriebswelle raus. Aus ist es mit der schönen Fahrt. Der ADAC bringt mich und die Ente nach Hause (Danke, hat super funktioniert!). Ich finde in Bergisch Gladbach eine Werkstatt, die sich mit alten französischen Fahrzeugen beschäftigt. Die holen mein Entchen ab und so geht es zur Genesung, zur Kur und Reha. Die kümmern sich nicht nur um die Antriebswellen, sondern auch um den Rest. Ja, es gibt eine Menge „Rest“. Ich lerne, dass ein TÜV-Stempel absolut nichts über die Fahrtauglichkeit oder Sicherheit eines Fahrzeugs aussagt. Ich kann nur darüber spekulieren, wie dieses Fahrzeug an die TÜV-Plakette gekommen ist. Egal, es kostet einige Euro, dann ist die Ente wieder fit. Da der Kaufpreis ok war, gab es noch Luft für die Instandsetzung.
In diesem Jahr gab es zwei Tage für eine Ausfahrt. Nach kräftigem Regen war das Streusalz weg und die Straßen absolut trocken. Das muss man nutzen! Dieses Fahrzeug entschleunigt, sorry, nicht nur mich, sondern auch die anderen. Aber die können ja überholen. Viele Jahre bin ich beruflich immer auf der „letzten Rille“ gefahren, immer mit Vollgas, immer bis zum Bodenblech und immer mit Termindruck. Das brauche ich nicht mehr. Dach auf, ein lustiges Mützchen auf und ab über Land mit 16 PS. Ein wahrhaftiges Therapieauto. Einfach nur schön. Und die Corona-Aerosole verschwinden durch das geöffnete Dach oder durch die undichten Türen. Und ganz still für mich kann ich ein bisschen basteln, putzen und „krosen“ (heißt das so?) oder „porkeln“. Da sollte Corona nichts dagegen haben. Zur Nachahmung empfohlen.
Lieber Herr Schubert, wenn Sie nicht meckern, gefallen Sie mir doch viel besser. Gute Fahrt und liebe Grüße.
Lieber Lutz Balschuweit, schön, freut mich, wenn Ihnen meine Entengeschichte gefallen hat. Am liebsten würde ich auch nur solche Sachen schreiben nur ist es so, dass die besch…. Themen aktuell in der absoluten Mehrzahl sind. Als Beobachter steht man staunend und ungläubig davor, es staut sich auf und manchmal muss es dann mal raus und aufgeschrieben werden. Vielleicht finde ich aber auch demnächst wieder etwas schönes. Liebe Grüße.
Vor vielen Jahren bin ich dem Charme einer DS19 erlegen. Nach genauerer Untersuchung durch einen Fachmann und dessen desaströsen Urteil (“jung Schiet dat Ding fot”), habe ich mich nicht mehr an französisches Altmetall herangewagt. Nach einer herrlichen anglophilen Phase, schlägt mein Herz mittlerweile für automobilhistorisches Kulturgut aus Varese bei Milano.