Den Beitrag von Georg Watzlawek entnehmen wir mit freundlicher Genehmigung dem Bürgerportal Bergisch Gladbach:
Rheinisch-Bergischer Kreis | Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNO) verkauft die Vergabe der Impftermine als Erfolg. Die Über-80-Jährigen und ihre Angehörigen sind fassungslos, weil es vielen von ihnen immer noch nicht gelingt, einen Termin zu ergattern. Nach vielen Anläufen haben wir jetzt verstanden, woran das liegt.
Seit Tagen verbreitet die KVNO Erfolgsmeldungen: Mehr als zwei Drittel der Impfberechtigten seien schon mit Terminen versorgt, das System laufe telefonisch und online stabil, Verzögerungen bei der Vergabe würden „zeitnah“ gelöst.
Seit zehn Tagen melden sich verzweifelte Senior:innen und Angehörige, die immer wieder aus der Telefonschleife fliegen, die im Online-System auf geblockte Daten und ein ums andere Mal auf die Auskunft stoßen: „Wir haben keine Termine, versuchen Sie es in ein paar Tagen wieder.“
Und dennoch, die Terminvergabe läuft. 306.375 der Über-80-Jährige im Rheinland hatten bis Dienstagmittag Termine für ihre Erst- und Zweitimpfung erhalten, und auch bei der Buchungen für das Impfzentrum in der RheinBerg Galerie gebe es keine spezifischen Probleme, bekräftigt die KVNO.
Wie passt das zusammen? Nach vielen Nachfragen und einigen neuen Detail-Infos der KVNO haben wir es jetzt (weitgehend) verstanden.
Das System ist das Problem
Die Ursache liegt in der Programmierung des Buchungssystems der KVNO. Dort müssen die Termine blockweise eingestellt werden, aufgeteilt auf die 53 Impfzentren.
Nach der Freischaltung der Online-Anmeldung und des Callcenters wurden die Termine verteilt, an diejenigen, die das Glück hatten, durchzukommen. In der Online-Anmeldung fanden die Impfwilligen einen Kalender vor, in dem Termin für die nächsten acht Wochen angezeigt wurden.
Doch rasch war das erste Termin-Kontingent für die ersten Impfzentren aufgebraucht, das nächste musste freigeschaltet werden. Das geht aber grundsätzlich erst dann, wenn alle 53 Impfzentren ihren Anteil vergeben haben. Solange zum Beispiel im Erftkreis noch zwei Termine auf der Liste stehen, geht in Rhein-Berg nichts. So wird erreicht, dass alle Impfzentren gleichmäßig zum Zug kommen.
Rückmeldungen: missverständlich und falsch
In dem Zeitraum, wenn der Anteil eines Impfzentrums aufgebraucht und das nächste Kontingent noch nicht frei geschaltet ist, werden auf der Online-Seite alle Termine als nicht-buchbar dargestellt.

Und bei der telefonischen Vermittlung kommt vom (offenbar nicht ausreichend informierten) Personal oft die Rückmeldung: „In Rhein-Berg gibt es keine Termine, rufen Sie in ein paar Tagen wieder an.”
Ein Leser erhielt die Auskunft: „Ich sitze hier nur, um Sie auf nächste Woche zu vertrösten.”
So lange dauert es dann aber meistens nicht; da der Andrang überall groß ist werden die Termine in der Regel überall rasch vergeben. Doch in der Zwischenzeit öffnen sich immer wieder große und größere Lücken. Wie groß, das kann oder will die KVNO nicht sagen, die Termine würden „zeitnah“ eingestellt.
Kein Wunder, dass der Frust wuchs. Immer häufiger versuchten die Impfwilligen und ihre Angehörigen, freie Termine zu finden – und überlasteten die Systeme komplett. Das führte zwischendurch zum Systemabsturz. Aber damit steht die KVNO nicht alleine da: auch in Westfalen lief es holprig, aus Hessen kommen gerade die nächsten Desaster-Meldungen.
Frust- und Erfolgsmeldungen
Dieses Vergabe-System wird im Rheinland nach wie vor genutzt. Die Programmierung im laufenden Betrieb zu ändern oder auf ein anderes System umzusteigen, macht wenig Sinn.
Und immer wieder erreichen uns ebenso Frust- wie Erfolgsmeldungen. Heute früh zum Beispiel schrieb ein Leser (wie in den vergangenen Tagen fast 100 weitere):
„Anders als Sie heute melden scheint es aktuell ein Problem bei der Impfvergabe zu geben. Bei der online-Anmeldung für eine 81-jährige Freundin sehen wir im Impfkalender, dass sämtliche Termine gestrichen sind. Telefonisch hat uns der Mitarbeiter des Callcenters bestätigt, dass er keine Impftermine für Bergisch Gladbach vergeben könne, weil hier die Impfstoffversorgung für den Zweittermin nicht gewährleistet sei.”
Was Unsinn ist. Wir haben dem Leser den Sachverhalt erklärt. 90 Minuten später kam die Rückmeldung:
„Seit 11.30 Uhr sind wieder Impftermine im Netz buchbar. Wir haben die Terminkombination 12.04. und 03.05. buchen können.”
Was bedeutet das?
Inzwischen sind alle Termine für die Erstimpfung im Rheinland bis Mitte April bereits vergeben. Das Anmeldesystem funktioniert, im Prinzip. Die technischen Probleme und die dadurch verursachten Auszeiten halten an. Glauben Sie nicht den Auskünften aus dem Callcenter. Geben Sie nicht auf! Nach wie vor scheint die Online-Anmeldung besser zu funktionieren als die telefonische Buchung. Der Impftermin ist garantiert. Aber wann?
Unter dem Strich: ein schlechtes System, das schlecht (oder gar nicht) erklärt wird und so für viel Ärger gesorgt hat. Bei einigen der Über-80-Jährigen auch zu Verzweifelung.
Die Zusage der KVNO, die auch Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann vor laufender Kamera bekräftigt hatte, steht dennoch: Jeder Impfwillige in der Gruppe der Über-80-Jährigen bekommt einen Impftermin.
Wer ihn bis jetzt noch nicht hat, der wird allerdings bis weit in den April hinein warten müssen.
Beitragsfoto: Screenshot der KVNO-Anmeldeseite. Mit einer korrekten Aussage