Die Zentralbankgeldmenge und die Bürgermeisterin von Wermelskirchen

Ein Offener Brief der Zukunft Wermelskirchen mit vielen Fragen

VON WOLFGANG HORN

Wermelskirchen | Einen offenen Brief zu schreiben, ist gewiß eine Kunst. Eine Kunst, der sich vor allem Politiker verschreiben. Ein offener Brief wendet sich weniger an den im Schriftstück genannten Empfänger. Der offene Brief ist mehr der Form nach ein Brief, der Absicht nach handelt es sich um einen öffentlichen Text, ein Schreiben, das an viele, an alle gerichtet ist.

Hier bei uns in Wermelskirchen gibt es nur selten solche offenen Briefe zu lesen. Denn wenn man einen Sachverhalt aufklären will, schreibt man tunlichst nicht an alle, sondern an den oder die, der oder die aufklären könnte. Im vorliegenden Fall an den Chef der Verwaltung, womöglich gar eher noch an den Kämmerer. Stilfragen aber scheinen immer weniger das Problem mancher Politiker zu sein. Heute ist es wieder einmal so weit: Die Zukunft Wermelskirchen hat der Presse in Wermelskirchen ein Schreiben an die Bürgermeisterin übergeben. Der Brief ohne Absender und Unterschrift erreichte uns per Mail. Ein Brief mit Fragen, die von der Zentralbankgeldmenge über den Bitcoin-Kurs ihren Ausgang nehmen und vom Target-2-Saldo zur italienischen Staatskrise mäandern. Manch offener Brief scheitert gar an der Absicht, Wissen anzudeuten. Es bleibt der Angeberbrief. Am Ende wüßte ich aber auch gerne, welche Handlungsanweisungen der Deutsche Städtetag der Stadt Wermelskirchen erteilen kann:

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,
die Bundesregierung lässt die Bürger im Unklaren darüber, welche Auswirkungen die Haftungsrisiken haben, die bei den Geschäften der EZB entstehen. Folgen und Konsequenzen sind aber nun bis zu den Kommunen vorgedrungen. Deswegen fühlen wir uns als Fraktion verpflichtet, eine öffentliche Anfrage für die Bürger zu stellen.

Die Zentralbankgeldmenge hat sich im Zuge unterschiedlichster und verzweifelter Rettungsmaßnahmen seit 2008 versiebenfacht. Es flossen Tausende Milliarden Euro in den Markt. Immobilienpreise stiegen und steigen immer weiter an. Der Bitcoin-Kurs lag einmal weit unter 1 $ und stieg zuletzt auf über 40.000 $. 2005 war der Target2-Saldo noch ausgeglichen, was er auch sein sollte. Nun schulden die Euro-Mitgliedsländer der Deutschen Bundesbank bereits 1,1 Billionen Euro, alleine aus diesem Saldo. Eine Verbindlichkeit, die nicht gedeckt ist, ohne Laufzeit und ohne Zinsen, aber mit hohem Ausfallrisiko (siehe z.B. Staatskrise in Italien). Pro Bürger in Wermelskirchen immerhin ein Betrag von fast 14.000 € (1,1 Bio/83 Mio. Einwohner). Die Geldpolitik der EZB hat natürlich weitreichende Folgen. Auch der Wermelskirchener Steuerzahler haftet über die Bundesbank für die Geschäfte der EZB und zwar maßgeblich im Gegensatz zu den Notenbanken anderer Euroländer.

Daher haben wir einige Fragen an Sie Frau Bürgermeisterin.

  1. 1. Längst haben Banken und Sparkassen den Negativzins eingeführt. Dadurch verlieren die Kommunen Steuergelder, wenn diese ihre Einnahmen bei den Banken parken, sofern kein Freibetrag vorhanden ist. Gibt es für die Stadt Wermelskirchen ähnliche Verluste und wie hoch sind diese?
  2. 2. Der positive Effekt liegt natürlich bei der Aufnahme von kurzfristigen Krediten. Sind diese Zinsen ebenfalls negativ, nimmt die Stadt sogar Geld ein. Gibt es Zinseinnahmen im Zusammenhang mit der Aufnahme von kurzfristigen Krediten?
  3. 3. Kommunen schließen häufig variabel verzinste Darlehen ab und versuchen, sich durch Swap-Geschäfte gegen steigende Zinsen abzusichern. Solche Transaktionen können sich beim Negativzins zur Kostenfalle entwickeln. Wird diese Vorgehensweise in Wermelskirchen auch praktiziert?
  4. 4. Eine Anhäufung kurzfristiger Kredite lässt das Zinsänderungsrisiko immer weiter ansteigen. Eine Währungsreform könnte Zinsen schlagartig ändern. Hat die Stadt Wermelskirchen dieses Szenario einkalkuliert?
  5. 5. Die Deutsche Bank hat errechnet, dass europäische Sparer jedes Jahr 160 Mrd. Euro durch die Niedrigzinspolitik verlieren. Die Stadt Wermelskirchen ist der bundesweiten Initiative gegen Motorradlärm „Silent Rider“ beigetreten. Gibt es Möglichkeiten für die Stadt Wermelskirchen, einer Initiative gegen die Spar-Enteignung der Bürger beizutreten, um ein Zeichen zu setzen?
  6. 6. Der Deutsche Städtetag steht der Zinsentwicklung sehr kritisch gegenüber. Welche aktuelle Handlungsanweisung gibt es von dort an die Kommunen?

Mit freundlichen Grüßen

Fraktion Zukunft Wermelskirchen

Kommentare (3) Schreibe einen Kommentar

    • Joachim Zappe
    • 27.01.21, 17:14 Uhr

    Ehrlich gesagt, ich wäre schon ganz gerne dabei, wenn Frau Bürgermeisterin diesen offenen Brief bearbeitet. Wahrscheinlich wird sie schnellstmöglich eine Krisensitzung mit den Dezernenten und Amtsleitern abhalten, eine Sondersitzung des Rates einberufen und den Notstand in Wermelskirchen ausrufen. Gerade mal 100 Tage im Amt und schon eine solche Herausforderung, die gesamte Welt zu retten. Das wird eine echte Herausforderung werden. Ich bin sehr gespannt, was daraus wird.
    Vorher sollte man aber bitte die verlorengegangenen Teile dieses Briefes suchen. Oder hat eine anonyme Macht diese absichtlich weggelassen oder verloren gehen lassen? Die Gliederungs- und Fragenpunkte offenbaren das. Frage 1.1. ok!? Aber bei 2.2., 3.3., 4.4., 5.5. und 6.6. da fehlen doch jede Menge an Fragen! Denn wenn es die Frage 6.6. gibt, wo sind denn die Fragen 6.5., 6.4. 6.3., 6.2. und 6.1? Alleine fünf Fragen fehlen hier. Wenn ich das von 2.2. bis 5.5. aufsummiere, dann komme ich auf 16 fehlende Fragen! Da frage ich mich, wo sind die Fragen geblieben und da würde ich „Zukunft Wermelskirchen“ dringend raten, nachzuforschen, was mit diesen Fragen passiert ist. Da geht doch etwas nicht mit rechten Dingen zu!

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    • Andreas Müßener
    • 27.01.21, 18:37 Uhr

    Guten Tag,

    einige Leser wünschen anscheinend ausgiebig Quellenangaben, um sich in das Thema erst einmal hineindenken zu können.

    Hierzu folgende Links:

    Anfrage der FDP-Fraktion (19/17697), die sich nach Auswirkungen der Negativzinsen auf die Finanzen der Kommunen erkundigt hatte
    https://www.bundestag.de/presse/hib/691426-691426

    Negativzinsen: Sparkassen bitten Kommunen zur Kasse
    https://www.derneuekaemmerer.de/nachrichten/beteiligungsmanagement/negativzinsen-sparkassen-bitten-kommunen-zur-kasse-37831/

    Negativzinsen auf Guthaben der Kreise und Kommunen
    https://www1.wdr.de/nachrichten/westfalen-lippe/strafzinsen-guthaben-kommunen-kreise-100.html

    Negativzinsen belasten Kommunen
    https://www.sueddeutsche.de/muenchen/freising/negativzinsen-belasten-kommunen-die-last-mit-den-ruecklagen-1.4263103

    Das Geld muss schnell weg Kommunen kämpfen mit Negativzinsen
    https://www.mz-web.de/halle-saale/das-geld-muss-schnell-weg-kommunen-kaempfen-mit-negativzinsen-37124016

    Negativzinsen beschäftigen Kommunen im Allgäu
    https://www.schwaebische.de/landkreis/landkreis-ravensburg/argenbuehl_artikel,-negativzinsen-beschaeftigen-kommunen-im-allgaeu-_arid,11179978.html

    NEGATIVZINSEN Münchner Sparkasse verlangt Einlagegebühr
    https://www.handelsblatt.com/finanzen/banken-versicherungen/negativzinsen-mit-einlagen-wird-bald-nichts-mehr-verdient/19429804-2.html?ticket=ST-313921-gbZAdYRAGDlgroc1c2EZ-ap4

    Mit freundlichen Grüßen
    Andreas Müßener

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    • Wolf
    • 27.01.21, 18:46 Uhr

    Genau DAS ist doch der Grund warum ich nach Wermelskirchen gezogen bin. Wermelskirchen ist schlicht und ergreifend der Mittelpunkt der Welt. Nur ein paar Auserwählte scheinen das begriffen zu haben. Wartet es nur ab…

    Okay, ich trinke mir jetzt ein paar Ramazzotti und dann lese ich diesen offenen Brief noch einmal. Dann verstehe ich ihn aber ganz bestimmt!

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