Buchtipps für Kinder, Jugendliche und Erwachsene im Advent 2020
VON MARIE-LOUISE LICHTENBERG

Sarah Crossan • Aus dem Englischen von Cordula Setsman • Wer ist Edward Moon? •357 Seiten • Mixtvision 2019 • 17,00 € • Ab 14 Jahren
„Wer ist Edward Moon?“ ist der Siegertitel der Jugendjury des Deutschen Jugendliteraturpreises 2020. Eine bemerkenswerte Wahl der Jugendlichen aus sechs Leseclubs über Deutschland verteilt. Die Autorin setzt sich in lyrischer Form mit der Todesstrafe auseinander und die Jugendlichen begründen ihre Wahl so:
„Ed war mein Bruder, aber auch so was wie mein Dad und mein bester Freund.“ (S. 96) Was, wenn dein großer Bruder im Gefängnis sitzt, zum Tode verurteilt wegen einer Tat, von der nicht bewiesen ist, dass er sie begangen hat? Was kannst du tun, wenn das Rechtssystem ihn schon längst für schuldig befunden hat? Musst du dich für immer verabschieden?
Joe Moon, 17, hat seinen Bruder Ed seit zehn Jahren nicht mehr gesehen: Ed wird des Mordes an einem Polizisten beschuldigt und sitzt in der Todeszelle. Sein Hinrichtungstermin rückt näher. Um Ed in diesen letzten Wochen nahe zu sein, reist Joe nach Texas und besucht ihn dort täglich im Gefängnis. Zwischen dem Gefängnisalltag und Erinnerungen an die Kindheit stellen sich nicht nur Joe Fragen nach Schuld und Vergebung, nach dem Wert des Lebens und dem Sinn der Todesstrafe. Auch die Leserinnen und Leser müssen sich damit auseinandersetzen.
Sarah Crossan gelingt es, dieses ungewöhnliche Thema überzeugend darzustellen: Die lyrische Form reduziert den gewichtigen Inhalt auf das Wesentliche und bringt die tragischen Umstände atmosphärisch auf den Punkt. Eine Geschichte über die Bedeutung von Familie, über das Abschiednehmen sowie über gesetzliche Willkür, die Leben zerstört. Das Buch ist ergreifend und fesselt bis zur letzten Seite.“
Ich empfehle das Buch, weil der Roman in Versen, jedoch ohne Reime, knapp und mit Leerstellen den Ton der Jugendlichen trifft. Das schwierige Thema Todesstrafe in den USA bekommt in diesen Tagen eine traurige Aktualität. Donald Trump führt die Todesstrafe auf Bundesebene wieder ein – nach 17 Jahren. Diese letzte Grausamkeit Trumps, wie die New York Times die Hinrichtungen bis zur Amtseinführung des neuen Präsidenten Joe Biden nennt, trifft fünf Menschen, alle mit schwarzer Hautfarbe. Todesstrafe oder lebenslange Haftstrafe ist ein Thema, das immer wieder in der Diskussion steht.Die Fragen nach „Schuld und Vergebung, nach dem Wert des Lebens und dem Sinn der Todesstrafe“ müssen wir uns alle stellen – die Jugendlichen fordern die Auseinandersetzung damit durch ihre Wahl des Siegertitels.

Dita Zipfel (Text) • Rán Flygenring (Illustration) • Wie der Wahnsinn mir die Welt erklärte • 199 Seiten • Hanser 2019 • 15,00 € • Ab 12 Jahren
Das Buch erhielt in der Sparte Jugendbuch den Deutschen Jugendliteraturpreis 2020. Die Kritikerjury begründete ihre Wahl mit den Worten:„Gassi gehen und pro Stunde 20 Euro einkassieren – perfekt für Lucie Schmurrer! Denn die fast 13-Jährige braucht schnellstens Geld, um von Zuhause auszuziehen.
Der alte Herr Klinge hat allerdings keinen Hundesitterjob anzubieten, sondern sucht dringend jemanden für die Abfassung eines geheimen Kochbuchs. Dass er dabei der Logik seiner eigenen Klingewelt folgt, findet Lucie alles andere als angsteinflößend. Selbstbewusst und beherzt unterstützt sie ihn in seinen Vorhaben. Der Wahnsinn ist schließlich Teil ihres Teenageralltags: die wechselnden Beziehungen ihrer Mutter, die Wohnungsenge, der Beziehungsdschungel in der Schule und schließlich die Verwicklungen rund um die erste Liebe.
Für dieses facettenreiche und innovative Buchrezept nehme man: einen skurrilen Plot, eine freche und unverblümte Sprache, ein starkes Figurenensemble, eine große Portion Humor und zu guter Letzt verblüffend zutreffende Illustrationen!Dita Zipfels originelle Geschichte und Wortwitz passen ausgezeichnet zu Rán Flygenrings geistreichen Illustrationen. Die Lektüre lädt ein zum Nachdenken über scheinbare Verrücktheiten und Anderssein, ganz ohne moralischen Zeigefinger, dafür aber mit humorvoller Gelassenheit.“
Ich empfehle das Buch allen, die Spaß an ungewöhnlichen Geschichten in einem witzigen und schwungvollen Schreibstil haben. Die über manche Schwächen hinwegsehen, wie zum Beispiel aus meiner Sicht zu viele Themen. Gut gefallen mir der große Einfallsreichtum der Autorin und die ungewöhnliche Handlung.
„Dieser digitale Lese-Adventskalender orientiert sich an dem digitalen Adventskalender der Akademie für Leseförderung Niedersachsen. Der Kalender der Akademie ist unter https://www.alf-hannover.de/publikationen abrufbar.“