Der Tag X in Wermelskirchen

VON WOLFGANG HORN

Der Tag X, was könnte das sein? Klar, ein Tag, dessen Datum noch nicht bekannt ist. Ein Filmtitel etwa, der Geheimnisvolles signalisiert? Die Dokureihe über ereignisreiche Tage der Weltgeschichte von Terra X? In der Geschichte war der Tag X der Tag der Landung der Alliierten in der Normandie während des Zweiten Weltkrieges oder, wahlweise, der Aufstand am 17. Juni 1953 in der DDR-Propaganda. 

Das alles aber dürfte die Bedeutung des Tages X nicht sein, die ein Fraktionsvorsitzender im hiesigen Stadtrat im Blick hatte, als er seine Leser in Facebook heute raunend auf den Tag X hinwies, auf den man sich vorbereiten und für den man den Widerstand planen müsse. Am Tag X müsse man kraftvoll agieren können, so der veritable Lokalpolitikus. Tag X? Widerstand? Aktionen? What the Hell ist los hier im beschaulichen Wermelskirchen? 

Nein, nichts ist los, ganz ruhig. Nichts außer Brainfuck, mal wieder. Der Fraktionsvorsitzende hat sich mal wieder selbst übermannt. Robert Habeck, einer der beiden Bundesvorsitzenden der Grünen werde, so der lokale Politikexperte von Rang, “das Land doch in die links-grüne Öko-, Meinungs- und Gesinnungsdiktatur führen”. Weil die “Allianz aus Medien, Mainstream, Establishment und ‘Zivilgesellschaft’ diese Regierung seit Jahren herbeiwünscht und betreibt, indem der Bürger 24/7 über alle Kanäle mit den ‘richtigen’ Themen bedudelt wird, um auf dem Stimmzettel nur ja das ‘richtige’ Kreuz zu machen.” Und da müsse man jetzt schon den Widerstand organisieren.

Politparanoia. Mehr nicht und nicht weniger. Das Übliche in diesen Zeiten. Paranoia ist Torheit. Wörtlich heißt es „wider den Verstand“ und ist im engeren Sinn die Bezeichnung für eine Störung, in deren Mittelpunkt Wahn steht. Die Betroffenen leiden an einer verzerrten Wahrnehmung ihrer Umgebung in Richtung auf eine feindselige Haltung ihrer Person oder Haltung gegenüber. Von Attila Hildmann lernen, heißt siegen lernen? 

Tag X. Wahrscheinlich war auch der 13. September schon ein Tag X. Denn vor drei Wochen haben die Wähler in Wermelskirchen die Wählervereinigung unseres Politexperten nur noch in Minimalbesetzung in den örtlichen Stadtrat entsandt. Und dafür die Grünen mit einem deutlichen Wahlsieg belohnt. Und das alles vermutlich nur, weil die Medien in Wermelskirchen, das Establishment, die Zivilgesellschaft die Bürgerinnen und Bürger rund um die Uhr “bedudelt” haben. Und jetzt droht eben die links-grüne Gesinnungsdiktatur. Politik ist das alles nicht mehr. Dafür braucht man eigentlich einen Krankenschein.

Kommentare (5) Schreibe einen Kommentar

    • Wolf
    • 03.10.20, 19:16 Uhr

    Einer von ganz vielen Gründen, warum ich nicht bei FB bin. Bevor ich meine Zeit für so einen geistigen Schwachsinn verschwende, gehe ich doch lieber mit unseren Hunden spazieren. Und ganz nebenbei: dieser Blödsinn klingt für mich doch eher nach Sekte als nach Partei…

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      • EDV-Schrauber
      • 03.10.20, 20:56 Uhr

      Sie haben mit Facebook völlig recht. Ist mir unbegreiflich.

      Mit freundlichem Gruß
      -EDV-Schrauber-

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  1. Wo Du gerade Herrn Habeck erwähnst lieber Wolfgang. Just heute hörte ich einen Podcast der Zeit vom 23. April 2018. Und genau mit diesem von Dir erwähnten, nicht diesem unbedeutenden Wermelskirchener Attila, sondern mit Robert Habeck als Gast. Einem Menschenfreund und so wie ich finde, sehr sympathischem Menschen.

    Wenn also jemand zuhören möchte bitte hier lang:
    https://www.zeit.de/gesellschaft/2018-04/robert-habeck-alles-gesagt

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    • Cornelia Seng
    • 03.10.20, 20:58 Uhr

    In unserem Bundesland regiert die CDU mit den Grünen. Das geht. Ohne Tag X.

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    • Stefan Janosi
    • 04.10.20, 7:48 Uhr

    Wenn ich die Beiträge von Henning R. der letzten Jahre so Revue passieren lasse, sind einige davon schon fast ein Fall für den Verfassungsschutz. Immer wieder wird dort zum „Widerstand“ oder auch mal vom „Kampf bis aufs Messer“ fabuliert. Diese Wortwahl kennt man eigentlich aus ganz anderen Kreisen.
    Besorgniserregend empfinde ich die Bereitschaft einiger Kommunalpolitiker darüber hinwegzusehen, und bei der aktuellen Bildung des neuen Rats mit der WNK evtl. doch zusammenzuarbeiten. Diese Überlegungen sollten doch angesichts solche Beiträge noch einmal gründlich überprüft werden.

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