Ein Offener Brief und eine Presseerklärung als Antwort

Wermelskirchen | Einen offenen Brief zu schreiben, ist gewiß eine Kunst. Ein Kunst, der sich vor allem Politiker verschreiben. Ein offener Brief, früher Sendschreiben geheißen, ist ein Brief, der sich weniger an den im Schriftstück (welch schönes Wort) genannten Empfänger wendet, sondern eher an die Öffentlichkeit oder eine bestimmte Teilöffentlichkeit, wird der offene Brief doch als Flugschrift (wiederum ein schön altertümelndes Wort), als Flugblatt verbreitet oder in der Presse oder anderen Medien publiziert, heutzutage meist in den sogenannten sozialen Medien im Internet. Ein offener Brief ist also mehr der Form nach ein Brief, der Absicht nach handelt es sich um einen öffentlichen Text, ein Schreiben, das an viele, an alle gerichtet ist.

Offener Brief: Ausübung der Organisationshoheit über das Ordnungsamt

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Bleek, sehr geehrter Herr Erster Beigeordneter Görnert,

die unterzeichnenden Fraktionen sind sicherlich über jeden Zweifel erhaben, dass sie nicht für Recht und Ordnung, Sicherheit und Sauberkeit einstehen.

Dabei gibt es sicherlich in Bürgerschaft und Politik unterschiedliche Meinungen, mit welcher Intensität das Ordnungsamt welche Themen bearbeiten sollte.

Sicherlich gibt es Probleme, wie Vandalismus jedweder Art, illegale Müllentsorgung, das verbotene Füttern von Tauben, die Verschmutzung der Stadt, das Nichtnachkommen der Kehr- und Räumpflicht, Lärmbelästigung etc., wo sich hinter der Forderung, dem entschieden entgegen zu treten, eine überwältigende Mehrheit der Bürger sammelt.

Andererseits gibt es auch Themen, wo die Bürgerschaft sich mehr Augenmaß, Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit durch das Ordnungsamt wünscht. Der Takt hierfür wird durch den Leiter des Ordnungsamtes bestimmt und so auch seinen Mitarbeitern vorgegeben.

Fakt ist, dass die Unterzeichner für die Ahndung gegen Verstöße der sog. Corona-Regeln sind, insbesondere wenn diese vorsätzlich und rücksichtslos erfolgen. Jedoch missfällt den unterzeichnenden Fraktionen, dass der im Rahmen von Verwaltungsentscheidungen ermessensleitende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. § 40 VwVfG NRW) teilweise unangemessen angewandt wird.

Gerade in Zeiten der Pandemie kämpfen die örtlichen Gastromomen um ihre Existenz und alle haben finanzielle und tatsächliche Aufwendungen getroffen, um Kunden und Mitarbeiter zu schützen. Diesen Einsatz gilt es zu honorieren und bei vorschnellen Entscheidungen ist Umsicht geboten. Gerade in der Hektik des Alltags dauert es möglicherweise ein paar Minuten länger, bis alle Maßnahmen – z.B. die Desinfektion der Tische nach einem Kundenbesuch – vorgenommen worden sind.

Es kommt verstärkt – und dies nicht erst seit Corona – zu Klagen aus der Bürgerschaft über das „Auftreten“ des Ordnungsamtes.

Die Fälle ziehen sich durch nahezu alle Bereiche es Amtes, wobei es nicht um den Vorwurf rechtswidriger Handlungen durch das Ordnungsamt geht, sondern darum, wie es Dinge angeht, wie Ermessensspielräume nicht genutzt werden, wie sein Auftreten ist.

Hier bitten die Unterzeichner Sie als Leiter der Verwaltung für ein verhältnismäßiges Verwaltungshandeln, dass sich vom Grundsatz Kooperation statt Sanktion leiten lässt. Die Sanktion soll nur die Ultima Ratio sein, insbesondere wenn vermeintliche Verstöße leicht fahrlässig begangen worden sind.

Nach § 62 Abs. 1 GO NRW ist der Bürgermeister verantwortlich für die Leitung und Beaufsichtigung des Geschäftsgangs der gesamten Verwaltung. Er leitet und verteilt die Geschäfte. Dabei kann er sich bestimmte Aufgaben vorbehalten und die Bearbeitung einzelner Angelegenheiten selbst übernehmen.

Aus unserer Sicht kann und darf, um einige konkrete Fälle anzusprechen, folgendes nicht sein:

Die verschiedenen Corona-Schutzmaßnahmen gelten bundes-, landes- und kreisweit. Für uns ist nicht nachvollziehbar, warum sie in Wermelskirchen anders umgesetzt und vollzogen werden als in den Nachbarstädten. Alle Menschen sind von Corona betroffen: die Bürger, die unzweifelhaft geschützt werden müssen wie auch zum Beispiel die Gewerbetreibenden, deren Geschäft nicht vollends ruiniert werden darf. Hier lohnt der Blick über die Stadtgrenzen, wie die Ordnungsbehörden dieses Spannungsverhältnis mit Vernunft und Augenmaß auflösen. Dem hiesigen Ordnungsamt fehlt dieses leider! Es ist nicht akzeptabel, den Rheinisch-Bergischen Kreis seitens des Ordnungsamtes öffentlich vorzuschieben, um das eigene restriktive Vorgehen zu rechtfertigen. Rückfragen beim Kreis haben ergeben, dass die seitens des Ordnungsamtes öffentlich gemachten Aussagen hinsichtlich einer „Rapportpflicht“ gegenüber dem Rheinisch-Bergischen Kreis über angeordnete Zwangsmaßnahmen nicht zutreffen und dieser sich dagegen ausdrücklich verwahrt. Auch halten wir es für vorsichtig ausgedrückt zumindest unglücklich, dass ein sicher geschätzter Wermelskirchener Gastronom als Mitarbeiter des Ordnungsamtes just in Corona-Zeiten eingestellt wird. Auch „Under-Cover-Einsätze“ und das Agieren von Mitarbeitern des Ordnungsamtes als quasi „Agent Provocateur“ lehnen wir ab. Zudem wäre eine zeit- und wortgleiche Kommunikation von Themen Corona betreffend zwischen den Beteiligten wünschenswert. Wir bitte Sie daher, sich der Problematik, zeitnah, konsequent und nachhaltig anzunehmen!

Mit freundlichen Grüßen

  • Dr. Christian Klicki (CDU)
  • Henning Rehse (WNK UWG)
  • Oliver Platt (BüFo)
  • Jürgen Manderla (FDP)

Presseerklärung des Fraktionsvorsitzenden der SPD-Fraktion zum „offenen Brief“ der Fraktionen CDU, FDP, WNK, BüFo

​Ich stimme den Verfassern des offenen Briefes darin zu, dass „Augenmaß, Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit“ des Ordnungsamtes im Umgang mit den Corona Vorschriften wichtig sind. Die Einhaltung der Regeln aus der Corona Schutzverordnung erfordern einerseits eine konsequente Umsetzung, um die Ausbreitung der Infektionen zu verhindern, andererseits das nötige Fingerspitzengefühl gerade gegenüber dem Personenkreis, der von der Pandemie und den getroffenen Einschränkungen finanziell besonders betroffen ist. 

Dass ein hierfür notwendiges Fingerspitzengefühl nicht zu den Primärtugenden des Ordnungsamtsleiters zählt, ist mir bekannt. Bedauerlich ist auch, dass der zuständige Dezernent, Herr Görnert, die nötige Dienstaufsicht und seine Pflichten als Vorgesetzter bisher nicht hinreichend wahrgenommen zu haben scheint, was die Verfasser des offenen Briefes jedoch unerwähnt lassen. 

Mittelfristig sollte daher geklärt werden, ob es bei der Geschäftsverteilung im Rathaus nicht zu einer anderen Zuordnung des Ordnungsamtes kommen sollte. Dass der zuständige Dezernent wie der Ordnungsamtsleiter von den Verfassern des offenen Briefes in ihr Amt gewählt wurden und nicht von meiner Fraktion, sei hier nur am Rande erwähnt. Dass der Bürgermeister auch die Organisationshoheit über das Ordnungsamt hat, ist eine Binsenweisheit, deren Erwähnung in dem offenen Brief eher den Zeitumständen als dem Willen zu konstruktiven Vorschlägen geschuldet ist. Der Bürgermeister hat nach meinen Informationen bereits mehrfach Gespräche mit vielen Mitarbeitern des Ordnungsamtes und auch mit betroffenen Gastronomen geführt. Er wird auch kurzfristig die Stichhaltigkeit der Vorwürfe, die in dem offenen Brief erwähnt werden, prüfen und gegebenenfalls für Abhilfe sorgen. 

Ich stelle aber auch mit aller Deutlichkeit fest, dass der Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger gerade bei der Eindämmung der Coronapandemie nicht mit einem Ordnungsamtbashing gedient ist. Angesichts der erheblichen Einschränkungen im öffentlichen Leben und der Uneinsichtigkeit vieler Menschen im Hinblick auf die Masken-, Hygiene- und Abstandspflichten erfüllen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ordnungsdienstes eine schwierige Aufgabe. Deshalb ist es die Pflicht für alle Beteiligten, kurzfristig zu prüfen, ob sich die erhobenen Vorwürfe bewahrheiten lassen, und, wo dies zutrifft, die Missstände abzustellen. Dies hat der Bürgermeister heute auch noch einmal mit aller Deutlichkeit zugesagt

Jochen Bilstein

Kommentare (8) Schreibe einen Kommentar

    • stefan janosi
    • 26.08.20, 15:47 Uhr

    Unsere Fraktion nimmt mit Erstaunen den offenen Brief der Fraktionen CDU/WNK/FDP/Büfo zur Kenntnis.
    Von Seiten der Gastronomen sind auch an unsere Fraktion o.g. Probleme herangetragen worden.
    Wir sollten uns alle darüber einig sein das es zum Schutz der Menschen unabdingbar ist Regeln zum Gesundheitsschutz einzuhalten. Das es dabei zu gewissen Unschärfen in der Auslegung von Maßnahmen kommen kann, liegt in der Komplexität der Durchführungsbestimmungen begründet. Daher bedarf es einer ausgeprägten Urteilsfähigkeit um das notwendige Augenmaß mit dem Schutz der Bevölkerung in Einklang zu bringen.
    Es ist uns bekannt das es dem Ordnungsamt in einigen Fällen an dem notwendigen Augenmaß und der richtigen Ansprache gefehlt hat. Auch die Einstellung eines Gastronomen als Hilfskraft beim Ordnungsamt sehen wir sehr kritisch.
    Aber wenn die oben genannten Fraktionen es mit diesem Brief ernst meinen würden, dann hätten Sie sich bemüht im Vorfeld Kontakt zu allen im Rat vertretenen Parteien aufzunehmen um einen breiten Konsens zu erzielen. Durch viele Gespräche die wir in den letzten Tagen mit Mitgliedern anderer Parteien geführt haben, wäre das auch erfolgreich gewesen.
    So bleibt der Verdacht bestehen das grade diese Fraktionen die genannten Probleme der Gastronomen zum Wahlkampfthema machen wollen.
    Wie Herr Bilstein schon treffend bemerkt hat; alle für das Ordnungsamt verantwortlichen Personen im Rathaus gehören den Parteien an die den Brief geschrieben haben und sind auch durch diese gewählt worden.
    Es wäre also ein leichtes gewesen erstmal auf dem kleinen Dienstweg zu versuchen die Verhältnisse mit den eigenen Parteimitgliedern zu regeln.
    Da dies scheinbar nicht passiert ist bleibt für mich der Brief nichts anderes als Wahlkampfgetöse.
    Ob damit den Gastronomen wirklich gedient ist wagen wir zu bezweifeln.
    Stefan Janosi
    Fraktionsvorsitzender Bündnis90/Die Grünen

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    • Schenk
    • 26.08.20, 17:21 Uhr

    Vielen Dank an Stefan Janosi und Jochen Bilstein für die differenzierte und überlegte Herangehensweise.
    Das Thema ist denkbar ungeeignet für Wahlkampfgetöse. Wer hier Wählerpunkte sammeln will, erzeugt in Wahrheit Verletzungen und Unfrieden.
    Der Umgang mit Corona-Regeln ist für uns alle nicht einfach.
    Wir gehen nicht davon aus, dass es Gastronomen in Wermelskirchen gibt, die sich leichtfertig über Vorgaben und Regeln hinwegsetzen.
    Aber wir werden uns auch dem plakativen, einseitigen Ordnungsamtbashing nicht anschließen.
    Lösungen in schwierigen – scheinbar unlösbaren – Konstellationen finden sich in der Regel nicht, wenn man direkt die Keule (offener Brief) schwingt. Wenn es den Verfassern des offenen Briefes wirklich primär um Gesundheit bzw Einhaltung der Corona-Regeln einerseits und Unterstützung der Gastronomen andererseits geht, ist leider (auch) bei ihnen viel an Feinschliff und Fingerspitzengefühl zu vermissen.

    Horst Walter Schenk
    Fraktionsvorsitzender FÜR-WK

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    • petra
    • 26.08.20, 19:09 Uhr

    Wie hoch muss den beteiligten Fraktionen das Wasser eigentlich stehen, dass sie zu so durchschaubaren Aktionen greifen, als seien es die letzten Strohhalme? Für mich sieht das aus wie der verzweifelte Versuch, Aufmerksamkeit zu erlangen, die nicht durch eigene Konzepte und Programme erreicht werden kann.
    Soweit ich weiß, hat unser Bürgermeister höchstselbst die eine oder andere Woge geglättet, obwohl dies eigentlich Aufgabe des zuständigen Dezernenten (merke: CDU) gewesen wäre. Also sollte man in der Tat die Zuständigkeiten nach der Wahl nochmal überdenken, wie Jochen Bilstein vorgeschlagen hat. Vielleicht auch direkt im Bereich Kultur mit…

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    • Petra Weber
    • 26.08.20, 19:26 Uhr

    Ach, und by the way: „ die unterzeichnenden Fraktionen sind sicherlich über jeden Zweifel erhaben, dass sie nicht für Recht und Ordnung, Sicherheit und Sauberkeit einstehen.“ 😂😂

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    • Stefan Janosi
    • 26.08.20, 19:37 Uhr

    Wie ich eben erfahren durfte wurden auch einige Gastronomen über diesen Brief nicht informiert und finden das Vorgehen kontraproduktiv.

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    • Arne Feldmann
    • 26.08.20, 21:31 Uhr

    Als unmittelbar angesprochener Leiter des Ordnungsamtes möchte ich auch einen kurzen Beitrag schreiben:
    Gerade im Bereich Gastronomie haben umfangreiche Beratungen und Informationsgespräche stattgefunden. Wir hatten und haben immer ein offenes Ohr für Fragen und holen uns bei Interpretationsspielräumen Rat beim Ministerium.
    Unsere Türen (in Coronazeiten besser die Telefone) stehen jedem Fraktionsvorsitzenden, jedem Ratsmitglied und jeder Bürgerin und jedem Bürger offen um sich über die Arbeit meines Amtes persönlich zu informieren.
    Schade, dass die Verfasser der diversen Schreiben dies nicht im Vorfeld getan haben.

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    • Parteilos
    • 26.08.20, 23:17 Uhr

    Hallo zusammen
    ich finde den öffentlichen Brief, da ich auch internals kenne, gut.
    Alles andere, die parteipolitischen Eitelkeiten, sind meines Erachtens fehl am Platz.
    Hier geht es schlicht und ergreifend um Vorgehensweisen die einfach in der Handlungsweise nicht in Ordnung sind.

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    • Jürgen Scherkenbeck
    • 27.08.20, 11:53 Uhr

    Ich möchte in Erinnerung rufen, dass die Gastronomie nicht ganz unschuldig an der ersten Corona Infektionswelle war. Um nur die beiden bekanntesten Fälle zu nennen: Ischgl und Gangelt. Auch die jetzt wieder ansteigenden Fallzahlen werden nicht nur durch Reiserückkehrer verursacht, sondern auch von größeren (Familien)Feiern im Gastronomiebereich, wo die Hygienevorschriften nur unzureichend eingehalten wurden. Insofern habe ich Verständnis dafür, dass das Ordnungsamt gerade in diesem Bereich eine deutliche Sprache spricht. Das gesundheitliche Wohl der Wermelskirchener Bevölkerung steht zweifelsohne über dem finanziellen Wohl einiger Gastronomen. Die Beschwerdeführer hätten sich im Vorfeld ihres offenen Briefes vielleicht auch einmal Gedanken darüber machen sollen, was denn die Folge einer Corona-Infektion aufgrund der geforderten, großzügigeren Auslegung der Vorschriften im Gastronomiebereich ist: Kein Wermelskirchener lässt sich mehr in einer Kneipe oder einem Restaurant blicken. Und das ist dann mit Sicherheit das Ende der örtlichen Gastronomie.
    Der Umstand, dass die WNKUWG, die ansonsten bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit „Law and Order“ predigt, mitunterzeichnet hat, nimmt dem Schriftstück für mich ohnehin jede Glaubwürdigkeit.

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