Buchtipp: Heimat an der Zonengrenze

Vor 75 Jahren ging nicht nur der Zweite Weltkrieg zu Ende, sondern auch die diktatorische und unmenschlich grausame Herrschaft der Nationalsozialisten. Deutschland wurde in „besetzte Zonen“ eingeteilt. Vor allem im Vorharz trafen dabei Welten aufeinander: Das von der Sowjetunion beherrschte Gebiet und die von den West-Alliierten verwalteten Bereiche. Für Kinder und Jugendliche, die an dieser „Zonengrenze“ auf- wuchsen, war das eine besondere Erfahrung. Uwe Pook hat seine Erinnerungen an diese Zeit in einem lesenswerten Roman verarbeitet, der mit historischen Fakten und dichterischer Freiheit die Geschehnisse lebendig werden lässt.

In seinem Werk „Heimat an der ‚Zonengrenze‘“ (Bouvier Verlag) beschreibt er, wie die Erwachsenen unterschiedlich mit der eben erst vergangenen Phase der NS-Herrschaft umgehen. Er lässt hautnah und spannend miterleben, wie manche mit der Demokratie fremdeln und sich eine „harte Hand“ in der Politik zurückwünschen. Uwe Pook, der später mit seiner Familie nach Köln gezogen ist und heute im benachbarten Pulheim wohnt, lässt an Gerüchten und an wahren Geschichten teilhaben, die er als Heranwachsender mit überzeugten Alt-Nazis erlebt hat – die grimmige Haltung, der beharrliche Rassismus und das Festhalten an zweifelhaften Idealen.

Voller Spannung, mit lebensnahen Beschreibungen und Dialogen, entführt Uwe Pook in die Welt der 1950er Jahre. Es ist eine Mahnung daran, dass mit dem Ende der NS-Herrschaft das entsprechende Gedankengut nicht gänzlich verschwunden war. Unterschwellig und zum Teil gegenüber ihm als Kind auch unumwunden offen ausgesprochen, standen trotz aller Gräueltaten manche Bewohner/innen des Vorharz zu den Ideen des „Dritten Reichs“.

Mit seinem Fahrrad hatte sich der kleine Uwe stets auf den Weg gemacht, um seine Heimat zu erkunden. Er geriet dabei in so manche verzwickte Situation. Als er die Grenzen zur „Sowjetisch besetzten Zone“ versehentlich überschreitet, bekommt er es mit dem dort herrschenden, strengen Regime zu tun. Der unterschiedliche Umgang mit der Vergangenheit, die sich abzeichneten differenten politischen Systeme, aber auch die mal mehr, mal weniger ausprägten Freiheiten im Grenzgebiet schildert der Autor aus eigener Erinnerung.

Wer verstehen will, wie sich undemokratische und gruppenbezogen hasserfüllte Gedanken entwickeln, wie sie auch in einer Demokratie am Leben gehalten werden und wie sich sogar Kinder dagegen wehren können, ist bei „Heimat an der ‚Zonengrenze‘“ genau richtig. Das Buch kommt zwar unterhaltsam daher, manchmal entlockt es sogar ein Lächeln oder Lachen. Das wiederum bleibt einem aber im Hals stecken, wenn man im weiteren Verlauf den Verrat an Menschenwürde durch „alte Nazis“ vor Augen geführt bekommt. Die Alliierten wurden vordergründig als Befreier gefeiert, hinter den Kulissen aber gab es Unzufriedenheit und ideologische Kontinuitäten, die der heranwachsende Autor erfuhr. Mit seinem Roman ist ihm eine kritische Einordnung dieser Haltung gelungen.

Die entbehrungsreiche Nachkriegszeit wird in dem Erstlingswerk des Pensionärs Uwe Pook anschaulich dargestellt – aber auch die kleinen und großen Freuden, die er seinerzeit erleben durfte. Nun gibt er seine Erinnerungen aus dem Vorharz weiter, auch um zu mahnen, wie allgegenwärtig faschistische Überzeugungen selbst direkt nach den grausamen Erfahrungen des Nationalsozialismus in Deutschland waren. (Frank Überall)

Uwe Pook • Heimat an der „Zonengrenze“ • Bouvier Verlag, Bonn 2020 • 226 Seiten • 19 Euro • ISBN 978-3-416-04070-9

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