Zusammenfassung eines Vortrags in Gummersbach vom 15.04.2020
Den nachfolgenden Beitrag entnehmen wir der Online-Info 03-2020 des Netzwerks gegen Rechts im Oberbergischen Kreis:
Gummersbach/Bergisches Land | Andreas Speit ist Journalist und Publizist aus Hamburg. Der Vortrag fand im Kontext der Razzia bei der inzwischen Verbotenen Gruppe „Geeinte deutsche Völker und Stämme“ statt. Bei den Durchsuchungen waren auch in Gummersbach Waffen gefunden worden.
Herr Speit beschrieb die Reichsbürgerszene als sehr heterogen. Bundesweit seien es ca. 19 000 Personen die der Idee anhängen, dass die Bundesrepublik kein richtiger Staat sei. Einige Reichsbürgerinnen sprechen von einer BRD GmbH. Dafür gebe es unterschiedliche Beweggründe. Die Reichsbürgerinnen vereinen sowohl Selbstverwalter und Rechtsextreme als auch Aussteiger in jeglicher Form miteinander. Die Gruppe ist sehr heterogen und nicht zwingend rechtextrem. Allerdings ähneln die Geschlechtervorstellungen und Strukturen denen rechtsextremer Gruppen und einige Reichsbürgergruppierungen positionieren sich auch klar nach rechts. Die Szene ist oftmals männlich dominiert.
Klar ist jedoch, dass sie Feinde des Grundgesetzes sind, da sie dieses nicht anerkennen. In den letzten Jahren rückten sie stärker in den Fokus, nachdem sie lange unterschätzt und als Spinner abgetan wurden. Dies änderte sich nachdem 2016 ein Polizeibeamter von Anhängern der Reichsbürgerbewegung erschossen wurde. Der Vorfall verdeutlichte das Gewaltpotential was von Teilen der Gruppierung ausgeht. Immer wieder kommt es zu Vorfällen mit Behörden, wenn auch nicht immer in dieser extremen Form. Die Behördenmitarbeiterinnen sind im Kontakt mit Reichsbürgerinnen oftmals einer hohen Belastung ausgesetzt.
Die Radikalisierung in diesem Milieu gehe, so Speit von 0 auf 100, es sei schwer abschätzbar, man sollte das Gewaltpotential jedoch nicht unterschätzen. Durch die Vorstellung von vorhandenen autonomen (Staats-)gebieten gebe es eine Perspektive der „Verteidigung auf eigenem Gebiet“. Eine noch größere Gefahr sieht Speit jedoch in der allgemeinen Verschiebung der gesellschaftlichen Debatte nach rechts. Die verbotene Gruppierung „Geeinte deutsche Völker und Stämme“ (zu der auch die Personen gehörten, bei denen die Durchsuchung in Gummersbach stattfand) wies eine für die Reichsbürger*innen ungewöhnliche Struktur auf, da sie von einer Frau geleitet wurde. Die besagte Anführerin der „Geeinte deutsche Völker und Stämme“ ist mit alternativen Lebensmodellen gestartet und hat sich mit der Zeit zunehmend radikalisiert.
Die Vereinigung „Geeinte deutsche Völker und Stämme“ wollte alte Gemeindestrukturen wiederbeleben, konkret im Oberbergischen die alte Gemeinde Gimborn. Manche Bewohner des ländlichen Raums fühlen sich seit der großflächigen Gemeindereform im Stich gelassen und genötigt die „Sache selber in die Hand zu nehmen“. Einige davon würden sich dann der Reichsbürgerbewegung anschließen.
Razzia gegen Reichsbürgervereinigung in Gummersbach
Insgesamt zählen Behörden in Nordrhein- Westfalen circa 3200 Menschen, die dem Reichsbürgerspektrum zugeordnet werden. Im Zuge des Verbots der Reichsbürgervereinigung „Geeinte deutsche Völker und Stämme“ am 19. März 2020 kam es neben 21 Wohnungsdurchsuchungen im gesamten Bundesgebiet auch zu einer Durchsuchung eines Anwesens in Gummersbach-Windhagen. Bei den Durchsuchungen wurden unter anderem Schusswaffen, Baseballschläger, Propagandamaterialien sowie Betäubungsmittel sichergestellt. Begründet wird das Verbot mit dem Verbreiten von antisemitischen, rassistischen und geschichtsrevisionistischen Texten. Zudem tat sich der Verein durch aggressive Sprache und Drohungen gegenüber Amtsträgern hervor. Ideologisch bewegt er sich im Reichsbürgermilieu und leugnet die Legitimität der Bundesrepublik Deutschland.