VON WALTER SCHUBERT
Aktuell ist von einer „neuen Normalität“ die Rede. Wir müssen uns wohl einstellen auf ein Leben mit dem Corona-Virus, mit Abstand halten, mit Masken tragen, mit vielen Einschränkungen und Vorsichtsmaßnahmen. So wird es wohl sein, bis geeignete Medikamente oder Impfstoffe bereit stehen. Und selbst wenn dies irgendwann gelingt – was ist denn dann? Machen wir dann genauso weiter wie früher?
Stellt sich nicht die Frage, ob unser Leben vor Corona wirklich normal war? Normalität ist das Einhalten von Normen. Als normal wird das empfunden, was die Mehrheit tut oder lässt. Doch ist es deshalb gut oder richtig, nur weil es alle tun oder wir es immer schon so gemacht haben? Schauen wir nur eine kurze Zeit zurück. Jedes Jahr wurden mehr Kreuzfahrtschiffe gebaut und auch genutzt. „Ich weiß, dass es der Umwelt schadet. Ich mache es aber trotzdem“. Jedes Jahr wurden mehr Fahrzeuge verkauft und die Staus wurden immer länger. Jedes Jahr mehr Urlaubsflüge, jedes Jahr mehr Müll, mehr Dreck, jedes Jahr von allem mehr, mehr, mehr …
Besteht ein erfülltes Leben tatsächlich darin, das Shoppen als tägliches Hobby zu erklären? Muss man tatsächlich so viel produzieren und kaufen, dass Neuware (teils noch mit Etikett!) im Altkleidercontainer landet? Ist das wirklich alles normal?
Es ist noch gar nicht lange her, da beherrschte die Umweltdiskussion die Schlagzeilen. Und gerade als dieses Thema mit Greta Thunberg und den Schülerprotesten einen Höhepunkt erlebte, genau da erlebte alles, was der Umwelt schadete, auch einen Boom. Es erschien wie das letzte Aufbäumen vor dem großen Knall.
Vielleicht ist Corona ja dieser Knall – weltweit, in allen Ländern. Vielleicht wird nun alles zwangsweise auf ein „normales Maß“ herunter gestutzt. Viele Branchen werden leiden, einiges komplett verschwinden, viele Arbeitsplätze werden verloren gehen, es wird richtig weh tun, weil wir das Normale aus den Augen verloren hatten und auf das Normale gar nicht vorbereitet waren oder es verdrängt hatten.
Doch bevor wir glauben, dass nach einer schwierigen Übergangszeit alles gut wird, sollten wir genau hinsehen. Wer die Bilder aus den Grünanlagen vom letzten Wochenende gesehen hat, wer gesehen und erlebt hat, wie die Leute am Montag in die Fußgängerzonen strömten, und wer erlebt, wie uneinsichtig viele im Umgang mit den Masken sind, der kann nicht zuversichtlich sein.
Corona könnte eine Chance sein, vieles neu, anders und besser zu machen. Doch es besteht wahrscheinlich wenig Hoffnung.
Liebe Forum-Leser / -Nutzer – einfach mal zur Diskussion gestellt.
Bleibt gesund!
Ja lieber Herr Schubert. Meine Frau und ich unterhalten uns schon seit geraumer Zeit darüber. Schon seit Jahren und sind zur selben Erkenntnis gekommen, wie Sie es beschreiben. Bleiben auch Sie gesund.
Die Anpassungsfähigkeit des Menschen sollten wir nicht unterschätzen. Der Mensch passt sich auch an schwierige Bedingungen an, fällt aber bei Veränderung der Bedingungen schnell wieder in alte Verhaltensweisen zurück.
Verschiedene Szenarien sind denkbar. 1 Szenario: Weitgehende Gewöhnung an Isolation und staatliche Kontrolle sowie Einschränkung der Grundrechte. 2.: Der zunehmende Rückzug ins private. Das globale Analogon dazu hieße zurück in nationale Egoismen, Fokussierung auf nationale Interessen, aber auch stärkere Entwicklung hin zu lokalen Strukturen. 3 Szenario: Infragestellung eines grenzenlosen Wachstums, kommen wir vielleicht auch mit weniger aus? Entstehen von neuen Geschäftsmodellen die mehr auf Ökologie und Nachhaltigkeit setzen, flexible Reaktionen auf Veränderungen. Durch das gemeinsame Überstehen einer Krise ein neuer und achtsamer Umgang miteinander.
Die 3. Version wäre die Wünschenswerte. Ob diese Vision Realität wird liegt an uns allen. Durch die aktuellen Entwicklungen bin ich da aber eher skeptisch. Neben sozial und rücksichtsvoll agierenden Menschen, sehe ich auch Egoismus, Blockwartmentalität, und auch erschreckend kritiklose Obrigkeitshörigkeit.
Zwei interessante Stimmen / Reaktionen. Bitte mehr davon.