BUCHTIPP VIII: DEUTSCHER JUGENDLITERATURPREIS 2020

Nominierungen der Kritikerjury: Sparte Jugendbuch

VON MARIE-LOUISE LICHTENBERG

Einsamkeit und Langeweile beherrschen Robins Teenagerleben. Dies ändert sich, als Leo, ein neuer Klassenkamerad, in seinen Alltag tritt. Leo strotzt vor Selbstbewusstsein und zieht den unsicheren Robin rasch in seinen Bann.

Robin lernt das Leben nun von einer anderen Seite kennen – Rauchen, Trinken und Kiffen gehören dazu. Es dauert nicht lange und der Abstieg in eine Welt von Drogen und wilden Partys beginnt. Immer weiter scheint Robin aus der Realität in eine Parallelwelt zu entgleiten. Nach einem heftigen LSD-Trip und einem anschließenden Streit mit seiner Mutter stürzt Robin berauscht aus dem Fenster, verletzt sich schwer und kämpft im Krankenhaus gegen den Tod. Jeden Tag schwindet seine Hoffnung, dass sein neuer bester Freund Leo ihn am Krankenbett besuchen kommt.

Antje Herden gelingt es, Robins jugendliche Gier nach Neuem und Zugehörigkeit in Worte zu fassen. Ihre Sprache fesselt und vermag einen Drogentrip beängstigend real zu schildern. Nie tönt es jedoch belehrend oder gar verharmlosend aus dem Text. Ungewohnt und anregend ist die Verwendung der Du-Ansprache, die irritiert und deren Geheimnis erst am Ende gelüftet wird. Ein literarischer Trip, verstörend und faszinierend zugleich.

Antje Herden • Keine halben Sachen • Beltz & Gelberg • ISBN 978-3-407-81248-3 • 12,95 € • Ab 14

Sieben Stockwerke, sechs Begegnungen mit Toten, drei Regeln, ein Fahrstuhl und am Ende eine Entscheidung.

Wills großer Bruder Shawn wurde auf offener Straße erschossen, sein Tod kam nicht überraschend. Seitdem Will klein ist, kennt er die Regeln der Straße: 1. Nicht weinen, 2. Niemanden verpfeifen, 3. Auf jeden Fall Rache nehmen.
Nun steht er vor der schwersten Entscheidung seines Lebens: Soll er sich einreihen in die lange Liste der Toten oder ist er der Erste, der die Waffe sinken lässt und keine Rache nimmt? Will fährt im Fahrstuhl gen Erdgeschoss, durchlebt Gefühle der Angst, der Rachsucht, aber auch die Sehnsucht nach Ruhe.

Der Autor hat eine famose Idee kunstvoll umgesetzt: In einer erzählten Zeit von nur einer Minute gelingt es Jason Reynolds mit reduzierten Mitteln, Spannung und Intensität zu schaffen, die kaum Zeit zum Atmen lässt. Reynolds erster Versroman besticht durch seine präzise und gleichermaßen fesselnde Sprache. Die Knappheit lässt Raum für eigene Deutungen und fordert zum individuellen Urteil auf. Petra Bös hat den Versroman fabelhaft übersetzt.

7-6-5-4-3-2-1-E – „Kommst Du?”

Jason Reynolds • Long way down • Aus dem Englischen von Petra Bös • dtv Reihe Hanser • ISBN 978-3-423-65031-1 • 14,95 € • Ab 14

Die Texte stammen von den jeweiligen Jurys.

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