VON WOLFGANG HORN
“Überrascht” habe ihn die angekündigte Demission der CDU-Bundesvorsitzenden, Annegret Kramp-Karrenbauer, sagte laut Bergischer Morgenpost von heute der CDU-Fraktionsvorsitzende im hiesigen Stadtrat, Christian Klicki. Die Entscheidung sei aber auch konsequent, so Klicki, der sich für Friedrich Merz auf den Posten von Kramp-Karrenbauer und Angela Merkel aussprach.
Und auch der neue Parteivorsitzende der Union in Wermelskirchen, Stefan Leßenich, sowie der Kreisvorsitzende, Uwe Pakendorf, ebenfalls erst kürzlich in sein Amt gewählt, sprachen sich für einen eher ruhigen und nachhaltigen Prozess der Erneuerung der Parteiführung mit dem Ziel neuer innerparteilicher Stabilität aus. Die CDU stehe, so Pakendorf, “für einen Kurs der Mitte”, den die Noch-Vorsitzende aber habe nicht durchsetzen können.
Vorsichtige Beschreibungen allenthalben auf christdemokratischem Terrain. Kein Wort, keine Silbe davon, daß die CDU bundesweit offenbar ein Problem mit der Autorität der Führung hat und der Geltung ihrer Beschlüsse dort, wo die AfD stark ist in Deutschland. Kein Wort auch davon, daß die Werteunion, an der die innerparteiliche Kritik in der CDU durchaus vernehmlich ist, im Kreisvorstand oder im Rat der Kreisstadt prominent vertreten ist. Die reaktionäre Werte-Union, die von vielen in der CDU nicht lediglich als Ensemble rechtskonservativer Stimmen, sondern auch als Scharnier zur völkisch-nationalistischen AfD begriffen wird. Kein Wort davon, daß das Hasardieren in Thüringen, von FDP und CDU gemeinsam betrieben, erst zur Erosion der Führung und zu den im Sturzflug befindlichen Zustimmungswerten geführt haben. Kein Wort zum vollkommen antibürgerlichen Paktieren mit Rechtsextremen aus dem Höcke-Lager der AfD.
Die FDP in Wermelskirchen hat in Person ihres Bürgermeisterkandidaten und ihres Ortsvorsitzenden jedenfalls noch am Tag der Entscheidung in Erfurt, am 5. Februar, deutlich reagiert und sich von den unseligen Machtspielchen der Freidemokraten aus der Thüringer Provinz unmißverständlich abgegrenzt. Schneller und eindeutiger, als es der aus dem Bergischen stammende Bundesvorsitzende bislang vermochte.
Was kann man unter einem “Kurs der Mitte” verstehen? Jedenfalls nicht, was diese beiden Parteien mit ihren Erfurter Spielchen praktiziert haben: sich von Rechtsextremisten in Amt und Würden hieven lassen. Die Mitte ist am Ende ein keineswegs genau bestimmbarer politischer Ort. Gehören nicht auch Klimaschutz oder Verkehrsberuhigung zur Mitte, Religionsfreiheit (auch für Muslime) oder die Rettung von Menschenleben aus der Seenot, die Gleichberechtigung homosexueller Partnerschaften mit der heterosexuellen Ehe, die Achtung und der Schutz gesellschaftlicher Minderheiten, Antifaschismus und die Absage an Gewalt, die Ächtung und konsequente Verfolgung rechtsextremischer Gewalttaten, die Aufgabe der Kernenergie, der Schutz der Menschenrechte, eine ökologische Zukunft, die Absage an unbürgerliche Kommunikationsweisen und die Zurückweisung der gesellschaftlichen Spaltung, der Schutz vor Fake-News und Häme, vor Beleidigung und Schmähung?
Ein “Kurs der Mitte” ist keineswegs möglich, wenn Rechtsextremismus verharmlost wird. Ein Kurs der Mitte ist keinesfalls möglich, wenn man mit den Extremisten der AfD paktiert oder versucht, von ihnen zu profitieren. Ein Kurs der Mitte ist nicht glaubhaft, so lange in den eigenen Reihen das Ausfransen nach rechts über die Werteunion kultiviert wird. Ein Kurs der Mitte ist ebenfalls nicht möglich, wenn man an einer aus dem Arsenal des kalten Krieges stammenden Beschreibung und Bewertung der Partei Die Linke festhält, ohne die Entwicklung in den vergangenen drei Jahrzehnten zur Kenntnis zu nehmen.
Das Reich der Mitte gehört im übrigen nicht lediglich der Christenpartei, sondern ebenso den Grünen wie den Liberalen oder auch den Sozialdemokraten. Das Reich der Mitte ist groß und weit und oft ungenau und unbestimmt.